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Schuldfrage beim Rückwärtsfahren

02.05.2016 06:00 Uhr

Wer haftet für einen Schaden beim Parken, wenn beide Fahrzeuge in Bewegung waren oder eines von beiden unmittelbar vor dem Unfall noch zum Stehen kam?

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_ Beim Parken auf Supermarkt- und Firmenparkplätzen oder auch in Parkhäusern wird häufig rangiert, gebremst und zurückgesetzt, sodass es hier häufig zu typischen Parkplatzunfällen kommt. Kollidiert ein Fahrzeug mit einem ordnungsgemäß geparkten, ist die Haftung klar zu Lasten des Auffahrenden. Doch was geschieht, wenn beide Fahrzeuge in Bewegung waren oder eines von beiden unmittelbar vor dem Unfall noch zum Stehen kam? Wer haftet dann für den Schaden?

Bisheriger Grundsatz

Bisher galt im Allgemeinen das in § 1 Absatz 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) normierte Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, man ging bei Parkplatzunfällen überwiegend von einer Teilung des Schadens aus. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird.

Bisher vertrat die Rechtsprechung die Ansicht, dass ein Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrenden spricht, auch wenn er in dem Zeitpunkt der Kollision bereits zum Stehen kam. Er sollte erst entfallen, wenn der Rückwärtsfahrende zum Unfallzeitpunkt bereits längere Zeit zum Stehen gekommen war. Dafür sprach, dass die mit der Rückwärtsfahrt typischerweise verbundenen Gefahren, die den Lenker gemäß § 9 Abs. 5 StVO dazu verpflichteten, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, nicht sogleich mit dem Stillstand endeten. Andernfalls würde die Haftung von der Frage abhängen, ob es dem Rückwärtsfahrenden (zufällig) noch gelinge, sein Auto vor dem Zusammenstoß zum Stillstand zu bringen. Da dies zu ungerechten Ergebnissen führen würde, hat man bisher angenommen, dass auch dann noch ein haftungsbegründender spezifischer Bezug zum Rückwärtsfahren besteht, wenn das Auto erst kurzzeitig stehe.

Neue Grundsatzentscheidung

In dem aktuell veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15) indes eine neue Grundsatzentscheidung zu Parkplatzunfällen mit folgendem Leitsatz getroffen: "Die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs liegt regelmäßig nicht vor, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere - rückwärtsfahrende - Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist." Kurz gesagt: Stand eines der beiden Autos im Zeitpunkt der Kollision, trifft dieses keine Haftung.

Sachverhalt

Auf einem öffentlichen Parkplatz fuhren zwei Pkw jeweils rückwärts aus ihren Parkbuchten heraus, sodass es zur Kollision kam. Der Kläger behauptete, dass er im Zeitpunkt der Kollision stand. Der Unfallgegner sagt aus, dass beide sich noch in Bewegung befunden hätten.

Das Revisionsgericht geht davon aus, dass der Anscheinsbeweis nur gegen den Rückwärtsfahrenden greift, wenn nachgewiesen ist, dass sich das Fahrzeug noch in Rückwärtsbewegung befunden hat. Wenn der Unfallbeteiligte - hier der Kläger - sein Fahrzeug noch vor der Kollision zum Stillstand gebracht hat, liegen ihm keine Sorgfaltspflichten zur Last. Er muss daher, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können.

Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, sodass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden kein Raum bleibt. Mangels Verschulden trifft ihn auch keine Haftung. Möglich bleibt jedoch eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr. Diesen Punkt hat der BGH zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Fazit

Das Urteil wird für die Zukunft eine Umverteilung der Haftungsquoten zur Folge haben. Die Instanzgerichte werden voraussichtlich - statt wie bisher überwiegend 50:50 - das alleinige und zumindest überwiegende Verschulden zu Lasten desjenigen annehmen, der in das stehende Fahrzeug hineingefahren ist.

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