Die Krux mit den Vorschäden

31.07.2009 12:02 Uhr

Die Krux mit den Vorschäden

Die Frage wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet: Hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalls Anspruch auf Ersatz eines Schadens, wenn bereits ein Vorschaden an seinem Fahrzeug vorlag?

Häufig wenden Versicherungen gegen Schäden ein, es handele sich um Vorschäden, die mit dem eigentlichen Unfall nichts zu tun hätten. Entweder, weil es tatsächlich einen Vorschaden gab oder weil die Versicherung grundsätzlich nicht von der Ehrlichkeit des Geschädigten ausgehen will. Stellt sich dann heraus, dass es wirklich einen Vorschaden gab, droht Zurückweisung der Ansprüche. Dies kann immer dann der Fall sein, wenn der Sachverständige die Plausibilität oder Kompatibilität zwischen dem Unfallhergang und dem Schadenbild nicht mehr feststellen kann.

Versicherungen und Gerichte stützen sich oftmals auf die Argumentation des OLG Köln (22.02.1999, NVZ 99, 378): „Ist bewiesen, dass nicht sämtliche Schäden, die das Unfallfahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben beziehungsweise bestreitet er das Vorliegen solcher Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten. Denn aufgrund des Vorschadens lässt sich nicht ausschließen, dass auch die kompatiblen Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind.“

Urteil pro Schadensersatz

Dieser doch sehr an der Ehrlichkeit zweifelnden Auffassung wurde in jüngster Zeit entgegengetreten. Mit folgendem Urteil des OLG Düsseldorf kann ein Geschädigter erreichen, zumindest die als unfallursächlich festgestellten Schäden ersetzt zu bekommen: „Eine Klage auf Ersatz von Fahrzeugschäden ist nicht deswegen insgesamt abzuweisen, weil der Geschädigte den Nachweis der Unfallbedingtheit eines Teilschadens nicht führen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Berührung der an dem Unfall beteiligten Fahrzeuge und ein dadurch verursachter Schaden unstreitig oder bewiesen ist, und der Geschädigte zwar die Unfallbedingtheit eines weiteren Teilschadens nicht nachweisen kann (...), jedoch nicht gänzlich auszuschließen ist, dass sämtliche Fahrzeugschäden durch den Unfall verursacht worden sind, und darüber hinaus dem Geschädigten nicht vorzuwerfen ist, dass er Vorschäden seines Fahrzeugs verschwiegen oder verharmlost hat. Kann der nachweislich durch den Unfall bedingte (Neu-)Schaden von dem nicht nachweislich unfallbedingten (Alt-)Schaden technisch und rechnerisch voneinander abgegrenzt werden, darf dem Geschädigten ein Ersatz des Unfallschadens nicht vollständig versagt werden, und ist ihm der nachweislich unfallbedingte Teilschaden zu ersetzen. … Der Schädiger muss auch dann für die gesamten Sachverständigenkosten einstehen, wenn nicht alle Schäden, die in einem Privatgutachten aufgeführt sind und vom Geschädigten als unfallbedingt geltend gemacht werden, im Schadensersatzprozess als unfallbedingt anerkannt werden können, es sei denn, dass der Geschädigte gegenüber dem Sachverständigen falsche Angaben gemacht oder die Unrichtigkeit des Gutachtens aus anderen Gründen zu vertreten hat.“ (OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.02.2008, Az. I-1 U 181/07)

Kann indes gar nicht erwiesen werden, dass es durch den späteren Unfall überhaupt zu einem weiteren Schaden gekommen ist, so können die Ansprüche nicht durchgesetzt werden (OLG Frankfurt/Main, Urteil v. 06.11.2006, KG Berlin, Hinweisbeschluss vom 11.10.2007, KG in Beschluss v. 31.07.2008).

Beispiel: Bagatell-Heckschaden

Ein typisches Beispiel ist der Bagatell-Heckschaden bei einem Auffahrunfall. Das AG Siegburg führt im Urteil vom 10.07.2008 beispielhaft aus, dass bei Vorschäden an der Stoßstange, auch wenn durch einen Unfall geringe weitere Beschädigungen am Lack der hinteren Stoßstange verursacht worden sind, dem Geschädigten kein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Er geht mithin leer aus. Anders kann die Rechtslage jedoch beurteilt werden, wenn die Schäden nicht deckungsgleich sind. Wenn der Zweitschaden sowohl technisch als auch rechnerisch eindeutig von dem Vorschaden abgrenzbar ist, besteht eine Erstattungspflicht.

Ratschlag bei fiktiver Abrechnung

So „lohnend“ die fiktive Abrechnung ohne Reparatur eines Schadens auch auf den ersten Blick sein mag – so teuer kann sie einem später zu stehen kommen. Bei einer Reparatur in Verbindung mit fiktiver Abrechnung sollten Sie daher immer auf die Dokumentation der Reparatur achten. Das kann mittels einer Rechnung, einer Bestätigung der Werkstatt und Fotos geschehen, damit beim nächsten Unfall nicht das böse Erwachen kommt. Inka Pichler

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