Dass sich Zweiräder in jeglicher Variante als Fuhrparkergänzung anbieten, ist weder ein Geheimnis noch verwunderlich - wie auf den Seiten zuvor zu lesen war. Und wer die Augen öffnet, sieht diese immer häufiger, oft gut platziert am Unternehmenseingang oder - je nach Gefährt - mit Reklame beklebt auf der Straße.
Auf unserer ID.3-Deutschlandtour (ab Seite 57) hatten wir beispielsweise den Energiedienst in Rheinfelden besucht. Selbst in dem gut 30.000 Einwohner zählenden Städtchen kann das Elektro-Lastenrad auf vielen Strecken das Auto ersetzen. Ein kleiner Beweis, dass sich nicht nur große Städte wie München und Berlin sowie die Metropolregionen als Elektro-Rad-Pflaster anbieten. Auch topographisch herausfordernde Citys wie Stuttgart werden mit den E-Zweirädern eingeebnet, um Bergen und Stau ein Schnippchen zu schlagen - nicht nur auf dem Arbeitsweg (Thema Dienstradleasing), sondern gerade auch, um Business-Termine wahrzunehmen. "Im Nahverkehr sind Lastenfahrräder nicht zu schlagen. Die Lastenräder sind bis zu einer Entfernung von fünf Kilometern die schnellsten Verkehrsmittel", sagt auch Uwe Jaekel, einer der Pioniere im Fahrrad- und Lastenradbau.
Die Akkukraft kompensiert fehlende Beinmuskulatur, die auf Terminfahrt dennoch stimuliert, reanimiert und aufgebaut wird. Das Herz-Kreislauf-System profitiert also während der Arbeitszeit. Zudem schont es oft die Nerven, Parkplatzsuche gibt es nicht mehr. Und Uwe Jaekel gibt abermals die passende Auskunft: "30 Minuten Fahrradfahren am Tag senkt laut Weltgesundheitsorganisation das Herzinfarktrisiko um mindestens 50 Prozent." Und selbst wer beim Pedelec die größtmögliche Unterstützung aktiviert, kommt mit Minimalanstrengung meist dennoch gut 40 Kilometer weit. In flachen Gefilden kann häufig gänzlich auf den E-Antrieb verzichtet werden, was die Kosten deutlich senkt.
Lastenräder gibt es übrigens seit gut 120 Jahren. In Deutschland waren sie jedoch seit den Fünfzigerjahren aus der Mode. Doch bekanntlich kommt in der Mode fast immer alles irgendwann zurück. Manchmal genau so, manchmal modifiziert, oftmals verbessert. Bei den Fahrrädern trifft Letztes zu. Autoflotte zeigt hier eine Auswahl an Bikes, die sich für die Fuhrparkergänzung anbieten. Je nach Konfiguration (Nabendynamo und -schaltung, Riemenantrieb etc.) ist Wartung nahezu überflüssig. Viele der hier vorgestellten Fahrräder werden in Deutschland hergestellt - die Preise sind zwar dementsprechend oft hoch, doch durch das lange Nutzen relativiert sich nicht nur der Preis, auch die Umweltbilanz wird mit jedem Gebrauchsjahr besser. Stahlrahmen sind in dieser Hinsicht gegenüber den in der Herstellung energieintensiven Alurahmen im Vorteil. So wird das Zweirad Aushängeschild einer grünen Unternehmenskultur und Wegbereiter einer gesunden Mobilität - in jeglicher Hinsicht.
Bernds
28-Zoll-Räder sind ein Anachronismus. So die Aussage von Thomas Bernds, der seine Rahmen in Überlingen (auch auf Maß) fertigt und ausschließlich 20-Zoll-Räder anbietet. Drei Standardgrößen decken die meisten Körper von 1,40 bis 2,10 Meter ab. Individualisierung ist Trumpf, bis zu 100 Optionen sind möglich. Mehr als ein Dutzend Modelle vom Faltrad über das Lastenrad bis hin zum Klapp-Tandem gibt es.
Das "PaxBernds" ist das vielleicht kleinste Lastenrad überhaupt, das vorne und hinten (abnehmbare) Ladeflächen bietet, die mit bis zu 40 Kilogramm Last beladen werden dürfen. Preislich beginnt es bei 1.605 Euro netto. Wer auf wartungsfreien Riemenantrieb Wert legt, zahlt rund 300 Euro mehr, Extras wie die Rohloff-Nabenschaltung mit 14 Gängen sind selbstverständlich auch für diesen Zwerg zu haben. 1,54 Meter misst der wendige "Minitransporter" im gestreckten Zustand, 95 im eingeklappten. Je nach Ausstattung wiegt es ab 9,8 kg. "Das Rad entwickelt sich evolutionär", sagt Bernds. Das ist gut, tun es Menschen und Unternehmen ebenso. Den Riesen-Vorteil vom Faltrad erkennen daher vielleicht nach und nach immer mehr Menschen. Denn das Faltrad ist nicht nur ein vollwertiges Alltagsgefährt, sondern ein Reisebegleiter. Ob im Kofferraum des Dienstwagens oder in der Bahn, um kurz vorm Großstadtgewusel umzusteigen und die letzten Kilometer in der Innenstadt entspannt zu bewältigen - bei Bedarf natürlich auch mit E-Antrieb.
Convercycle
Die Motivation von David Maurer-Laube war es, eine nachhaltige Mobilitätsalternative zum Automobil zu schaffen. Mit Convercycle Co-Gründer Björn Kister erfanden sie nach eigenen Aussagen ein flexibles, nachhaltiges und zugleich platzsparendes Transportmittel. Im Handumdrehen wird aus einem kurzem und wendigen Stadtrad ein veritables Lastenrad, mit dem sich eine Vielzahl von Gütern transportieren lassen, die beispielsweise in der Normbox (40x 60 cm) bis zu 80 Kilogramm wiegen dürfen. Durch das Einklappen des Hinterbaus schrumpft das Convercycle von 2,75 Metern auf 2,06 Meter und lässt sich hochkant und damit platzsparend sogar in der Bahn transportieren. Auf das Rahmenmaterial Stahl legen die Frankfurter Wert, denn er ist aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten der sinnvollste Werkstoff und hier gut für fünf Jahre Garantie. Personen von 1,60 bis zwei Meter sollen das in Europa gefertigte Bike fahren können. Der Preis fürs "standard" ohne Elektrounterstützung beginnt bei 1.680 Euro vor Steuern. Das "electric" kostet mindestens 2.688 Euro. Sein Akku kann während des Ladens am Rahmen bleiben, muss er aber nicht.
Canyon
Die Ursprünge von Canyon reichen rund ein Vierteljahrhundert zurück. Mittlerweile ein Riese der Branche, gehört der Koblenzer Fahrradhersteller, der fast ausschließlich über den Direktversand seine Räder vertreibt, zur Groupe Bruxelles Lambert (GBL). Eines der neuen Modelle in 2021 ist das Pathlite:ON 7. Laut Thorsten Lewandowski ist es "Kraftvoll, robust, vielseitig: Das Canyon Pathlite:ON meistert den Flottenalltag souverän und erweitert ihn um sportlichen Fahrspaß." Und genau damit bringt es Lewandowski auf den Punkt. Denn das Pathlite:ON 7 will ein schnelles, wendiges und robustes Pedelec sein, das den Spagat zwischen Trekking- und Citybike meistert. 24 Kilogramm bringt der Alu-Flitzer auf die Waage und darf bis zu 140 kg buckeln. Eine Federgabel glättet grobe Schläge, zwölf Gänge und E-Power die Berge. Angetrieben wird das neue Pathlite: ON 7 neben den eigenen Beinen von einem Bosch-E-Motor, der im Idealfall 100 Kilometer weit unterstützen soll - falls der Termin doch mal etwas weiter weg ist. Sechs Jahre Garantie auf den Rahmen und die Teile aus Canyon-eigener Produktion - wie beispielsweise Steckachsen sowie Lenker und Vorbau - gewährt Canyon. Bei 2.856 Euro netto zuzüglich Versandkosten startet das lediglich in Schwarz lieferbare Bike, das in fünf Rahmengrößen bestellbar ist.
Muli
Mit einer Länge von nur 195 cm ist das Muli-Lastenrad genau so lang wie ein "normales" Fahrrad. Dafür passen in den auf schmale 28 Zentimeter faltbaren Korb in geöffnetem Zustand 100 Liter Gepäck, das bis zu 70 Kilogramm wiegen darf. Eine Eurobox-Auflage (40x60 cm) erlaubt das Mitnehmen der genormten Kisten auf dem leer 24 Kilogramm leichten Modell "muskel". Wer mehr als nur Muskelkraft wünscht, kann sich zwischen dem "px"-Pendix-Antrieb (wir stellten diesen E-Antrieb in Autoflotte 6/2020 vor) und dem neuen Shimano "st"-Modell entscheiden, was ein Zusatzgewicht von maximal acht Kilogramm mit sich bringt. Das "muskel" beginnt preislich bei 2.290 Euro netto, "px" kostet rund 1.200 Euro mehr und "st" nochmals 550 Euro. Das Muli wird komplett in Deutschland gefertigt und lokale Zulieferer wurden bevorzugt, um den ökologischen Fußabdruck niedrig zu halten. Die Eingrößen-Strategie passt für Menschen bis maximal 1,90 Meter Körperlänge. Aufgrund des cleveren Klappkorbs soll das Muli wunderbar in die Fahrradaufhängung der ICE-Züge passen. Somit steht auch dem Termin-Hopping von Großstadt zu Großstadt nichts im Weg - trotz Gepäck für eine Woche. Denn so sagt auch Vertriebschef Felix Schön: "Die Schnelllebigkeit des urbanen Lebens erfordert vor allem Flexibilität. Mit dem Muli haben wir ein Verkehrsmittel mit einem höchsten Maß an Flexibilität auf die Straßen gebracht. Es ist nicht größer als ein herkömmliches Fahrrad und bietet durch den faltbaren Lastenkorb genügend Raum für alle Lasten des Alltags. Dank modernster e-Bike-Technologie lässt es sich komfortabel und schnell durch den Verkehr steuern und die Parkplatzsuche endet am nächsten Fahrradständer. Eine sinnvolle Ergänzung in jedem Fuhrpark."
Riese & Müller
Riese & Müller sind Ingenieure und mittlerweile alte Hasen im Spezialfahrradbau. Die Darmstädter begannen 1993 und zeigten, wie sich das Klapprad optimieren lässt. Das Birdy getaufte Platzsparwunder nutzte die Klapp-Elemente gleichzeitig als Federungsbausteine. Das komfortable Radfahren stand fortan im Fokus der beiden Freunde, ebenso wie heute E-Lastenräder und Pedelecs. Das Packster 70 ist eins der neuesten Modelle und soll ein flexibles E-Cargo-Bike in modularer Bauweise sein. Die passende Transport-Box ist schadstofffrei hergestellt und vollständig recycelbar. 240 bis 375 Liter Laderaum stehen zur Verfügung, was in etwa dem Kofferraum eines Kompaktklasse-Autos entspricht.
Der serienmäßig installierte "RX-Chip" verbindet das Lastenrad mit der App, macht es trackbar und bietet die Möglichkeit, diverse Servicepakete buchen zu können. Mit dem höhenverstellbaren Sattel sowie dem justierbaren Vorbau passt es sich an unterschiedliche Fahrer bis zwei Meter an. Wer nicht direkt die 5.180 Euro für das Packster 70 ausgeben will, hat mit Riese & Müller "RENT" die Chance, das Lastenrad für eine gewisse Zeit im Live-Einsatz im eigenen Unternehmen zu testen. Die Mietpreise liegen je nach Modell bei rund fünf Euro pro Tag (netto). Bis 2025 will Riese & Müller das nachhaltigste Unternehmen der Fahrradbranche werden."Bei Riese & Müller denken wir unsere Cargo-Bikes für einen ganzheitlichen Nutzen. Angefangen vom Single-Driver über Familien bis zum Einsatz im Flottengeschäft. Beim Packster 70 können bis zu drei Kinder mitgenommen werden und durch verschiedene Cargo-Einsätze und Aufbauten lässt es sich auch perfekt für den Einsatz in Flotten nutzen. Unsere Cargo-Bikes sind auch schon vielfältig im Flotteneinsatz. Zum Beispiel bei carvelo2go, dem größten Schweizer Anbieter für Cargo-Bike-Sharing. Mittlerweile haben wir dort über 350 Packster 60 im Einsatz", sagt Jörg Matheis.
Uwe Jaekel
Ein Urgestein im Fahrradbau ist Uwe Jaekel. In den 1980er waren seine maßgefertigten Rennrad-Rahmen bereits begehrt. Ab den Nuller-Jahren, als Rennräder mehrheitlich aus Aluminium und Karbon gefertigt wurden, legte Jaekel seinen Fokus unter anderem auf Lastenräder. Ein Segment, das damals in Deutschland in Vergessenheit geraten war. Dennoch zeigte Jaekel bereits im Jahr 2001 das Modell T2001. Nach wie vor im Programm stellt es mit seinem Basis-Nettopreis von 445 Euro die Untergrenze der Transportrad-Welt dar - trotz Fertigung in Deutschland. Das Modell T2001 ist für 1.638 Euro sogar als E-Version erhältlich (inklusive Beleuchtung und 7-Gang-Nabenschaltung).
Das neuere Modell Klassik kann auf dem Gepäckträger über dem Vorderrad bis zu 50 Kilogramm aufnehmen. Als Extras können Beleuchtung, hinterer Gepäckträger, jede RAL-Lackierung (für lediglich 21 Euro), Boxen, diverse Schaltungen und weitere Individualisierungsmaßnahmen vorgenommen werden.
Jaekel verkauft ausschließlich B2B und ist somit der Pionier der Lastenräder für den Einsatz im gewerblichen Bereich. Zudem bietet Jaekel direkt die passenden Fahrradständer, Fahrradparkplatz-Überdachungen und geschlossene Fahrradgaragen an, in die sich sogar eine Ladestation für die E-Bikes integrieren lässt.
PedalPower
PedalPower ist ebenfalls Spezialist für Lastenräder. Die Berliner konstruieren seit rund 20 Jahren unter anderem individuelle Cargobikes. Das X-Loader ist ein Entwurf, der zusammen mit der Uni Magdeburg entstand. Dabei handelt es sich um ein Lasten-Dreirad mit Achsschenkellenkung und Neigetechnik, was besonders für schweres Gepäck Vorteile in puncto sicheres Fahren bietet, aber dennoch Agilität besitzen soll. Aufgrund der Modulbauweise sind drei Ladeflächelängen von 45 bis 85 Zentimeter möglich, auf die - nach Kundenwunsch - Aufbauten montiert werden können.
Den starken Brose-E-Antrieb gibt es in zwei Versionen. Bis zu 45 km/h (S-Pedelec-Kategorie) sind möglich. Maximal dürfen 140 Kilogramm (inklusive Fahrer) geladen und verzurrt werden. So gewappnet soll der X-Loader flottes Vorwärtskommen bei voller Beladung sowie verringertem Sturzrisiko (Dreirad) garantieren. Aber der X-Loader kann bereits mehr: "RavE-Bike, Ruf- und Leitsystem für autonome vernetzte E-Bikes", lautet der sperrige Begriff, der einfach übersetzt so viel bedeutet wie: Ich bestelle mein Lastenrad per App, es kommt autonom zu meinem Standort gerollt, ich setze mich drauf, fahre an mein Wunschziel und gebe den X-Loader dort wieder frei. Das ist die Utopie, die auf abgesteckten Testparcours bereits funktioniert. Die Vorteile liegen neben der kostengünstigen und effizienten Auslastung von gemeinsam genutzten Fahrzeugflotten in der permanenten Verfügbarkeit und dem reduzierten Parkplatzbedarf im urbanen Verkehrsraum, beschreibt es Prof. Dr. Stephan Schmidt von der Uni Magdeburg.
Bis diese Utopie Realität für die Nutzer wird, bietet PedalPower diverse Lastenräder mit und ohne Elektrounterstützung in einspuriger Variante und als Dreirad an.
- Ausgabe 03/2021 Seite 15 (464.6 KB, PDF)