Wer eine Fahrzeugkolonne überholt, muss besonders aufmerksam und vorausschauend fahren. Ansonsten steigt die Unfallgefahr. Und womöglich die Mitschuld, kracht es tatsächlich. Darauf weist der Nürnberger Fachanwalt für Verkehrsrecht Oliver Fouquet hin. Er leitet den Fachausschuss "Werkstatt/Reparatur/Mängelbeseitigung" des VdVKA - Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte. Fouquet bezieht sich konkret auf zwei Fälle, in denen das Oberlandesgericht (OLG) Hamm 2013 das Eigen- und Mitverschulden von zwei Kolonnenspringern beurteilte.
Im ersten Rechtstreit setzte ein Mocickfahrer an, drei Fahrzeuge in einem Zug zu überholen. Dabei kollidierte er mit einem Kolonnenfahrzeug, welches nach links in eine Grundstück einbiegen wollte. Der Motorradfahrer klagte. Doch die Richter fanden: Bei der Linksabbiegerin sei nur die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die von ihrem Auto ausgehe. Deswegen entschied das Gericht: Der Kläger muss 75 Prozent seines Schadens selbst tragen. In der Begründung heißt es: Den Kläger treffe ein erhebliches Verschulden, weil er verbotswidrig in einer unklaren Verkehrslage überholt habe.
Im zweiten Fall wollte ein Motorradfahrer an mehreren Fahrzeugen vorbei. Er stieß mit einem Pkw zusammen, der aus einer wartepflichtigen Querstraße kam. Die Autofahrerin wollte die Kolonnenlücke ausnutzen und links abbiegen. Das OLG Hamm bewertete das Verhalten des beklagten Motoradfahrers so: Ihn trifft ein Schuldanteil von einem Drittel. Die Begründung: Er habe das allgemeine Rücksichtnahmegebot verletzt. Kommt eine Fahrzeugkolonne zum Stehen, muss ein Überholer so fahren, dass er an Kreuzungen vor unvorsichtigen Lückenstoßern anhalten kann. Trotz Vorfahrtsrechts. (vdvka/kak)
OLG Hamm, Urteil vom 9. Juli 2013, Aktenzeichen: 9 U 191/12, 9 U 12/13