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Skandal: VW manipuliert Abgastests in den USA

21.09.2015 08:56 Uhr
VW
VW hat in den USA Abgastests von Diesel-Autos manipuliert. Dem Konzern drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe und ein nicht absehbarer Imageschaden.
© Foto: Friso Gentsch/Volkswagen/dpa

VW hat in den USA Abgastests von Diesel-Autos manipuliert. Dem Konzern drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe und ein nicht absehbarer Imageschaden. Das Ausmaß des Skandals ist noch unklar.

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Volkswagen hat Manipulationen von Abgastests bei Dieselfahrzeugen in den USA eingeräumt. "Die Manipulation an der eingesetzten Software hat es gegeben", sagte ein Sprecher des Konzerns am Sonntag in Wolfsburg. Die US-Umweltbehörde EPA beschuldigt VW, mit Hilfe einer Software die Resultate von Abgasuntersuchungen bei Dieselautos geschönt haben. Nachdem Volkswagen sich zunächst nicht zu Details des Falls äußern wollte, drückte VW-Boss Martin Winterkorn am Sonntag in einer Erklärung sein Bedauern darüber aus, Vertrauen von Kunden und Öffentlichkeit enttäuscht zu haben. Direkt eingeräumt hatte der Konzernchef die Vorwürfe in der Erklärung noch nicht.

Winterkorn kündigte eine umfassende Aufklärung des Abgas-Skandals an. "Die Geschehnisse haben für uns im Vorstand und für mich ganz persönlich höchste Priorität", sagte er. "Wir arbeiten mit den zuständigen Behörden offen und umfassend zusammen, um den Sachverhalt schnell und transparent vollumfänglich zu klären." VW hat vorerst den Verkauf von Dieselautos mit Vierzylindermotoren in den USA gestoppt. Ein Sprecher des Konzerns bestätigte am Montag entsprechende Medienberichte. Betroffen seien aktuelle Modelle der Marken VW und Audi. VW werde bis auf weiteres auch keine gebrauchten Fahrzeuge dieses Typs verkaufen.

Der am Wochenende bekannt gewordene Skandal hat die Aktien von Europas größtem Autobauer abstürzen lassen. An der Frankfurter Börse verlor das Papier zeitweise mehr als ein Fünftel an Wert und zog auch die Titel anderer Hersteller mit in die Tiefe. Innerhalb kürzester Zeit verpufften rund 15 Milliarden Euro an Börsenwert. Bereits nach der Eröffnung des Handels war es für das Papier stark bergab gegangen, Volkswagen war damit im deutschen Leitindex klar abgeschlagen. Die Rating-Agentur Fitch warnte, dass der Skandal den Ruf des Weltkonzerns vor allem in den USA gefährden könne. Der Druck auf die Bewertung des Autoherstellers könne dadurch weiter steigen.

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte ein entschiedenes Durchgreifen auch innerhalb des Konzerns. "Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden; und wir müssen Konsequenzen daraus ziehen", sagte er dem Magazin "Stern". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, verloren gegangenes Vertrauen bei den Kunden zurückgewonnen werden. "Wir gucken uns in den nächsten Tagen an, was passiert ist, wer die Verantwortung trägt", sagte Osterloh am Montag auf der IAA in Frankfurt. Dass es dabei nicht um einen Sachbearbeiter gehe, sei klar. Aber jetzt schon den Abschied von Volkswagen-Chef Martin Winterkorn zu fordern, sei ein Unding. "Ich stehe zu Herrn Dr. Winterkorn", sagte Osterloh. Winterkorn stehe an der Spitze und müsse das Thema aufklären. Wenn herauskommen sollte, dass Winterkorn an dem Skandal beteiligt ist, werde er von alleine zurücktreten. Klar sei aber, dass sich Volkswagen einen solchen Imageschaden nicht leisten könne. Das VW-Präsidium werde in diesen Tagen zusammenkommen, am Freitag tagt der Aufsichtsrat.

18 Milliarden Doller Strafe möglich

Laut der US-Umweltbehörde EPA hat VW gegen das Klimaschutzgesetz "Clean Air Act" verstoßen. Der Konzern habe mit Hilfe einer Software die Resultate von Abgasuntersuchungen geschönt, hatte die EPA am Freitag mitgeteilt. VW drohen deswegen schlimmstenfalls Strafzahlungen von mehr als 18 Milliarden Dollar und ein nicht abzuschätzender Imageschaden. VW habe eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben. "Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art", sagte Winterkorn. Der Konzern werde alles daran setzen, Vertrauen, wiederzugewinnen.

Konkret wirft die EPA VW vor, die Ermittlungen von Abgaswerten bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Betroffen sind bisher rund 482.000 Fahrzeuge. Laut EPA soll das Programm ermöglichen, das Abgas-Kontrollsystem nur bei offiziellen Emissionstests zu aktivieren. Das würde bedeuten, dass der Ausstoß im Normalbetrieb viel höher wäre. Bislang seien Fahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2015 aufgefallen, darunter das für VW in den USA wichtigste Modell Jetta, aber auch der Golf, Beetle, der Passat und der Audi A3.

"Solche Mittel zu benutzen, um die Klimaschutzstandards zu umgehen, ist illegal und eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit", hatte EPA-Vertreterin Cynthia Giles gesagt. Ihre Behörde werde die Untersuchungen in diesem "sehr ernsten" Fall fortsetzen. Dabei sei nicht auszuschließen, dass weitere Verdachtsfälle ans Licht kämen.

Praxis von Abgastests in Europa zu untersuchen

Die Grünen im Bundestag verlangen nun Aufklärung über den Fall. Es müsse geklärt werden, ob so etwas auch in Deutschland stattfinde. "Die Aufklärung werden wir mit Nachdruck im Bundestag einfordern und auch schauen, ob deutsche Behörden bei diesen illegalen Aktivitäten durch aktives Wegschauen geholfen haben", sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn, am Sonntag in Berlin. Es müsse auch geklärt werden, ob es ähnliche Fälle bei anderen Herstellern gebe.

Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer fordert, die Praxis von Abgastests in Europa zu untersuchen. "Sicherlich müssen jetzt auch die EU-Kommission und das Bundesverkehrsministerium den Dingen nachgehen und klären, inwieweit diese Software auch in Europa und Deutschland eingesetzt wurde und falsche Abgaswerte vorgaukelt", sagte Dudenhöffer den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Winterkorn kann nach Meinung von Dudenhöffer angesichts des Abgas-Skandals in den USA nicht im Amt bleiben. Der Manager, in dessen Verantwortung auch die konzernweite Forschung und Entwicklung falle, habe entweder von den Manipulationen gewusst oder aber er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, sagte der CAR-Direktor der "Frankfurter Rundschau" (Montag). "In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist." Der "Westdeutschen Allgemeinen" sagte er: "Jeder Politiker könnte bei einer solchen Angelegenheit nicht in seinem Amt bleiben."

Der Autofachmann Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaftin Bergisch Gladbach sagte, bei VW müsse es strukturelle Änderungen geben. "Da ist etwas fundamental schiefgegangen bei VW", sagte Bratzel der Deutschen Presse-Agentur. Wie andere Branchenkenner ist Bratzel entsetzt: "Das ist ein Bärendienst für die ganze deutsche Dieseltechnologie", sagt er. Hierdurch würde das Image von Dieselautos - in den USA ohnehin in einer Nische - schwer beschädigt. Auch BMW und Daimler seien dadurch indirekt betroffen. "Man versucht seit Jahren, die Dieseltechnologie zu etablieren in den USA – und jetzt das", sagte Bratzel.

VW fährt in den USA hinterher

VW schneidet in den USA bisher enttäuschend ab. Die Wolfsburger hatten auf dem nach China weltgrößten Automarkt etwa der Nachfrage nach leichten offenen Kleintransportern (Pick-ups) lange nichts entgegenzusetzen. Sie fuhren dort bislang vielen Konkurrenten hinterher. Das wichtigste VW-Modell in den USA ist weiterhin der Jetta Sedan. Im August brachen die Verkäufe für das Modell nach dreimonatigem Aufwärtstrend um knapp 18 Prozent auf gut 11.000 Exemplare ein. Die Zahl der verkauften Autos insgesamt sank im Jahresvergleich um 8,1 Prozent auf rund 32.300 Stück. Im Gesamtjahr liegt VW dort mit 238.000 verkauften Autos bisher 2,8 Prozent unter dem Vorjahreswert. Bis 2018 erhofft sich der Konzern einen Absatz von bis zu 800.000 Fahrzeugen. (dpa)


So wurde getrickst:

Abgastests laufen in der Regel nach einem starren Schema. Auf dem Prüfstand wird eine festgelegte Abfolge von zum Beispiel Stadt- und Überlandfahrten simuliert – immer gleich lang, immer mit der gleichen Geschwindigkeitsabfolge. Bisher ist bekannt, dass VW und Audi in den USA eine Software in ihre Dieselmodelle eingebaut hatten, die erkannt hat, wenn dieser sogenannte Prüfzyklus lief. Die Software hat dann dafür gesorgt, dass die Abgasaufbereitung in vollem Umfang funktioniert und möglichst wenig Stickoxide in die Umwelt gelangen lässt – aber möglicherweise eben nur während des Testdurchlaufs. Wie genau dies technisch ablief, schreibt die EPA nicht.

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