Ich denke, also ...

23.12.2008 12:02 Uhr

Ich denke, also ...

Gastkommentar von Tobias Kern, European Business Development Manager bei Fleet Logistics International, über neue Beschaffungsstrategien der Fuhrparks in Krisenzeiten.

Die Auswirkungen der Finanzkrise bekommen nun auch die Fuhrparkverantwortlichen deutlich zu spüren. Veranschlagte Budgets drohen überschritten zu werden – oder sind es bereits. Der Kostendruck auf die Fuhrparkbetreiber erhöht sich dramatisch. Betrachtet man die aktuelle wirtschaftliche Gesamtsituation der meisten Unternehmen, stellt diese Entwicklung eine große Herausforderung dar, zumal der Fuhrpark häufig nach den Personalkosten den zweitgrößten Kostenblock bildet.

Eine Optimierung der Gesamtkosten (TCO) bedeutet für Fuhrparkverantwortliche längst nicht mehr nur deren Senkung. Heute geht es eher darum, deren Steigerung möglichst gering zu halten, um die gesamten Aufwendungen für den Fuhrpark nicht übermäßig aus dem veranschlagten Rahmen laufen zu lassen.

Die Finanzkrise hat längst den Leasingmarkt getroffen. Der aktuell zu verzeichnende Restwertverlust führt bei Leasinggesellschaften zu einer deutlich konservativeren Einschätzung der zukünftigen Restwerte und damit zu einer sprunghaften Erhöhung der am Markt verfügbaren Leasingraten. Eine Absenkung der Restwerte um bis zu zehn Prozentpunkte ist aktuell keine Besonderheit.

Dramatisch erhöhte Refinanzierungskosten für Leasinggesellschaften – falls überhaupt Liquidität beschafft werden kann – tragen ihr Übriges zur Verteuerung der Leasingraten bei.

Höhere Raten durch fehlenden Wettbewerb

Die Gewinneinbrüche der Leasinggesellschaften in Zeiten des Shareholder Value lassen vermuten, dass Profitmargen zudem mit gesteigerten Preisen zurückgewonnen werden sollen. Die gängigen Ansatzpunkte sind bekannt: Insbesondere bei der Zusammenarbeit mit nur einem Leasinggeber – der klassischen Single-Supply-Lösung – führt der fehlende Wettbewerb zu einer allmählichen, aber deutlichen Erhöhung der Leasingraten. Mangelnde Kostenkontrolle bei Rekalkulationen und Rückgabekosten kommen noch hinzu.

Fest steht, dass Leasinggesellschaften unterschiedlich stark von den genannten Faktoren betroffen sind, was wiederum zu mehr oder weniger attraktiven Angeboten, gerade im jetzigen Marktumfeld, führt.

Durch unterschiedliche Einschätzungen von Restwerten sowie strukturelle Verschiedenheiten innerhalb des Portfolio- und Risikomanagements bestanden bereits in der Vergangenheit erhebliche Spannweiten zwischen Leasingangeboten für ein und dasselbe Auto. Die gesamtwirtschaftliche Situation wirkt zusätzlich als Multiplikator. Die Grafik rechts unten verdeutlicht in anschaulicher Weise die ansteigende Divergenz zwischen den monatlichen Raten verschiedener Leasinggeber innerhalb des letzten Jahres: Die Unterschiede werden immer größer! Unabhängig von der Fahrzeugklasse sind Unterschiede in der monatlichen Leasingrate von bis zu 100 Euro und mehr zu beobachten.

Eindeutig wie selten zuvor sprechen diese Rahmenbedingungen für einen Multi-Bidding-Ansatz. Das bedeutet: Leasinggesellschaften werden in einen permanenten Wettbewerb gestellt: Strategische Partner – in der Regel drei Leasinggesellschaften – bieten für jedes neu zu bestellende Fahrzeug ihre Leasingrate an. Bei Gleichsetzung aller qualitativen Faktoren – das erreicht man über identische Leasingrahmenverträge mit allen drei Leasingpartnern – wird so tagesaktuell die günstigste Leasingrate ermittelt. Man pickt sich sozusagen die Rosinen aus dem Markt. Multi-Bidding führt somit zu Einsparungen, ohne Nachteile für den Dienstwagenberechtigten nach sich zu ziehen.

Wird ein externer Fuhrparkmanager engagiert, der als Schnittstelle zwischen dem Kunden und den jeweiligen Leasinggebern fungiert, der das erweiterte Lieferantennetzwerk managt und alle Rechnungen zu einem Reporting konsolidiert, reduziert sich zusätzlich die Komplexität dieses Beschaffungsmodells auf ein Minimum. Das heißt: Fuhrparkbetreiber haben auch in einem Multi-Supply-Modell nur einen Ansprechpartner und profitieren gleichzeitig von günstigsten Konditionen: Das führt im Durchschnitt zu rund zehn Prozent Ersparnis im Vergleich zum bisherigen Set-up.

Neuauslieferung sichern

In der aktuellen Situation kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Ein Mehrlieferantenmodell sichert zudem ganz generell die Neuauslieferung von Firmenwagen – speziell, wenn sich Leasinggeber, wie jetzt in der aktuellen Marktlage, aus dem Geschäft zurückziehen. Der Fuhrparkbetreiber macht sich nicht von nur einem Lieferanten abhängig und kann quasi auf Knopfdruck zu einer anderen Leasinggesellschaft "umschalten".

GE in den USA hat bereits erklärt, dass Bestandskunden im ersten Quartal 2009 keine Neufahrzeuge bestellen können. Auch in Deutschland werden Kunden von einzelnen Leasinggesellschaften einfach nicht mehr "beliefert".

Neben den Einsparungen durch Multi-Bidding gibt es darüber hinaus weitere Ansatzpunkte für Kostenoptimierungen. Es ist ein klarer Trend zu erkennen, dass Unternehmen aktuell Vertragslaufzeiten verlängern, um so vor allem Finanzraten durch verbesserte Abschreibungsmodalitäten zu senken. Fuhrparks mit niedrigen durchschnittlichen Laufzeiten haben dabei das meiste Optimierungspotenzial. Einer Analyse von Fleet Logistics zufolge können Leasingraten durch eine Erhöhung der Laufzeit von 36 auf 48 Monate (bei gleichbleibender jährlicher Laufleistung) eine Reduzierung der Leasingrate von sechs bis acht Prozent erzielen.

Jenseits der 48 Monate ist eine Erweiterung der Laufzeit nur bedingt sinnvoll, da überproportional steigende Wartungskosten schnell die sinkenden Finanzierungskosten übersteigen. Generell kann die Verlängerung von Vertragslaufzeiten ein wirksames Instrument zur Optimierung der TCO darstellen. Dies bedeutet jedoch, dass die Kostenvorteile gegenüber der Fahrerzufriedenheit sowie niedrigeren Herstellerrabatten sorgfältig abgewägt werden müssen, da Dienstwagen weniger häufig ausgetauscht werden.

Ein allgemeines Downgrading der verfügbaren Fahrzeugmodelle innerhalb der verschiedenen Fahrerlevel respektive eine Verschlankung des Markenportfolios stellen sicherlich die einfachste Möglichkeit dar, Kosten zu optimieren. Anstatt sich hierbei den Unmut der Fahrer zuzuziehen, könnte das Multi-Bidding-Wettbewerbsprinzip eine elegantere Lösung darstellen.

Ausschreibungswelle rollt im neuen Jahr an

In 2009 ist im Zuge der allgemeinen Verunsicherung über das Preisniveau des eigenen Leasinggebers mit einer Ausschreibungswelle zu rechnen – gerade in Unternehmen, die sich heute noch in einer Single-Supply-Konstruktion mit nur einer Leasinggesellschaft befinden. Hier stellt sich Fuhrparkverantwortlichen generell die Frage, ob bei einer Neuausrichtung der Flottenstrategie in der aktuellen Marktsituation nicht die Vorteile eines Multi-Bidding-Ansatzes genutzt werden sollten – frei nach dem Motto: "Ich denke (an meine Kostenvorteile), also multi-bidde ich." Tobias kern

In Kürze

Management-Buy-out bei Fleet Logistics

Die Geschäftsführung des Fuhrparkmanagementdienstleisters Fleet Logistics (FL), der nach eigenen Angaben führend in Europa ist, hat beschlossen, das Unternehmen vom bisherigen Inhaber Frank Consolidated Enterprises, Inc. (FCE) durch ein Management-Buy-out (MBO) zu übernehmen. "Die Entscheidung ist ein klares Sig-nal für die Zuversicht in das Unternehmen, gerade in der aktuellen Wirtschaftslage", sagt Geschäftsführer Peter Soliman.

Fleet Logistics mit europä-

ischem Firmensitz in Brüssel und Niederlassungen in den größten europäischen Ländern bietet Fuhrparkmanagementservices einschließlich strategischem Einkauf und Geschäftsprozessauslagerungen an. Das Unternehmen verwaltet derzeit etwa 70.000 Kundenfahrzeuge für einige der weltweit größten Unternehmen wie Hewlett Packard, Microsoft und Nestlé.

Der bisherige Eigentümer FCE ist ebenso Eigner eines der größten Kfz-Leasing- und Flottenmanagementunternehmens in den USA namens Wheels. Die Verbindung zu einer "konkurrierenden Leasinggesellschaft" habe Einwände im europäischen Markt gegenüber dem Unternehmenskonzept hervorgerufen. Es sei angezweifelt worden, wirklich objektiv und unabhängig agieren zu können, auch wenn Wheels ausschließlich in den USA aktiv war. Dadurch sei die Leistungsfähigkeit von FL eingeschränkt gewesen. Um diesen Vorbehalt auszuräumen, wurde das Management-Buy-out vollzogen.

"Diese Änderung der Eigentümerverhältnisse bietet allen aktuellen und zukünftigen Kunden die erforderliche Unabhängigkeit zur objektiven Verwaltung ihrer Fuhrparks. Zudem ermöglicht das MBO für FL, weiterhin erfolgreich zu sein und ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen", sagt Soliman.

Zur Person

Tobias Kern (28) ist nach einem Studium der Internationalen Betriebswirtschaft über ein Traineeprogramm für internationale Nachwuchsführungskräfte bei Fleet Logistics International (FLI) eingestiegen. Nach verschiedenen internen Positionen ist er dort aktuell als European Business Development Manager innerhalb des europäischen Neukundengeschäfts tätig.

MEISTGELESEN


STELLENANGEBOTE


KOMMENTARE

SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Autoflotte ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für den Flottenmarkt im deutschsprachigen Raum. Zielgruppe in diesem wachsenden Markt sind die Fuhrpark-Entscheider in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen mit mehr als zehn PKW/Kombi und/oder Transportern. Vorstände, Geschäftsführer, Führungskräfte und weitere Entscheider greifen auf Autoflotte zurück, um Kostensenkungspotenziale auszumachen, intelligente Problemlösungen kennen zu lernen und sich über technische und nichttechnische Innovationen zu informieren.