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Merkantiler Minderwert

31.01.2012 12:02 Uhr

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Streitpunkte bei fiktiver Abrechnung, Teil 5:

Merkantiler Minderwert

Die unfallbedingte Wertminderung entwickelt sich bei gewerblich genutzten Fahrzeugen, gerade im Flottenbereich, zu einem Dauerbrenner in der Schadenregulierung.

Hierbei entstanden in den vergangenen Jahren zwei Hauptbereiche: auf der einen Seite die Wertminderung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen überhaupt, auf der anderen Seite die Wertminderung bei sogenannten Bagatellschäden.

Die merkantile Wertminderung – oft juristisch nicht korrekt nur „Wertminderung“ genannt – ist eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Die merkantile Wertminderung ist daher klar abzugrenzen vom technischen Minderwert.

Dazu stellte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23. November 2004 (Aktenzeichen VI ZR 357/03) klar: „Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt.“

Allein hieraus folgt schon, dass schematische Regeln nicht zum merkantilen Minderwert passen, denn er spiegelt ein Marktverhalten wider.

Wertminderung bei Flottenfahrzeugen

Oft wird vonseiten des Versicherers behauptet, an gewerblich genutzten Fahrzeugen könne eine solche merkantile Wertminderung nicht entstehen. Diese seien nämlich von vornherein weniger werthaltig als Autos aus privater Hand.

Weil sie schon deshalb abgewertet seien, entstünde durch den ordnungsgemäß reparierten Unfallschaden keine zusätzliche Entwertung. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Im Grundsatz hat der BGH bereits vor Jahrzehnten in einem Lkw-Fall entschieden, dass auch an gewerblich genutzten Fahrzeugen eine Wertminderung entstehen kann (Urteil vom 18. September 1979, Aktenzeichen VI ZR 16/79).

Somit kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass eine Wertminderung nur an privat genutzten Pkw entstehen könne. Hier zwei Beispiele aus der Rechtsprechung für die merkantile Wertminderung bei Flottenfahrzeugen: AG Berlin, Urteil vom 12. November 2009, Aktenzeichen 15 O 302/08: Die Wertminderung wurde bejaht bei einem Taxi mit einer Laufleistung von 140.000 Kilometern. Und AG Hamburg, Urteil vom 22.02.2007, Aktenzeichen 51b C 134/06: Die Wertminderung wurde bejaht bei einem gewerblich genutzten Transporter mit einer Fahrleistung von 157.000 Kilometern.

Die Reihe lässt sich fortführen. Ob nun der Firmenwagen des Geschäftsführers oder des Außendienstmitarbeiters als Vielfahrerfahrzeug betroffen ist: Ein offenbarter Unfallschaden wird sich angebotsmindernd auswirken.

Wertminderung bei Bagatellschäden

Aus Bagatellschäden resultieren ebenfalls viele Ablehnungen des Versicherers. Hier gibt es zwei Fälle zu unterscheiden:

Zehn-Prozent-Grenze: Vielfach wird bei geringen Schäden pauschal eine Wertminderung verneint, wenn der Reparaturbetrag unter zehn Prozent des Wiederbeschaffungswertes liegt. Dies ist in dieser Pauschalität jedoch kein tragfähiges Argument. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23. November 2003, Aktenzeichen VI ZR 357/03) hat bereits klargestellt, dass sich jede schematische Betrachtung anhand von wie auch immer gearteten Eckwerten verbietet, weil stets der Einzelfall sachverständig zu beurteilen ist. Daher gibt es auch kein Quorum für die Anerkennung eines merkantilen Minderwertes in Bezug auf das Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert (AG Bühl, Urteil vom 27. März 2007, Aktenzeichen 3 C 171/06).

Einfacher Teileaustausch: Auch das häufig gehörte Argument, ein merkantiler Minderwert entstehe nicht, wenn der Schaden durch einen „einfachen Teileaustausch“ zu beheben sei, widerspricht dem schadensersatzrechtlichen Hintergrund der Wertminderung und wird von der Rechtsprechung zwar nicht einheitlich, aber doch überwiegend abgelehnt.

Hierzu führt beispielsweise das AG Mölln (Urteil vom 12. Oktober 2007, Aktenzeichen 3 C 280/07) bei einem geringen Schaden mit geschraubten Karosserieteilen wie folgt aus: „Soweit die Beklagten vortragen, im vorliegenden Fall sei entgegen der Einschätzung des vom Kläger in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens keine Wertminderung in der geltend gemachten Höhe eingetreten, da nur geschraubte Karosserieteile (…) ersetzt worden sind, kann dem nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt ein merkantiler Minderwert nicht ausschließlich dann vor, wenn ein erheblicher Eingriff in das Fahrzeuggefüge vorgenommen wurde. Vielmehr ist es genau umgekehrt: Ein merkantiler Minderwert ist bei relativ neuen Fahrzeugen nur dann ausnahmsweise nicht anzunehmen, wenn von dem Unfall nur ein ohne Weiteres auswechselbares Teil des Fahrzeuges getroffen war und insbesondere keine Schäden an Rahmen und Fahrgestell vorlagen. (…) Auch wäre – unabhängig davon, dass es sich um einen vergleichsweise geringen Schaden handelt – der Kläger im vorliegenden Fall gehalten, einem potenziellen Käufer die verursachten Schäden zu offenbaren. Dies allein wirkt sich nach der Lebenserfahrung so aus, dass ein potenzieller Käufer nach dieser Offenbarung gewillt ist, weniger zu zahlen. Deshalb ist auch nur bei Schäden, bei denen für jeden Laien zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Unfall keine weiteren verdeckten Schäden verursacht haben kann, ein merkantiler Minderwert anzunehmen.“

Fazit: pauschale Ablehnung nicht hinnehmen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es „den Bagatellschaden“ oder „das Flottenfahrzeug“ als Ausschlusskriterium für den merkantilen Minderwert nicht gibt. Wie immer bei dieser Schadenposition ist der Einzelfall zu betrachten. Eine pauschale Ablehnung jedenfalls ist nicht per se hinzunehmen.

Inka Pichler

Im nächsten Heft behandeln wir im sechsten und letzten Teil der Serie „Streitpunkte bei fiktiver Abrechnung“ die ergänzende Stellungnahme des Gutachters zu Kürzungen.

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