Umweltschützer erwarten Brüsseler Tempolimit-Gebot spätestens 2010

26.03.2008 12:31 Uhr
Tempolimit
Noch ist die Koalition gegen ein allgemeines Tempolimit - muss sie sich ab 2010 dem Druck der EU beugen?
© Foto: ddp / Sascha Schuermann

DUH: "EU wird Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit durchsetzen"

Der Druck der Europäischen Union auf Einführung eines allgemeinen Tempolimits auch in Deutschland wird nach Angaben von Umweltschützern stärker. Deutschland werde sich der Geschwindigkeitsbeschränkung im Interesse von Klimaschutz und Verkehrssicherheit nicht mehr lange entziehen können, erklärten die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) am Mittwoch in Berlin. Spätestens von 2010 an werde die EU-Kommission ein solches Gebot im Interesse von Klimaschutz und Verkehrssicherheit durchsetzen. Deutschland ist das einzige Land in der EU ohne allgemeine Tempobeschränkung. Die Tempolimits in den meisten anderen EU-Ländern liegen bei 130 km/h, in Schweden bei 110. Die Verbände wollen, wie sie erklärten, mit diesem hochsensiblen Streitthema der Parteien auch den Bundestagswahlkampf 2009 anheizen. Polizeidirektor Martin Mönnighoff von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster forderte zugleich höhere Bußgelder gegen Raser und Drängler sowie mehr Kontrollen in den Ländern. Die nötige Überwachung sei unabdingbar, um Verkehrsregeln und damit auch ein Tempolimit tatsächlich durchzusetzen. "Professionelle Schnellfahrer wissen genau, welches Verkehrsleitsystem funktioniert und welches nicht. Und sie handeln danach." Dies zeige auch die Verdoppelung der beim Kraftfahrtbundesamt registrierten Verkehrssünderzahl binnen weniger Jahre auf jetzt acht Millionen. Forderungen von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung nur für Kleintransporter sei "halbherzig und nicht zu Ende gedacht." Die DUH und der umweltschutzorientierte VCD fordern ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen. Ohne eine solche Regelung sei das EU-Ziel einer Halbierung der Verkehrstotenzahl von 2000 bis 2010 nicht zu erreichen, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Deshalb sollte die Bundesregierung handeln, bevor die Kommission das Heft in die Hand nehme. Für Deutschland bedeute dieses Ziel der EU einen Rückgang der Zahl der Getöteten auf deutschen Straßen von 7487 auf unter 3750. 2007 habe es aber immer noch 4970 Tote gegeben. "Wenn Deutschland nicht handelt, wird es also die EU tun", sagte Resch. Unverständlich sei, dass sich Tiefensee dem SPD-Beschluss einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Autos widersetze, so Resch. "Die Politik muss nun endlich ihre andauernde Angststarre vor der Macht der Autolobbyisten und der Bleifuß-Minderheit überwinden." VCD-Experte Gerd Lottsiepen kritisierte, dass neuere wissenschaftliche Untersuchungen über die Wirkung des Tempolimits fehlten. Die Statistik zeige aber, dass sich der Anteil von Neufahrzeugen "mit möglichem Tempo von mehr als 200" von 13,7 Prozent in 1995 auf jetzt 32,1 Prozent erhöht habe. VDA für flexible Geschwindigkeitsvorgaben Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Michael Cramer, bestätigte, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Umweltkommissar Stavros Dimas hätten der Bundesregierung wiederholt eine Geschwindigkeitsbegrenzung nahegelegt. "Es ist die kostengünstigste Klimaschutzmaßnahme und erhöht die Sicherheit auf unseren Straßen erheblich", sagte Cramer. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wies die Forderungen der Umweltverbände zurück. "Die Daten, die vorliegen und auch belastbar sind, zeigen keinen zusätzlichen Klimaschutzeffekt durch ein Tempolimit", erklärte VDA-Geschäftsführer Kunibert Schmidt. Richtig seien flexible Geschwindigkeitsvorgaben je nach Wetter und Verkehr. (dpa)

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