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Autobauer: Brexit-Folgen noch nicht absehbar

24.06.2016 13:55 Uhr
Autobauer: Brexit-Folgen noch nicht absehbar
Der VDA warnt nach dem Brexit-Votum vor einer Beeinträchtigung des Handels mit Großbritannien.
© Foto: picture alliance / Eventpress

Jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto geht ins Vereinigte Königreich. BMW, VW und Opel müssen sich jetzt auf die neue Situation einstellen.

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BMW hat betont zurückhaltend auf die Entscheidung der britischen Wähler reagiert, die EU zu verlassen. "Die Konsequenzen dieser Entscheidung sind heute noch nicht absehbar. Klar ist, dass nun eine Phase der Unsicherheit beginnt", teilte der Autokonzern am Freitag in München mit. "Wir erwarten jedoch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf unsere Aktivitäten in Großbritannien."

Großbritannien ist für BMW nach China und den USA der drittgrößte Auslandsmarkt. Der Konzern verkauft bislang mehr als zehn Prozent seiner Autos in Großbritannien - im vergangenen Jahr waren das 236.000 Fahrzeuge. Außerdem baut BMW in England jährlich mehr als 200 000 Minis und Rolls-Royce-Limousinen und beschäftigt dort 24.000 Mitarbeiter.

Nach dem Brexit-Votum erklärte BMW, die Bedingungen für den Personen- und Warenverkehr müssten nun neu verhandelt werden. "Bevor die neuen Rahmenbedingungen nicht im Detail definiert sind, können wir uns zu konkreten Auswirkungen auf unsere Aktivitäten in Großbritannien nicht äußern." Über Auswirkungen auf die Produktionsstandorte - Oxford, Hams Hall, Swindon und Goodwood - werde der Konzern nicht spekulieren. BMW hat dort rund 2,2 Milliarden Euro investiert.

Wichtiger Markt in Europa

Europas größter Autobauer Volkswagen sieht in den möglichen Konsequenzen des britischen EU-Austritts größere Unsicherheiten, hält die Folgen aber für wahrscheinlich beherrschbar. "Es ist zu früh, alle Auswirkungen auf die Aktivitäten des Unternehmens zu bewerten", hieß es am Freitag aus der Konzernzentrale in Wolfsburg. Man sei jedoch gut aufgestellt, um VW "an sich verändernde wirtschaftliche und politische Umstände anzupassen". Für das größte deutsche Unternehmen sei das Vereinigte Königreich der zweitwichtigste Einzelmarkt in Europa. Auch die Produktion der Tochter Bentley ist dort angesiedelt.

Der stark mit der britischen Wirtschaft verflochtene Autohersteller Opel setzt sich für eine schnelle Klärung der künftigen Wirtschaftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich ein. Während der Verhandlungen müsse der Handel weiter vom freien Verkehr von Waren und Personen profitieren, teilte der Europa-Ableger des US-Konzerns General Motors am Freitag am Stammsitz Rüsselsheim mit. Über seine Schwestermarke Vauxhall verkauft Opel in Großbritannien so viele Autos wie sonst in keinem anderen Land Europas. Im vergangenen Jahr waren es 311.000 von mehr als 1,11 Millionen abgesetzten Autos. In den beiden britischen Werken Ellesmere Port und Luton montieren deutlich über 3.000 Beschäftigte die Opel/Vauxhall-Modelle Astra und Vivaro. Das ist ein knappes Zehntel der Opel-Gesamtbelegschaft.

VDA warnt vor Zollschranken

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) warnt nach dem Brexit-Votum vor einer Beeinträchtigung des Handels mit Großbritannien. "Nach einem EU-Austritt sollte niemand Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den internationalen Warenverkehr zu verteuern", erklärte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Freitag in Berlin. Dies wäre auch schlecht für Großbritannien selbst, schließlich sei dort sowohl der Import wie auch der Export von Fahrzeugen stark.

Zudem wies Wissmann auf die Bedeutung des nordeuropäischen Staates für deutsche Autobauer als Produktionsstandort hin - diese Firmen hätten dort vergangenes Jahr 216.000 Autos hergestellt, elf Prozent mehr als 2014. Mit rund 100 Standorten seien deutsche Autofirmen und Zulieferer in Großbritannien vertreten, knapp ein Drittel mehr als 2010. "Wir sollten alles daran setzen, dass diese Erfolgsstory fortgeschrieben werden kann", sagte Wissmann.

Jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto geht ins Vereinigte Königreich. Autos deutscher Konzernmarken haben danach auf der Insel einen Marktanteil von gut 50 Prozent. Bei Audi waren es 2015 neun Prozent des weltweiten Absatzes, bei Mercedes acht, beim VW-Konzern insgesamt sechs Prozent.

Conti-Chef erwartet nur begrenzte Auswirkungen

Der Reifenhersteller und Autozulieferer Continental erwartet nach dem Brexit lediglich geringe Konsequenzen für sein Geschäft. "Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen auf Continental sind voraussichtlich nur begrenzt", sagte Unternehmenschef Elmar Degenhart. Conti mache derzeit weniger als drei Prozent des Umsatzes in Großbritannien. Als Produktionsstandort ist Großbritannien mit 1.400 Mitarbeitern für Conti eher unbedeutend. Mit Blick auf den Zusammenhalt in Europa sei das Ergebnis aber sehr beunruhigend. "'Jeder für sich' entspricht nicht der Gründungsidee der EU und kann nicht die Antwort auf die Herausforderungen im weltweiten Wettbewerb mit Amerika und Asien sein", sagte Degenhart.

Der Technologiekonzern Bosch will in dem Land an seinem bisherigen Kurs festhalten. "Wir haben derzeit keine Pläne, unsere Investitionen in Großbritannien zurückzufahren", erklärte Bosch-Chef Volkmar Denner. Allerdings plant Bosch ohnehin keine größeren Investitionen, vielmehr sind nach Firmenangaben kontinuierliche Ausgaben für Anlagen geplant.

Die deutschen Maschinenbauer befürchten einen Rückgang der Exporte in das Vereinigte Königreich. "Die Entscheidung für den Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein Alarmsignal für die Unternehmen", sagte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA am Freitag. Der Industriestandort Europa werde Vertrauen bei Investoren verlieren. "Und es wird nicht lange dauern, bis unsere Maschinenexporte nach Großbritannien spürbar zurückgehen werden." Bereits im ersten Quartal seien die Ausfuhren in den viertwichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Maschinenbauer um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Katastrophe für alle Europäer?

IW-Direktor Michael Hüther befürchtet wegen des Brexits keine dramatischen Folgen für Europas Wirtschaft. "Zwar ist mit einem signifikanten Rückgang des Wirtschafts- und Handelswachstums zu rechnen, die Gefahr eines erneuten Losbrechens der Eurokrise bleibt hingegen überschaubar", erklärte Hüther am Freitag nach dem Votum der Briten. Die Reformen in den Krisenstaaten seien weit genug fortgeschritten, das Finanzsystem habe Risikopuffer aufgebaut und der Austritt Großbritanniens komme "letztlich ohne Überraschungsmoment daher", befand der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW/Köln). "Es liegt nun an den EU-Vertretern, sicherzustellen, dass der Brexit kein Präzedenzfall für andere Länder wird. Es darf keine neue Ära des Rosinenpickens anbrechen."

Aus Sicht von DIW-Präsident Marcel Fratzscher ist der Brexit hingegen "eine Katastrophe für alle Europäer". Der Ökonom rechnet mit enormen wirtschaftlichen Kosten für Europa und erwartet in Deutschland im kommenden Jahr ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als zunächst angenommen. Großbritannien könnte in eine Rezession rutschen. "Ich erwarte kurzfristig große Verwerfungen an den Finanzmärkten und mittelfristig eine deutliche Abkühlung der Weltwirtschaft, auch ein erneutes Aufflammen der Finanzkrise durch Verwerfungen im Bankensektor ist wahrscheinlich", sagte Fratzscher am Freitag. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung senkte seine Konjunkturprognose für Deutschland für das kommende Jahr deutlich um 0,5 Prozentpunkte. "Das Referendum hat enormen Schaden für Europa und Großbritannien angerichtet", sagte der Ökonom. Es sei von der Politik missbraucht worden, "um auf Kosten Europas auf Stimmenfang zu gehen und Hetze zu betreiben".

Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, hat das Votum der Briten als "Niederlage der Vernunft" kritisiert. "Die Politik muss jetzt alles tun, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen", teilte Fuest am Freitagmorgen mit. Dazu gehöre es, dass Großbritannien so weit wie möglich Teil des EU-Binnenmarktes bleibe. "Es ist wichtig, die Verhandlungen darüber möglichst schnell zum Abschluss zu bringen, damit die Phase der Unsicherheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen möglichst kurz bleibt." (dpa)

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