Nachgerechnet

29.06.2012 12:02 Uhr

Nachgerechnet

Jahressteuergesetz 2013 | Je nach Batteriekapazität soll bei der pauschalen Versteuerung von E-Autos ein niedrigerer Bruttolistenpreis angesetzt werden können. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen.

— Ein kluger Kopf stellte vor Kurzem fest, dass Steuern immer steuern, selbst wenn dies gar nicht beabsichtigt ist und es (theoretisch) nur um die eigentliche Kernaufgabe der Abgaben ginge: die Mittelbeschaffung für die Finanzierung öffentlicher Ausgaben.

Das Jahressteuergesetz 2013 in der jüngst vom Kabinett verabschiedeten Form des Regierungsentwurfs ist mit Lenkungsabsichten nicht zimperlich. Durch Änderung des Einkommensteuergesetzes sollen nämlich die Folgen aus den im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen höheren Anschaffungskosten von E-Autos zumindest abgemildert werden. Also ein astreiner Eingriff in die Gesetzmäßigkeiten des Marktes mit nicht wirklich überschaubaren Folgen, denn: Zwar lässt sich die Auswirkung der Gesetzesänderung auf die Steuerbelastung des Dienstwagennutzers ausrechnen, nicht jedoch diejenige auf Tempo und Richtung künftiger technischen Entwicklungen sowie Verteilung der daraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteile zwischen Industrie und Verbraucher.

Für praktische Überlegungen gibt es noch nicht viele Beispiele, interessant könnte der Opel Ampera als vollwertige Konkurrenz zum herkömmlichen Pkw und zum E-Smart sein, bei dem die Batterie samt Auto entweder mitgekauft oder für 55 Euro monatlich gemietet werden kann.

Die Sonderregelung für Elektroautos setzt an der Bemessungsgrundlage für die Steuer, also dem Bruttolistenpreis (BLP), an und reduziert diesen um 500 Euro pro Kilowattstunde (kWh) Speicherkapazität der Batterie, begrenzt die Minderung aber auf 10.000 Euro. Dies gilt für Anschaffungen im Kalenderjahr 2013 mit einer Abschmelzung von Minderungsbetrag und -begrenzung um 50 Euro pro kWh bzw. auf maximal 500 Euro pro Jahr für Anschaffungen in 2014 und später.

Musterrechnung Opel Ampera | Bei einer Entfernung von Wohnung zu Arbeitsstätte von 20 Kilometern verursacht der Ampera (BLP für die mittlere Ausstattung „Komfort Edition“ 45.500 Euro, 16 kWh Speicher, keine Änderungen bis zur Anschaffung in 2013 unterstellt) beim reinen User-Chooser einen monatlichen geldwerten Vorteil von 600 Euro (45.500 Euro minus 16 kWh mal 500 Euro ergibt 37.500 Euro, diese mal 0,01 plus 20 Kilometer mal 0,0003). Ob die Opel-Preisliste ein gleichwertiges konventionelles Fahrzeug zu 37.500 Euro, also dem für die Berechnung des geldwerten Vorteils entsprechenden BLP, bietet, muss jeder für sich entscheiden.

Wichtiger Hinweis: Die Bemessungsgrundlage und deren Kürzung bleiben für das einmal gekaufte Auto erhalten. Das heißt: Entscheidet sich in 2014 User-Chooser Nr. 2 für denselben Ampera und hat sich bei BLP und Batteriekapazität nichts verändert, muss dieser einen monatlichen Nutzungswert von 612,80 Euro versteuern, weil für ihn ein Abzugsbetrag von 16 kWh mal 450 Euro (500 minus 50 Euro), also nur noch 7.200 Euro gilt.

Zusatzaggregat | Beim Ampera mit Range Extender schön zu sehen: Je mehr Batteriekapazität, desto weniger kommt der benzingetriebene Reichweitenverlängerer zum Einsatz. Aber: Ein Aufmotzen der Batterie im Sinne des technischen Fortschritts bei unverändertem Preis wird nur bis zu 20 kWh steuerlich belohnt (20 mal 500 Euro ist 10.000 Euro – die Obergrenze für den Minderungsbetrag). Ist dann Schluss?

Nun zum rechnerisch interessanten E-Smart. Die Bruttopreise lauten für das Coupé 23.680 Euro inklusive Batterie bzw. 18.910 Euro plus 65 Euro monatliche Batteriemiete. Die Leistung von 17,6 kWh multipliziert mit 500 Euro macht eine Reduzierung in Höhe von 8.800 Euro – bei einem Batteriepreis in Höhe von 4.770 Euro brutto. Das heißt mit zirka 4.000 Euro wird das Auto subventioniert. Der maßgebende BLP für die Steuer bei Anschaffung in 2013 wäre also 14.880 Euro (und läge damit immer noch über dem Niveau des vergleichbaren Modells mit Benzinmotor) und der monatliche geldwerte Vorteil 238 Euro.

Da wird sich Renault wohl noch etwas einfallen lassen müssen, denn zu den Z.E.-Modellen gibt es zwar Preislisten für Sonderausstattungen, aber keinen Kaufpreis für die Batterie. Die wird ausschließlich zur Miete angeboten. Es ergibt sich folgendes Beispiel: Kangoo Z.E. mit Wunschausstattung 30.843 Euro BLP plus monatliche Miete der Batterie (22 kWh) 86 Euro. Minderungsbetrag wäre folglich 10.000 Euro (Deckelung, weil mehr als 20 kWh). Aber was gilt dann als BLP?

Hier wird ein Eingriff in den Wettbewerb sichtbar, da Renault offensichtlich die Batteriepreise respektive deren Relation zum Fahrzeugpreis nicht offenlegen wollte. Kann diese Strategie unter dem Licht des Jahressteuergesetzes 2013 durchgehalten werden?

Steuern as usual: viele Fragen, wenige Antworten, keine Verlässlichkeit (wir sprechen von Jahressteuergesetzen).

| Hans-Günther Barth

MEISTGELESEN


STELLENANGEBOTE


KOMMENTARE

SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Autoflotte ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für den Flottenmarkt im deutschsprachigen Raum. Zielgruppe in diesem wachsenden Markt sind die Fuhrpark-Entscheider in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen mit mehr als zehn PKW/Kombi und/oder Transportern. Vorstände, Geschäftsführer, Führungskräfte und weitere Entscheider greifen auf Autoflotte zurück, um Kostensenkungspotenziale auszumachen, intelligente Problemlösungen kennen zu lernen und sich über technische und nichttechnische Innovationen zu informieren.