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31.03.2009 12:02 Uhr

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Die Krise der Autobranche – ausgelöst durch die „Turbulenzen“ der Finanz-

märkte? Ist das wirklich so? Offenes Selbstbekenntnis eines Brancheninsiders.

Die aktuelle Krise offenbart der Automobilwirtschaft die Versäumnisse der Vergangenheit jetzt dramatisch und schonungslos. Die gnadenlose Hatz nach Marktanteilen – frei nach unserem Ex-Fußballnationaltorwart Oliver Kahn („weiter, immer weiter ...“) wurde jahrelang auf einem öffentlichen Altar zelebriert, auf dem Nachhaltigkeit, Markenbewusstsein und deutsche Ingenieurs- und Innovationskunst leichtfertig geopfert wurden.

Was zählte, war nur das in den Markt gedrückte und registrierte Fahrzeug, hochsubventioniert durch Nachlässe und mit Discounts, die in „Sondermodellen“ versteckt wurden. Zusätzlich noch restwertgestützt und mit Finanzierungssupport ausgestattet – alles nur, um dem Marktanteil zu huldigen.

Ohne Rücksicht auf die daraus resultierenden Wertverluste und den Privatfahrer am Ende der automobilen Wertschöpfungskette, der den Wertverlust seines Fahrzeuges aus eigenen Mitteln kaum noch decken kann. Ohne weitere Gedanken, dass dieser private Konsument letztendlich die Basis aller werthaltigen Geschäftsmodelle mit dem Auto ist.

Frei nach dem Motto „Dazugelegt ist auch gehandelt“ wechselten Modelle und Verkaufsaktionen in atemberaubendem Tempo. Dazu immer größere neue Modelle, Fahrzeuge, die in keine Garage mehr passen – geplant und entwickelt in einer Zeit, in der es scheinbar keinerlei Grenzen für Wachstum im Zeichen der unbegrenzten Möglichkeiten der Globalisierung gab.

Und jetzt plötzlich und abrupt die Vollbremsung. Die ganze Branche im kollektiven Bremsvorgang und in der Hoffnung, dass ABS und ESP den totalen Crash noch verhindern.

Und siehe da: Urplötzlich haben es alle doch irgendwie gewusst und zeigen mit ausgestrecktem Finger auf die verantwortlichen Manager – gierige, blackberrysüchtige und meetingverliebte Protagonisten, die das automotive Abendland an den Rand des Untergangs gebracht haben. Erste Rufe nach einer Abwrackprämie für Manager habe ich schon gehört. 250.000 Euro für jeden Manager, der unauffällig, aber nachweislich entsorgt wird ...

Geplatzter Luftballon

Aber ist es wirklich so einfach? Das System funktionierte doch nur, weil wir alle (das gilt auch für mich, den Verfasser dieses Artikels) mitgemacht haben:

Die Fuhrparkbetreiber, deren clevere und gewiefte Einkäufer mit gezielten Strategien in hochprofessionellen Buyingcentern den letzten Cent aus den Leasingraten gepresst haben. Wohlwissend, dass die Preisreduktionen mit erhöhten Restwerten erkauft wurden und damit schwere Hypotheken in die Zukunft gelegt werden.

Die Leasinggesellschaften,die am Ring durch die Manege gezogen wurden, dem Druck leichtfertig nachgaben und die Restwerte kontinuierlich erhöhten. Dieses in einer Zeit, in der Fahrzeuge bereits mit 30 Prozent Subvention und Nachlass in den Markt gebracht wurden. Wenn dann der Restwert nach drei Jahren und 120.000 Kilometern noch über 50 Prozent angesetzt wird, braucht man schon viel Optimismus und Gottvertrauen in den Gebrauchtwagenmarkt der Zukunft.

Die Autohändler, die den Restwertwahnsinn oft noch gezielt unterstützten, leichtfertig, wenn nicht sogar fahrlässig, optimistische Rückkaufvereinbarungen zeichneten und dabei die Probleme einfach mal um drei oder vier Jahre weitergeschoben haben.

Der Privatkunde, der immer auf der Suche nach dem besten Preis, durch die weiten Welten des Web surft und dann für eine Preisersparnis von 300 Euro oder noch weniger quer durch die Republik reist, um sich sein Schnäppchen abzuholen, gleichzeitig aber aufschreit, dass der Vertragshändler vor seiner Haustüre gerade vom Markt verschwindet.

Wir alle haben gemeinsam diesen riesigen Luftballon mit aufgeblasen und jetzt ist er mit lautem Knall geplatzt.

Und plötzlich setzt ein neuer Lernprozess – ein Umdenken – ein. Wir alle lernen gerade, dass der schnelle, kurzfristige und egoistische Erfolg nicht die ultimative Lösung, sondern wohl die Ursache für die aktuellen Herausforderungen ist.

Wir werden jetzt hoffentlich alle gemeinsam umdenken und ich bin sicher, dass in Zukunft Nachhaltigkeit und langfristige Unternehmensstrategien verstärkt in den Mittelpunkt gesetzt werden. Niemand kann auf Dauer ungestraft am Bedarf vorbei überproduzieren. Nach einer sicher sehr harten Marktbereinigung in den nächsten Monaten werden wir die Chancen der Erneuerung durch die Krise begreifen und umsetzen.

Aber eines ist wohl jetzt schon sicher, die heile, geile automobile Welt der letzten 20 Jahre wird sich dramatisch verändern, aber dabei immer noch stark genug bleiben, um auch zukünftig für Wirtschaftswachstum und Wohlstand im Land zu sorgen.

N.N. (Name der Redaktion bekannt)

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