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Audi: Das Ende des Design-Einerleis

20.11.2014 08:30 Uhr
Neue Ringevorstellung: Der Single-Frame, das wichtige Erkennungszeichen von Audi-Modellen, geht in die Breite und wird für jede Baureihe stärker variiert.
© Foto: Audi

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Seinen ersten Arbeitstag bei Audi wird Marc Lichte wohl nie vergessen. Denn kaum war der neue Designchef aus Wolfsburg nach Ingolstadt gewechselt, stand er auch schon in einer gesichtslosen Hochsicherheitshalle am Stadtrand von Ingolstadt und ihm gegenüber waren fünf Entwürfe für den neuen A8 aufgereiht. "Ich war erst ein paar Stunden im Amt und musste schon die finalen Designentscheidung mit fällen", erinnert sich der 45-jährige an den Tag Anfang Februar – so kalt hätte er das Wasser nicht erwartet, in das man ihn da ihm neuen Job geworfen hat.

Doch so ganz unvorbereitet war Lichte offenbar nicht. Weil sein Wechsel von VW zu Audi von langer Hand geplant war, sein Mentor der neue, alte Entwicklungschef Ulrich Hackenberg ist und dem der A8 als technologisches Aushängeschild besonders am Herzen liegt, hat er schon in Wolfsburg nach Feierabend ein bisschen an einer großen Limousine herumgetüftelt. Und dabei offenbar den Geschmack seiner künftigen Chefs ganz gut getroffen. "Denn von den fünf Vorschlägen wurde am Ende ausgerechnet meiner ausgewählt", sagt Lichte und wirkt dabei stolz wie ein Schüler, der gerade eine Einser-Arbeit nach Hause getragen hat: "Wenn das mal kein gutes Omen ist."

Die Entscheidung für den A8 ist jetzt neun Monate her und seitdem ist es für Lichte kaum ruhiger geworden. Denn während er bereits an den ersten Skizzen für den nächsten A1 sitzt und sich ganz nebenbei Gedanken über neue Modelle für neue Segmente macht, hat er mal eben auch die Designs für A6 und A7 durchgewunken: "Drei wichtige neue Modelle in nur einem halben Jahr – so ein Tempo erlebt man nicht oft bei einem Autohersteller", wundert sich der Designchef über die ungewohnte Dynamik in seinem neuen Job.

Im Single-Frame gefangen
Dass es bei den Bayern gerade Schlag auf Schlag geht, ist auch dringend nötig. Denn nicht nur die Ingenieure haben in den vergangenen Jahren offenbar Orientierung und Anschluss verloren und konnten so den Anspruch vom "Vorsprung durch Technik" kaum mehr erfüllen. Sondern auch die Designer wirkten so, als wären sie in ihren eigenen Linien gefangen. Zwar hat kaum eine andere Premium-Marke zuletzt so viele Showstars auf die Messebühnen gerollt wie Audi. Doch was am Ende in Serie ging, war allenfalls gehobener Durschnitt, solides Handwerk, aber keine Kunst mehr: Zu gleichförmig, in den einzelnen Baureihen zu verwechselbar und seit Jahren im Single-Frame gefangen. Selbst Lichte räumt ein, dass es ihm bisweilen schwer fällt, verschiedene Modelle im Rückspiegel auseinander zu halten: "Wir sind zu verwechselbar geworden", sagt der Designchef und will der Marke wieder mehr Charakter und den einzelnen Modellen mehr Charisma geben: Das Ende des Einerleis ist gekommen, so lässt sich seine Botschaft zusammenfassen.

Dabei setzt Lichte auf ein paar wenige Grundformen: Es bleibt bei einer ganz klaren, reduzierten Linienführung, die Proportionen werden noch wichtiger und sollen mit ihrer Ausgewogenheit das ausbalancierte Ideal vom Quattro-Antrieb visualisieren. Leichtbau wird auch optisch zum Leitmotiv und natürlich soll ein Audi immer schnell und sportlich aussehen. Ach ja, und der Single-Frame-Grill bleicht natürlich auch, weil er mittlerweile zum Gesicht von Audi geworden ist. "Aber er geht deutlich in die Breite und wird für jede Baureihe stärker variiert", verspricht Lichte, und skiribbelt ganz nebenbei ein paar ganz unterschiedliche Audi-Gesichter aufs Blatt.

Wenn man mit Lichte spricht, fallen immer wieder Satzbausteine wie "ganz ehrlich", "das kann ich ihnen versprechen" oder "Sie werden schon sehen". Mit jeder Minute redet er sich mehr in Rage, würde am liebsten die ganze kommende Modellpalette zeigen und die alarmgesicherten Garagen aufschließen, die hier irgendwo auf dem Gelände sein müssen. Oder wenigstens sein prall gefülltes Skizzenbuch vorzeigen, das er immer und überall dabei hat. Doch die Herren vom Werksschutz schauen streng, und Lichte weiß, was er für Geheimhaltungsklauseln in seinem Vertrag unterschrieben hat.

Prolog in Los Angeles
Deshalb bleiben ihm nur ein paar vollmundige Sätze und ein paar dünne Skizzen, mit denen er die Zukunft von Audi in den schönsten Farben ausmalen kann. Doch weil das nicht reichen wird, um das Blatt zu wenden und die Stimmung zu ändern, setzt Lichte jetzt zu einem Befreiungsschlag an und lässt den vielen Worten endlich Taten folgen: Nächste Woche enthüllt er deshalb auf der LA Autoshow den Audi "Prologue", der all seine Wünsche und Visionen für die Modelle von Morgen auf 5,10 Metern verdichtet.

Dafür hat Lichte ein Luxus-Coupé gezeichnet, neben dem der Zweitürer der S-Klasse ziemlich barock und ein BMW 6er fast schon zierlich aussieht. Und das, obwohl der Prologue sogar einen Hauch kürzer ist als der aktuelle A8. Schon der Bug mit einem schier endlos breiten Grill, der sich ungewöhnlich flach auf die Straße duckt, macht diesen Audi endlich wieder unverwechselbar. Die Flanke ist schlank und muskulös und erinnert mit zwei scharfen Linien über den weit ausgestellten Radkästen an den Urquattro – und das Heck ist eine echte Überraschung. Denn die Rückscheibe ist negativ gebogen, der Deckel zum Kofferraum setzt mit zwei spitzen Zungen sehr weit oben an und der Abschluss ist so stark in Fahrrichtung geneigt, dass er den ganzen Wagen förmlich anschiebt. Da muss man gar nicht wissen, welcher Motor unter der Haube steckt – und trotzdem sieht das Auto ungeheuer schnell aus.

So schnell der Prologue auch fahren möchte und so konkret der von Lichte versprochene "Vorgeschmack auf die Zukunft von Audi" auch sein mag – ein bisschen Geduld müssen der Designchef und mit ihm die Audi-Kunden schon noch haben. Denn zwei, drei Jahre wird es dauern, bis seine ersten Entwürfe tatsächlich umgesetzt sind. Deshalb muss er sich jetzt erst einmal mit den Neuauflagen von A4, A5 und Q7 anfreunden, die im nächsten Jahr kommen und von ihm allenfalls noch ganz dezent retuschiert worden sind. Doch Trost spendet ihm der Blick auf die Studie und die Gewissheit, dass dieses Schaustück keine leere Versprechung ist. "Denn normalerweise machen wir ja erst die Showcars und leiten davon die Serienautos ab. Dabei bleibt naturgemäß immer ein bisschen was auf der Strecke", räumt Lichte ein. "Doch diesmal waren erst die neuen Modelle da und wir haben daraus die Studie kondensiert. Deshalb wird es später auch keine Enttäuschung geben." (Benjamin Bessinger/sp-x)


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