AGB-Klausel auf dem Prüfstand
BGH-Urteil | Der in Automietverträgen enthaltene uneingeschränkte Wegfall der Haftungsfreistellung bei unterlassener Unfallmeldung an die Polizei ist unwirksam.
— Regelmäßig müssen nach Verkehrsunfällen Ersatzfahrzeuge angemietet werden, damit Nutzer von Firmenfahrzeugen mobil bleiben. In den Mietverträgen der Autovermieter wird regelmäßig ein Vollkaskoschutz mit Selbstbeteiligung vereinbart. Doch nicht immer sind die Fahrzeuge tatsächlich vollkaskoversichert – möglich ist auch eine sogenannte „Haftungsfreistellung“. Wichtig ist es hier, im Kleingedruckten zu lesen, was der Mitarbeiter unterschreibt.
Der Fall | Der Kläger, ein gewerblicher Autovermieter, hat an den Beklagten ein Fahrzeug mit einer in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltenen Haftungsfreistellung vermietet. In den AGB war folgende Klausel enthalten, über die nun der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte: „Ich akzeptiere diesen Mietvertrag, die Zustandsbeschreibung des Fahrzeugs sowie die ausliegenden Geschäfts- und Vertragsbedingungen. Jegliche Haftungsreduzierung entfällt bei vorsätzlichen, grob fahrlässigen oder alkoholbedingten Beschädi-gungen oder Unfällen, dem Nichthinzuziehen der Polizei bei Schadensfällen oder Grenzüberschreitungen.“
Das heißt im Klartext: Wird die Polizei nicht gerufen, muss der Mieter den gesamten Schaden zahlen. Dies hatte der Mieter, der gegen einen Pfosten gefahren ist, nicht getan. Der Autovermieter beruft sich deshalb auf den Wegfall der Haftungsbeschränkung und fordert vom Mieter die gesamten Reparatur- und Gutachterkosten sowie Wertminderung unter Abzug der erbrachten Selbstbeteiligung.
Die Entscheidung | Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht haben die Klage abgewiesen; der BGH (Urteil vom 14.03.2012, Aktenzeichen XII ZR 44/10) stimmte letztlich der Argumentation zu. Zwar führte die Revision nach Aufhebung des Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, allerdings hat der BGH durch dieses Urteil Folgendes klargestellt: Die Klausel, dass keinerlei „Versicherungsschutz“ besteht, wenn die Polizei nicht gerufen wird, benachteilige den Mieter unangemessen und sei daher unwirksam.
Die Verpflichtung, die Polizei zu rufen wiederum, benachteilige den Mieter noch nicht unangemessen. Vielmehr könne durch eine Regelung in den AGB nicht zu dem nach früher geltendem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ zurückgekehrt werden. Staatdessen habe sich die Ausgestaltung einer vertraglich vereinbarten Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren, befanden die Richter.
Nach Grundsätzen der Vollkasko | Verspricht der gewerbliche Autovermieter in den AGB dem Mieter, ihn gegen Zahlung eines Entgelts nach Art einer Versicherungsprämie von der Haftung für Unfallschäden (mit oder ohne Selbstbeteiligung) freizustellen, so ist er gehalten, diese als Volldeckung bezeichnete Regelung nach dem Leitbild einer für einen eigenen Wagen des Mieters abgeschlossenen Vollkaskoversicherung zu gestalten.
Der Mieter darf darauf vertrauen, dass die ihm gewährte Haftungsfreistellung jedenfalls in den wesentlichen Punkten dem Vollkaskoschutz entspricht. Demzufolge wäre – selbst wenn man ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort annehmen würde – lediglich ein Regress nach den allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) in Höhe von 2.500 Euro möglich. | Inka Pichler