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Käuferrechte kennen

30.11.2015 06:00 Uhr

Zeigen sie sich an Neuwagen, denken Käufer, dass ein sofortiger Rücktritt vom Kaufvertrag gerechtfertigt sei. Besonderheiten der Käuferrechte werden aber verkannt. Und was heißt überhaupt "sofort"?

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_ Voraussetzung für die Geltendmachung von Käuferrechten ist zunächst, dass der gekaufte Gegenstand einen (erheblichen) Mangel aufweist. Leasingverträge sehen in der Regel die Freizeichnung des Leasinggebers von der mietrechtlichen Mängelhaftung vor. Diese Freizeichnung ist nur deshalb möglich und wirksam, weil der Leasinggeber dem Leasingnehmer im Gegenzug die kaufrechtlichen Mängelrechte abtritt, die ihm als Käufer gegenüber dem Verkäufer zustehen. Leasingspezifische Besonderheiten führen dazu, dass eine Minderung der Leasingrate nicht möglich ist.

Wann liegt ein Mangel im Sinne des Kaufrechts vor? Üblicherweise ergibt sich die vereinbarte Beschaffenheit eines Neu- oder Gebrauchtwagens aus dem Kaufvertrag. Natürlich werden in diesem Zusammenhang nicht alle Beschaffenheitsmerkmale explizit darin aufgenommen. Es wird zu einem wesentlichen Teil auf die "übliche Beschaffenheit" und "Tauglichkeit zur gewöhnlichen erwendung" abzustellen sein. Damit gehören dann technische Angaben aus Werbeprospekten oder Verkaufsanzeigen regelmäßig zum Vertrag und gelten als vereinbart.

Insoweit muss das Fahrzeug also zur gewöhnlichen Verwendung und zur üblichen Beschaffenheit tauglich sein.

Daneben muss das Fahrzeug frei von Qualitätsmängeln sein. Qualitätsmängel stellen in erster Linie bei Neufahrzeugen ein Problem dar, wenn etwa die Verarbeitung nicht ordnungsgemäß ist oder minderwertige Materialien mit erhöhtem Verschleiß verwendet wurden.

BGH-Urteil

Anhand der Beschaffenheitsvereinbarung "HU neu" hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Frage Stellung bezogen, wie sich der Käufer zu verhalten hat, wenn das Fahrzeug von der vereinbarten Beschaffung abweicht (BGH, Entscheidung vom 15.04.2015; Az. VIII ZR 80/14, DAR 2015, 581). In dem entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Käufer eines Fahrzeugs mit der vereinbarten Beschaffenheit "HU neu" ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung vom Kaufvertrag zurücktreten kann, wenn das Fahrzeug erkennbar in einem desolaten Zustand ist.

Zum besseren Verständnis: Bei dem Begriff der "Nacherfüllung" handelt es sich um den gesetzlichen Oberbegriff; Nachlieferung und Nachbesserung sind die Gestaltungsrechte des § 439 Abs. 1 BGB:"Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (= Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (= Nachlieferung) verlangen".

Obwohl das Fahrzeug noch am Tag des Kaufs mit einer neuen TÜV-Plakette versehen wurde, blieb das Fahrzeug schon auf der Heimfahrt vom Verkäufer mit Motorversagen liegen. Weitere Mängel wurden daraufhin festgestellt; unter anderem eine durchgerostete Bremsleitung.

Der Käufer erklärte sofort schriftlich die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, unter anderem wegen der erheblichen Korrosion an den Bremsleitungen, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt.

Nun könnte zunächst daran gedacht werden, dem Verkäufer das Recht auf Nacherfüllung zuzugestehen. Gerade dies aber hat der BGH in seiner Entscheidung jedoch nicht getan. Der BGH sah es aufgrund von Sachverständigengutachten als erwiesen an, dass an den Bremsleitungen - trotz unmittelbar zuvor erteilter TÜV-Plakette - offensichtliche, fortgeschrittene Korrosionen vorgelegen haben. Diesen Mangel habe der Verkäufer arglistig verschwiegen - auch dann, wenn nicht erwiesen ist, dass der Verkäufer positive Kenntnis oder konkrete Anhaltspunkte für diesen Mangel gehabt hatte.

Immerhin habe der Verkäufer - so der BGH - gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen, indem er vor der Veräußerung des Fahrzeugs eine sorgfältige Sicht- und Funktionsprüfung unterlassen hatte.

Sofortiges Rücktrittsrecht

Der BGH gestand dem Käufer ein sofortiges Rücktrittsrecht zu. Zwar sah das Gericht eine arglistige Täuschung letztlich als nicht gegeben. Aber es sah eine erhebliche Abweichung von der üblichen Beschaffenheit eines Fahrzeugs mit der Bezeichnung "HU neu". So geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem gewerblichen Verkauf eines gebrauchten Fahrzeugs mit der Beschaffenheitsabrede "TÜV neu" zugleich zugesichert wird, dass das Fahrzeug bei der Übergabe dem für die Hauptuntersuchung geeigneten verkehrssicheren Zustand entspricht.

Wenn sich der Verkäufer - wie hier - zur Begutachtung eines Dritten bedient, so muss er sich auch dessen Verschulden bei der Begutachtung zurechnen lassen (§ 278 S. 1 BGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Verkäufer einen privaten Gutachter beauftragt oder den TÜV.

Nach alledem war der Käufer nach Meinung des BGH auch ohne vorherige Fristsetzung einer Nacherfüllung zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, weil eine solche für ihn nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar war.

Mit dem Rückgriff auf den Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit und damit auf die Ausnahmevorschrift des § 440 S. 1 Alt. 3 BGB hat der BGH eine nicht erwartete Billigkeitsentscheidung zugunsten klagender Käufer und Verbraucher getroffen. Denn ansonsten hätte die Klage wegen Nichtbeachtung des zweiten Andienungsrechts des Verkäufers (der Nacherfüllung) abgewiesen werden müssen, weil dem Verkäufer nicht - wie in § 437 Nr. 1 BGB grundsätzlich vorgeschrieben - zunächst die Möglichkeit der Nacherfüllung eingeräumt wurde (§ 439 Abs. 1 BGB). Diese Entscheidung dürfte Auswirkungen auf eine Vielzahl häufiger Mängel bei Neuwagen haben.

Insbesondere die viel diskutierte Frage, inwieweit von einem erheblichen Sachmangel auszugehen ist, wenn der Neuwagen die im Prospekt angegebene Leistung nicht aufweist oder die dort angegebene Höchstgeschwindigkeit in der Praxis nicht erreicht. Einig ist sich die Rechtsprechung inzwischen insoweit, als eine Abweichung von der Prospektangabe um mehr als fünf Prozent die Annahme eines Mangels in der Regel indiziert.

Kraftstoffverbrauch

Allerdings gilt dies nicht ohne Weiteres für die "Werksangaben" des Herstellers zum Kraftstoffverbrauch. Seit Inkrafttreten der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw EnVKV) vom 28.05.2004 (BGBl. I, S. 1037), zuletzt geändert durch Art. 400 der Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I, S. 2407) zum 1.11.2004, sind alle Hersteller und Händler verpflichtet, Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emmissionen zu machen, wenn sie neue Fahrzeuge herstellen, bewerben und verkaufen.

Die Ermittlung der Werte erfolgt auf der Grundlage der Richtlinie 70/220/EWG vom 20.03.1970 ausnahmslos auf Prüfstandsrollen und nach europaweit genormten Testzyklen (NEFZ). Diese unter Laborbedingungen und unter Zugrundelegung nicht gerade realitätsnaher Fahrzyklen ermittelten Verbrauchswerte sorgen immer wieder für Streitigkeiten, da sie oft nicht mit dem tatsächlichen Verbrauch eines Neuwagens im realen Gebrauch vergleichbar sind. Im Streitfall darf der Verbrauch des fraglichen Neuwagens auch nur unter Laborbedingungen des NEFZ ermittelt werden. Denn mit den Prospektangaben wird nur eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen, dass die darin angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind.

Was die Erheblichkeit eines festgestellten Mangels anbelangt, ist zu beachten, dass § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht an sich darauf abstellt, sondern auf die Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Dies ist von wesentlicher Bedeutung, wenn ein Käufer von einem Kaufvertrag wegen eines Mangels zurücktreten möchte.

Eine allgemeine Definition von erheblicher und unerheblicher Schlechtleistung enthält das BGB nicht. Letztlich ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Bei einem behebbaren Sachmangel wird die Erheblichkeitsschwelle in der Regel dann bereits erreicht sein, wenn der Aufwand für die Mängelbeseitigung einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (BGH, Entscheidung vom 28.05.2014, Az. VIII ZR 94/13). Dies gilt jedoch nur so lange, wie es sich um einen Mangel handelt, der weder die Verkehrssicherheit noch den Betrieb des Fahrzeugs beeinträchtigt. Sobald die Verkehrssicherheit beeinträchtigt ist, liegt stets ein erheblicher Mangel vor.

Abgasverhalten bei Neuwagen

Auch für die aktuelle Diskussion zum Abgasverhalten bei Neuwagen hat diese Rechtslage Bedeutung. Die Nichteinhaltung der Grenzwerte bedeutet einen Mangel. Ob der Käufer sofort ohne Nacherfüllungsaufforderung vom Kaufvertrag zurücktreten kann, erscheint eher zweifelhaft. Der Käufer wird, um den sichersten Weg zu wählen, eine angemessene Nacherfüllungsfrist setzen. Kommt es dann mit der durchgeführten Nacherfüllung zu Leistungsverlust oder Mehrverbrauch, wird man die Nachbesserung entsprechend der zuvor dargelegten "Erheblichkeitskriterien" gegebenenfalls als gescheitert anzusehen haben - mit der Folge der Rücktrittsmöglichkeit des Käufers.

Aber der zuvor angesprochene Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit wirft unter Umständen auch weitergehende zeitliche Fragen auf. Die vom Käufer zunächst einzufordernde Nacherfüllung muss nicht nur technisch möglich sein. Sie muss auch im Hinblick auf Wartezeiten für einen möglichen Nacherfüllungstermin (Durchführung der Reparaturarbeiten) dem Käufer zumutbar sein. Ansonsten steht diesem unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit das Recht auf Kaufpreisminderung oder Rücktritt vom Vertrag zu.

Bei allzu langer "Wartezeit" auf die Nacherfüllung verbleibt dem Käufer, schon eventuell allein wegen des drohenden Ablaufs der Gewährleistungsfrist, nur die Flucht in den Rücktritt vom Kaufvertrag. Freilich trägt der Käufer dann das Risiko, ob ein Gericht im Streitfall die gegebenenfalls längere Wartezeit auf die Nacherfüllung doch als zumutbar ansieht. Dieses Risiko erscheint jedoch angesichts der in letzter Zeit verbraucherfreundlichen Rechtsprechung eher tragbar als der Ablauf der Gewährleistungspflicht und der damit verbundene Verlust der Käuferrechte.

Selbstverständlich gäbe es auch für diesen Fall eine gütliche Lösung: Der Verkäufer könnte bei langen Nacherfüllungsfristen den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären und so einen kostspieligen Rechtsstreit vermeiden.

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