Wer muss den Gutachter zahlen?
Streit um die Erstattung | Wer muss die Reparaturbestätigung zahlen, die ein Unfallgeschädigter als zukünftigen Nachweis erstellen lässt? Neue Brisanz bekommt die Frage durch das Hinweis- und Informationssystem.
— Das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der deutschen Versicherungswirtschaft – von manchen als „Versicherungs-Schufa“ bezeichnet – soll nach eigener Auskunft im Interesse der Versicherungskunden der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch dienen. Vor dem Hintergrund dieser Datenbank erlangen Reparaturbestätigungen wieder neue Brisanz und Wichtigkeit.
Obwohl zunächst mitgeteilt wurde, dass das System bei Firmenkunden und Fuhrparks keine Anwendung finden soll, sondern primär bei Privatkunden, erhalten auch gewerblich Geschädigte regelmäßig folgenden oder einen ähnlichen Text: „(…) Im Zusammenhang mit der Bearbeitung Ihres Schadenfalles haben wir Daten zum Fahrzeug Ihres Mandanten, wie Kfz-Kennzeichen und/oder Fahrzeugidentifizierungsnummer sowie Schadenart, an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) gegeben, das von der informa insurance risk+fraud prevention GmbH, Rheinstraße 99, 76532 Baden-Baden, unterhalten wird. (…)“
Zulässigkeit der Speicherung | Die Rechtsprechung geht zwischenzeitlich davon aus, dass grundsätzlich die Speicherung von Fahrzeugdaten in diesem System zulässig ist. Als Begründung stellt man darauf ab, dass auf Seiten der Kraftfahrtversicherung ein berechtigtes Interesse bestünde, im Falle fiktiver Schadenberechnung die Daten der Schadenregulierung an das HIS-System zu melden, um betrügerische Mehrfachabrechnungen zu verhindern (so zum Beispiel Amtsgericht Coburg, Urteil vom 7. November 2012, Aktenzeichen 12 C 179/12).
Nachweis der Reparatur | Bisher hatte die Reparaturbestätigung überwiegend den Zweck, bei fiktiver Abrechnung aufgrund der Reparatur einen Nutzungsausfallschaden durchzusetzen.
Vor dem Hintergrund der Eintragungen in das HIS-System bekommt die gutachterliche Reparaturbestätigung noch eine weitere, brisantere Bedeutung: Die Reparaturbestätigung dient sowohl als Beweis, dass bei fiktiver Abrechnung überhaupt repariert wurde, als auch als Überprüfung über Art, Umfang sowie Qualität der Ausführung.
Dieser Beweis wird in Zukunft umso bedeutender sein, als dass hierdurch das Argument der Versicherer, ein eingetretener Vorschaden sei nicht oder nicht vollständig behoben, entkräftet oder sogar widerlegt werden kann. Deshalb hatte sich die Rechtsprechung jüngst mit den Kosten solcher Reparaturbestätigungen als Schadensersatzposition gegenüber dem Versicherer zu beschäftigen. Eines dieser Urteile war dieses:
Der Fall | Nach einem Verkehrsunfall im November 2012 regulierte die eintrittspflichtige Versicherung den Schaden zu 100 Prozent. Die geschädigte Klägerin hatte sodann das Fahrzeug in Eigenregie reparieren lassen. Im Anschluss hieran holte sie sich von dem Sachverständigenbüro eine Reparaturbestätigung ein. Diese benötigte sie nicht als Nachweis für den entstandenen (unstreitigen) Nutzungsausfall, sondern für den zukünftigen Nachweis der Reparatur. Auch wollte die Klägerin vermeiden, dass sie in dem Informationssystem der Versicherer einen „negativen Eintrag“ erhält beziehungsweise dort als „Verdachtsfall“ aufgeführt wird.
Das Urteil | Das Gericht hat der Klägerin vorliegend der Geschädigten die Kosten der Reparaturbestätigung zugesprochen und die beklagte Versicherung zur Zahlung verurteilt. Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt schloss sich dem Vortrag der Klägerin an, dass die Kosten der Reparaturbestätigung durch den Sachverständigen von der Beklagten zu erstatten sind. Die Gründe hierfür sind, dass der Klägerin gemäß § 249 BGB ein Anspruch zusteht, da im Wege des Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich sämtliche Vermögensnachteile zu ersetzen sind. Hierzu gehören ebenfalls die Kosten des Sachverständigen für die Erstellung der Reparaturbestätigung.
Das Gericht war der Auffassung, dass die Klägerin immer wieder in die Lage kommen kann, die Durchführung der Reparatur nachweisen zu müssen, zum Beispiel bei Weiterverkauf des Fahrzeugs oder auch bei einem neuen Schaden. Mit der Reparaturbestätigung habe sie neben einer Reparaturrechnung einen weiteren wichtigen Nachweis.
Kosten erstattungsfähig | Das Amtsgericht weist in den Entscheidungsgründen auch darauf hin, dass die Geschädigte nicht gegen ihre Schadenminderungspflichten gemäß § 254 BGB verstoßen habe. Es ist weiterhin der Auffassung, da nach herrschender Rechtsprechung die fiktive Abrechnung akzeptiert wird, dass die Versicherung die Geschädigte im Ergebnis hinsichtlich der Kosten gleichzustellen hat (Urteil Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt vom 29. Mai 2013, Aktenzeichen 4 C 712/13).
Das Landgericht Heidelberg hat beispielsweise mit seinem aktuellen Urteil vom 23. August 2013, Aktenzeichen 2 O 75/12, ebenfalls die Kosten als erstattungsfähig angesehen und zugesprochen.
Praxishinweis | Um einem beweisrechtlichen Nachteil in der Zukunft zuvorzukommen, empfiehlt es sich, eine derartige Reparaturbestätigung von einem Sachverständigen einzuholen. Ohne einen entsprechenden Nachweis kommen Geschädigte in die Gefahr der Beweisnot.
Derartige Bestätigungen sind daher also als sinnvolle Maßnahme zu erachten. Dies gilt sowohl als Beweis gegenüber den Versicherern bei Folgeunfällen als auch gegenüber Käufern beim späteren Verkauf des Fahrzeugs. | Inka Pichler