Herren der Zeit
Die GKK Gutachtenzentrale setzt bundesweit auf Tablet-PCs mit angeschlossenem Backoffice. Eine Strategie, die zum Zeitgeist passt.
Stift, Klemmbrett und Papiergutachten waren gestern. Denn wenn der Kfz-Sachverständige Friedrich Jacob von der GKK Gutachtenzentrale GmbH heute zu einem Gutachten aufbricht, ist sein bester Freund ein moderner Tablet-PC.
Darin pflegt der Leiter der Münchener Niederlassung sämtliche Daten ein – egal, ob bei einer Fahrzeugrückgabe am Leasingende oder – gerade – beim verunfallten Fahrzeug. Dabei orientiert sich Friedrich Jacob, wie seine übrigen Kollegen in Deutschland auch, strikt an den anerkannten und – eigenen Angaben zufolge – im Markt schon mehrfach duplizierten Schadenkatalogen für Pkw und Lkw. Alles natürlich neutral und unabhängig, getreu einer fairen Begutachtung.
Noch die Fotokarte in den IT-Helfer geschoben, schon werden die Bilder automatisch skaliert. Spätestens eine Stunde nach der Besichtigung soll Jacobs Gutachten im Backoffice vorliegen.
„Das Wichtigste im Flottengeschäft ist Zeit“, spricht Axel Friedrich, Regionalleiter Süd bei der GKK Gutachtenzentrale, aus Erfahrung. „Jeder Tag, an dem das Fahrzeug steht, kostet Geld.“
Geschwindigkeit zählt
Und die haben seine Kunden, neben klassischen Fuhrparks vor allem Autovermieter und Leasinggeber, oft nicht. Rund 200.000 Flottenfahrzeuge begutachten die GKK-Mitarbeiter jährlich. Deshalb entschied sich Geschäftsführer Michael Vollrodt 2008, gezielt die Reaktionszeit zu verkürzen. Sprich flächendeckend in rund 150 Tablet-PCs zu investieren. „Für unsere Flottenkunden zählt in erster Linie die Geschwindigkeit in der Auftragsbearbeitung. Je schneller wir ein Fahrzeug besichtigt haben, desto schneller hat der Kunde auch die beauftragte Dienstleistung vorliegen“, so der Geschäftsführer.
Die Reaktion der Auftraggeber? Durchweg positiv. „Die moderne IT ist ein Fortschritt für unsere Kunden und unser Unternehmen“, sagt Axel Friedrich.
Dank des Tablet-PCs werden die Gutachten komplett am Fahrzeug erstellt und nicht – wie früher – in der Tasche der Sachverständigen, von denen die meisten im Homeoffice arbeiten, stundenlang herumgetragen. Das lästige Einpflegen kurz vor Feierabend entfällt ebenso wie der Weg in die Niederlassung.
Denn an dieser Stelle des gesamten Prozesses sitzt der größte Fortschritt für den Kunden: das Backoffice mit angeschlossenem Qualitätsmanagement-System. Kommen die Gutachten der einzelnen Sachverständigen hier via UMTS-Verbindung an, werden sie zentral bearbeitet und anschließend mit der Rechnung versendet. Selbst ein individuelles Layout ist dann möglich. Zudem hat die GKK Gutachtenzentrale für Rückfragen zentrale Ansprechpartner definiert, die sofort Entscheidungen treffen können.
Michael Vollrodt: „Die abschließende Qualitätssicherung sorgt dafür, dass die Qualität noch weiter gesteigert wird. Denn alle Aufträge verlassen unser Haus erst, wenn mindestens vier Augen das Gutachten geprüft haben. Die Ergebnisse aus den ersten vier Monaten sind einfach überraschend positiv und zeigen, dass wir absolut auf dem richtigen Weg sind.“
Insgesamt also ein schlanker Prozess, den die Konzern-mutter Dekra genau beobachten dürfte. Ebenso wie die zweistelligen Wachstumsraten der letzten Jahre (2008: rund 30 Prozent). Anfang vergangenen Jahres hatten die Stuttgarter die GKK Gutachtenzentrale zu 100 Prozent übernommen. Auf die Frage, ob die GKK Gutachtenzentrale in den nächsten Jahren in der Dekra aufgehe, winkt der Geschäftsführer ab. „Nein, die Strategie bleibt, wie sie beim Kauf vor eineinhalb Jahren beschlossen wurde. Die GKK und die Dekra bleiben zwei unterschiedliche Marken. Ich gehe davon aus, dass wir unseren Schwerpunkt im Flottensegment noch weiter ausbauen und stärken werden.“
Trotz des Erfolgs hierzulande möchte sich der Geschäftsführer nicht zurücklehnen. Das Schlagwort lautet: Europäisierung. Dem Diplom-Ökonomen schwebt eine IT-Plattform für Europa vor. Die Vorbereitungen für die Rolle als europäischer Dienstleister laufen bereits, nächstes Jahr soll der Startschuss fallen.
Mut zum Risiko
„Wenn ich mir unsere Kunden und den Markt anschaue, dann liegt es geradezu auf der Hand, dass wir uns ins Ausland begeben werden. Die Frage ist nur die nach dem richtigen Zeitpunkt. Hier ist auch ein wenig Mut zum Risiko und unternehmerisches Geschick gefordert“, sagt der GKK-Chef.
Mittelfristig, so die Vision, sollen auch die Protokolle der französischen, spanischen und italienischen Kollegen von Friedrich Jacob, die derzeit noch in Gedankenspielen existieren, in Echtzeit vorliegen.
PATRICK NEUMANN