Planen in unsicheren Zeiten
Leistungspalette | Versicherer wollen trotz schlechter Schaden-Kosten-Quoten im Flottenbereich wachsen. Die Folge sind oft höhere Beiträge. Produkte und Services bleiben dabei gleich oder werden ausgebaut.
— „Tapferer Flottenversicherer gesucht“: Mit dieser Kopfzeile wendet sich ein Makler, der die Flotte einer Reinigungsfirma mit 50 Pkw Ende des vergangenen Jahres kurzfristig eindecken soll, in einem Branchenportal an seine Kollegen und Finanzexperten. In seiner Anfrage wird er dann konkreter und kommt zum Problem: „Schadenquote ca. 100 Prozent, derzeitiger Versicherer ist X. Hat jemand eine Idee, wer das neben Y noch anpacken würde? (W und Z scheiden aus, da waren die Quoten noch miserabler.)“
Als Versicherungslösung schwebt ihm eine Blockpolice ohne Individual-Schadenfreiheitsrabatt (SFR) in der Kraftfahrthaftpflicht (KH) und Vollkasko (VK) vor. Ein anderer Makler antwortet ihm daraufhin relativ schnell und empfiehlt noch einige andere Versicherer. Doch ob das auch zu einem Ergebnis geführt und er die Wunschkonditionen erhalten hat, ist offen. Eine Rückmeldung dazu bleibt der Anfrager jedenfalls schuldig.
Einige Versicherer in Defensive | Was sich in der Kommunikation unter den Flottenprofis freilich zeigt: Die Versicherer scheinen die gezielte Sanierung von Flotten mit schlechten Schadenquoten und selektiver Zeichnungspolitik umzusetzen. Trotzdem haben ihnen die Bemühungen unterm Strich bisher nicht viel genutzt, denn die Schaden-Kosten-Quote ist laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) über den Gesamtmarkt für Flottenversicherungen bis Ende des vergangenen Jahres auf den Rekordwert von 114 Prozent geklettert. Ein Euro an Beitragseinnahmen stehen demnach 1,14 Euro an Ausgaben gegenüber. Die Sparte ist folglich extrem defizitär.
Wie defensiv und teilweise hart die Kfz-Versicherer deshalb vorgehen, spiegelt sich auch in der diesjährigen Autoflotte-Umfrage zu den Leistungen, der Strategie und Entwicklung im Bereich der Flottenversicherungen wider. Unter den großen Anbietern haben allerdings Folgende nicht teilgenommen: AachenMünchner, Chartis, DEVK, Generali, LVM, Nürnberger und die Versicherungskammer Bayern. Einige haben ihre Zurückhaltung mit Verweis auf die schlechte Lage im gewerblichen Segment begründet.
Der Chef-Underwriter eines Versicherers, der lieber nicht genannt werden will, hat seine Nicht-Teilnahme beispielsweise damit erklärt, den Markt dieses Jahr nochmals zu beobachten. Er will verfolgen, ob und wie sich die Prämien entsprechend den Erfordernissen nach oben entwickeln und den Bereich wieder in Richtung Break-even ziehen. Wenn dies geschehe, wären im kommenden Jahr auch wieder Akquise-Maßnahmen möglich. Bis dahin nehme man kein Neugeschäft vor.
Selektive Zeichnungsstrategien | Dagegen zeichnen die Umfrageteilnehmer weiterhin aktiv. Dazu gehören die Allianz, Alte Leipziger, Axa, Basler, Ergo, Gothaer und HDI-Gerling genauso wie Provinzial Rheinland, R+V, Signal Iduna, VHV, Württembergische und Zurich. Diese 13 Versicherer agieren dabei aber vorsichtig und kalkulieren auf Basis des Risikoprofils der Flotten. Danach richtet sie auch ihre Zeichnungspolitik aus.
So verzichtet beispielsweise die Allianz nach eigenen Angaben in bestimmten Bereichen auch auf Abschlüsse, wenn keine Chance bestehe, das Geschäft mindestens mit einer schwarzen Null betreiben zu können. Aus manchen Branchen haben sich die Münchener daher selektiv zurückgezeichnet. Man habe zudem frühzeitig mit der Sanierung defizitärer Flotten angefangen, heißt es aus dem Unternehmen.
Nichtsdestotrotz hat der Versicherer bei der Kundenzahl einen Bestandzuwachs im vergangenen Jahr registriert, der vor allem bei mittelständischen Flottenbetreibern mit bis zu 40 Einheiten stattgefunden hat. In Flotten ab 50 Einheiten hat die Allianz ihr Flottengeschäft mit Riskmanagement (RM) flankiert, für das sie sechs hauseigene Riskmanager bereitstellt. Sie sind bundesweit bei rund 300 Kunden zum Einsatz gekommen, was Erfolge in Form von rückläufigen Schadenfrequenzen nach sich gezogen habe.
Von einem moderaten Aufbau des Bestandes im vergangenen Jahr spricht auch die Alte Leipziger. Dabei lautet die Devise, den Einkauf von schadenträchtigen Risiken zu vermeiden. Auf eine Mischung aus individuellen Versicherungslösungen für den jeweiligen Bedarf des Flottenkunden und der Stärkung des RM sowie der Schadenprävention in den Fuhrparks setzen neben der Axa die Basler und Ergo. Erstere sehen insbesondere das RM als Weg, die immer noch zu hohen Schadenzahlen zu senken.
Die HDI-Gerling fokussiert sich darauf, in Verbindung mit ihren Flottenversicherungen und Dienstleistungen bedarfsgerechte Servicepakete zu schnüren. Denn der Versicherer hat beobachtet, dass diese Leistungen, wie etwa der Mobilitätsschutz, für die Flottenkunden immer wichtiger werden.
Alles in allem haben die Anbieter eine Preis- und Ergebnisstabilisierung respektive -verbesserung als Ziel. Drei Versicherer betonen dies explizit: Provinzial Rheinland, R+V und Zurich. Gleichzeitig wollen sie weiter wachsen. Das gilt auch für die Württembergische, die sich neben der Ertrags- auch die Serviceorientierung als Teil der Zeichnungspolitik auf die Fahnen geschrieben hat. Im Vergleich dazu verfolgt die VHV eine klare Produktstrategie nach Flottengröße, mit der sie alle Flotten ab einem Fahrzeug mittels Stückprämien und Services bedienen will.
Großschadenkappung wieder drin | Bei allem Druck behalten die Versicherer aber ihr breites Leistungsspektrum bei, um Verträge mit Flottenbetreibern individuell gestalten zu können (siehe Tabelle „Elementare Bausteine“, Seite 83). Nur wenige haben an zentralen Stellschrauben gedreht. Das allerdings nicht immer zum Nachteil der Kunden.
Ein Versicherer, der Änderungen durchgeführt hat, ist die Allianz. Sie hat nicht nur die Eigenschadendeckung in der Kraftfahrt-Haftpflicht (KH) ohne Selbstbeteiligung (SB), sondern auch die Großschadenkappung in der KH wieder eingeführt – nachdem sie sich davon vor etwa zwei Jahren verabschiedet und Großschäden nicht mehr begrenzt, sondern voll in die Kalkulation einbezogen hatte. Einen Strategiewechsel hat hier auch die Alte Leipziger bei der Großschadenkappung vollzogen und diese in der KH sowie in der Kasko ins Programm genommen. Insgesamt führen die Umfrageteilnehmer mit Ausnahme von Gothaer und Provinzial Rheinland folglich zumindest die Großschadenkappung in der KH.
Wandel bei Leistungsbausteinen | Daneben hat die Allianz die maximale Versicherungsgrenze von 50.000 Euro für Sonderausstattungen und Mehrwerte in Fahrzeugen sowie die Einschränkung des Auslandschadenschutzes auf Pkw aufgehoben. Parallel dazu hat das Internationale Versicherungsprogramm (IVP) eine Erweiterung erfahren. Hier arbeiten die Münchener bei Bedarf zusätzlich mit Dienstleistern in anderen Ländern zusammen, wenn es keine eigene Gesellschaft gibt. Gleiches macht Axa, die nun ebenfalls auf internationaler Ebene mit Dienstleistern kooperiert.
Neue Bausteine hat ansonsten die Alte Leipziger mit der AKB-Deckung für zulassungspflichtige, aber nicht zugelassene Fahrzeuge beim Betrieb auf nicht öffentlichen Verkehrsflächen sowie mit der Versicherung von Sonderausstattung und Mehrwerten bis zu 6.000 Euro aufgelegt. Auch Selbstbeteiligungen bis 10.000 Euro in der Kaskoversicherung sind jetzt Standard.
Ungeachtet dessen hat die Alte Leipziger jedoch den Verzicht auf Einrede bei grober Fahrlässigkeit im Schadensfall sowie den Regressverzicht gegenüber dem Fahrer auf Pkw eingeschränkt. In letzterem Punkt haben auch die Ergo und R+V ihre Marschrichtung geändert. Sie behalten sich seit Neuestem gegenüber dem Fahrer bei berechtigten Ansprüchen den Regress vor. Zugleich hat es einen Ausbau der Leistungen bei der R+V gegeben, welche die Eigenschadendeckung in der KH nun auch mit SB anbietet. Zum Manko für Kunden wird andererseits, dass die Wiesbadener inzwischen analog der Signal Iduna Ratenzahlungszuschläge bei unterjähriger Zahlungsweise erheben.
Neuerungen haben ferner bei der Zurich Einzug gehalten. Sie übernimmt jetzt Bergungs-, Rückhol- und Abschleppkosten und führt – wie die Gothaer, HDI-Gerling und VHV – als einer der wenigen Anbieter den automatischen AKB-Bedingungswechsel für Bestandskunden bei Veränderungen durch. Außerdem hat der Versicherer die betragsfreie Ruheversicherung von zwölf auf die bei allen anderen Anbietern bereits üblichen 18 Monate angepasst. Darüber hinaus hat sich die Zurich von ihrem IVP getrennt. Damit bleibt nur noch die Troika aus Allianz, Axa und HDI-Gerling, welche Flotten länderübergreifend zu einheitlichen Konditionen und Rahmenbedingungen eindeckt.
Pakete nach Flottengröße | Obwohl Flottenversicherungen prinzipiell ein individuelles Geschäft sind und bleiben, haben die spezialisierten Versicherer ihre Leistungen auch in Paketen gebündelt. Diese orientieren sich in der Regel nach den Fuhrparkgrößen.
So gliedert etwa die Allianz ihre Produkte für Kleinflotten von drei bis 15 Fahrzeugen und für mittlere von 16 bis 46 Einheiten. Ab 50 Fahrzeugen beginnen dann die Stückpreise. Dazu gibt es optionale Pakete mit Deckungserweiterungen. Die Alte Leipziger teilt ihre Tarife in zwei Kategorien: In ein Modell für fünf bis 20 Fahrzeuge, das auf dem Schadenfreiheitsrabatt (SFR) basiert, und in ein Stückkostenmodell ab 20 Fahrzeuge.
Die R+V setzt auf drei Gruppen. Sie startet mit der sogenannten Branchenpolice für Fuhrparks mit drei bis neun Motorfahrzeugen, bündelt dann ihre Leistungen in der Flottenpolice für zehn bis 29 Motorfahrzeuge zu einem einheitlichen Beitragssatz und geht zu individuellen Vereinbarungen ab 30 Fahrzeugen über. Ein Kleinflottenmodell für gewerbliche Kunden mit vier bis neun Einheiten und verlaufsabhängigem Nachlass auf den Tarifbeitrag hat die Württembergische im Portfolio – plus eigenständigem Flottentarif ab zehn Fahrzeugen mit individuellen Stückbeiträgen. Auch die Zurich führt eine Modellabstufung für Kleinflotten mit fünf bis 19 Fahrzeugen im Bestand, für mittlere Flotten von 15 bis 40 jeweils für SFR-berechtigte Fahrzeuge sowie individuelle Verträge ab 30 Fahrzeugen durch.
Im Gegensatz dazu unterscheidet beispielsweise die Axa nicht nach Fahrzeuganzahl, sondern sieht ihr Flottenprodukt mit All-Risk-Deckung als eine Lösung für alle Flotten. Auf individuelle Vereinbarungen setzen prinzipiell Ergo, Gothaer und Provinzial Rheinland, wobei Letztere ihr Flottengeschäft ab fünf Einheiten beginnt.
Neue Flottenmodelle | Dass insbesondere kleine Flotten für die Versicherer an Attraktivität gewinnen, zeigen die Aktivitäten der HDI-Gerling. Denn der Versicherer hat zwei neue Produkte entwickelt, von denen eines die Industrie- und das andere die Firmen- und Privatkundensparte aufgelegt hat.
Das Produkt der Ersteren heißt „Flotte-easy“ und ist seit Kurzem im Angebot. Es beinhaltet einen Tarif, der nur auf Wagnisstärke und Regionalklasse fußt. Bemerkenswert ist auch: Die SF-Einstufung erfolgt hier einheitlich nach der Schadenhäufigkeit – ohne Fahrer-, Kilometer- und Altersbeschränkung. Schadenaufwendungen würden demnach in der Einstufung an Gewicht verlieren.
Ab 1. Oktober kommt dann das sogenannte Kleinflottenmodell der Firmen- und Privatkundensparte auf den Markt, das aus zwei Modulen für Flotten ab zehn Einheiten besteht. Es führt die Tarifstruktur von drei auf zwei Modelle zusammen und enthält je nach Modul verschiedene Deckungserweiterungen. Zusätzlich wird ein Modell für Fuhrparks mit fünf bis neun Fahrzeugen eingeführt, inklusive Rechnungsübersicht für alle Fahrzeuge und Zahlung des Beitrags in einem Vorgang, was bei der HDI-Gerling bisher nur Großkunden vorbehalten war.
Daneben erweitert die VHV ihre Pakete. Sie bietet ab 1. Oktober ihr Stückbeitragsmodell einschließlich Bonus-Malus-System Flotte-Garant 5+ auch für die Transport- und Verkehrsbranche, wenn mindestens fünf schwere Lkw oder Zugmaschinen vorhanden sind. Ansonsten teilt der Versicherer die Produkte neben Branchenschwerpunkten in Flotte-Garant 1+ für Kleinstflotten, 5+ für mittlere Fuhrparks und 35+ für Großkunden.
Die befragten Kfz-Versicherer halten folglich am Flottensegment fest oder bauen die Sparte aus, obwohl diese mit hohen Risiken behaftet ist und in der Regel nur einen Bruchteil des jeweilen Kraftfahrtgeschäftes darstellt. So beziffert die Alte Leipziger den Anteil der Flottensparte an ihrem Gesamtgeschäft mit lediglich rund zehn Prozent, Axa mit zirka 18 Prozent, Basler mit rund 20 Prozent, Ergo mit etwa 15 Prozent, Provinzial Rheinland mit ungefähr sieben Prozent, Württembergische mit kleiner zehn Prozent und R+V mit einem Drittel. HDI-Gerling setzt die Zahlen nicht in Relation zum Privatmarkt und bezieht sich nur auf ihre Industrie- und Firmenkunden, weshalb der Versicherer ausschließlich von gewerblichem Geschäft und damit 100 Prozent spricht. Die VHV grenzt ihre Angaben auch auf das gewerbliche Segment ein und meint, dass die Hälfte des gewerblichen Geschäfts von Flotten mit mehr als zehn Fahrzeugen generiert wird. Allianz, Gothaer und Signal Iduna machen dazu überhaupt keine Angaben.
Positive Grundstimmung | Ungeachtet dessen geben sich die meisten Kfz-Versicherer für das laufende Jahr optimistisch. Eine deutliche Verbesserung bei den Schadenzahlen registriert etwa die Allianz. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass in den ersten sechs Monaten eines Jahres nur bis zu 40 Prozent der Schäden gemeldet werden und die Mehrzahl erst im zweiten Halbjahr zu Buche schlägt, weshalb frühestens Ende des dritten Quartals belastbare Aussagen möglich seien. Einen Aufwärtstrend verzeichnet auch die Basler in der Bestandsqualität.
Die HDI-Gerling verweist auf die gute wirtschaftliche Lage hierzulande und eine daraus resultierende höhere Auslastung der Fahrzeuge, die in einem steigenden Versicherungsbedarf münde. Auch die Provinzial Rheinland und R+V melden ein leicht steigendes Niveau, das letztere vorwiegend auf Tarifanpassungen, die Sanierung defizitärer Flotten und eine angepasste Zeichnungspolitik zurückführt.
Diesen Kurs wollen daher nicht nur der Wiesbadener Versicherer, sondern auch andere Anbieter aus Ertragssicht fortsetzen. Vonseiten der Signal Iduna heißt es deshalb zur aktuellen Entwicklung, dass aufgrund weiterhin verstärkter Sanierungsbestrebungen am Markt die Möglichkeiten anhalten, Risiken wieder zu risikogerechten Prämien einzukaufen. Aber auch Ergo, VHV und Zurich richten ihre Aktivitäten nach der Prämisse des auskömmlichen Wachstums aus. Die Flottenversicherer scheinen die Zügel demnach nicht locker zu lassen. | Annemarie Schneider
- Ausgabe 10/2012 Seite 80 (399.4 KB, PDF)