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Zahltag für Fahrer

28.09.2012 12:02 Uhr

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Zahltag für Fahrer

Fahrerregress | Tom Petrick, Fachanwalt für Verkehrs- und Steuerrecht, über die Möglichkeiten und Grenzen der Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer an den Kosten bei Unfällen mit dem Firmenwagen zu beteiligen.

— In den Unternehmen wird regelmäßig diskutiert, Arbeitnehmer bei selbstverschuldeten Unfällen mit dem Firmenwagen stärker an den Schadenkosten zu beteiligen. Welche Optionen stehen denn hier überhaupt zur Verfügung?

Arbeitnehmer können in jedem Fall bei Unfallschäden mit in Haftung genommen werden, wenn sie diese bei Privatfahrten selbst verschuldet haben. Der Arbeitgeber muss dann bei einem entsprechenden Kaskoschutz diesen zwar auch bei Privatfahrten in Anspruch nehmen (siehe dazu „Private Firmenwagennutzung/Fahrerbeteiligung bei UnfallUrteil des LAG Köln, S. 100), die Selbstbeteiligung (SB) kann der Arbeitgeber aber beim Arbeitnehmer geltend machen. So manche Arbeitgeber sind geneigt, diese Kaskoschäden überhaupt nicht dem Versicherer zu melden, sondern sie direkt vom Arbeitnehmer abwickeln und auf eigene Kosten reparieren zu lassen. Da der Arbeitnehmerschutz hierzulande einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, ist das nicht möglich. Die SB kann aber in bestimmten Fällen sehr wohl dem Arbeitnehmer weiterbelastet werden.

– Nimmt die Neigung in den Unternehmen zu, eine solche Haftung der Arbeitnehmer auch festzuschreiben?

Ja. Viele Unternehmen verankern in ihren Fuhrparkrichtlinien sowie in neuen Fahrzeugüberlassungsverträgen und den Arbeitsverträgen entsprechende Haftungsregelungen. Hierbei beziehen sich diese Regelungen nicht nur auf die Privatfahrten, sondern auch auf die Fälle bei Dienstfahrten, in denen der Unfall durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten herbeigeführt wurde. Hierfür soll dann ebenfalls eine Übernahmepflicht der Kosten mindestens in Form der SB fixiert werden.

– Die SB in der Kasko ist also der maximale Betrag, mit dem der Fahrer in die Pflicht genommen werden kann?

Der Arbeitgeber kann nicht nur, sondern muss grundsätzlich bei einem rechtlichen Anspruch die SB beim Arbeitnehmer geltend machen, da er sonst steuerrechtliche Probleme bekommen kann. Schließlich entsteht aus der Übernahme der SB in den beschriebenen Fällen ein zusätzlicher geldwerter Vorteil aufseiten des Arbeitnehmers, der zu versteuern ist. Trägt der Arbeitgeber alle Kosten inklusive der SB, dann ist er für den hieraus entstehenden geldwerten Vorteil steuerrechtlich Haftungsschuldner und muss auch entsprechend die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Außerdem besteht dann die Gefahr, dass dem Arbeitgeber der Betriebsausgabenabzug für den SB-Betrag verwehrt wird, wenn er auf die Geltendmachung des rechtlichen Anspruchs verzichtet.

In diesem Zusammenhang muss man allerdings bedenken, dass seit der Lohnsteuerrichtlinie für das Jahr 2011 Schäden bis zu einem Wert von 1.000 Euro netto als Bagatellgrenze unbeachtlich sind. Das bedeutet, für alle SB bis 1.000 Euro netto greift die Steuerpflicht nicht. Jeder Euro über diesem Betrag macht jedoch die Gesamtsumme zum Gegenstand der steuerlichen Haftung, weshalb eine SB von mehr als 1.000 Euro netto sich aus steuerlicher Sicht nicht empfiehlt. Unabhängig von der Lohnsteuerperspektive besteht weiterhin die Gefahr, dass der Abzug als Betriebsausgabe versagt wird.

– Welche Möglichkeiten bestehen generell, den Arbeitnehmer an den Schadenkosten bei selbst verschuldeten Unfällen auf dienstlichen Fahrten zu beteiligen?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Haftung des Arbeitnehmers bei Dienstfahrten beschränkt und strikt nach Verschuldungsgrad differenziert. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird dies konsequent berücksichtigt, was unter anderem das aktuelle Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig wieder zeigt (siehe „Dienstfahrten/Haftung nach Verschuldungsgrad“, S. 100). Grundsätzlich erfolgt eine Differenzierung nach leichtester und leichter Fahrlässigkeit, mittlerer Fahrlässigkeit und grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz. Während Erstere keine Haftung des Arbeitnehmers nach sich ziehen darf, kann er bei mittlerer anteilig und bei grober Fahrlässigkeit respektive Vorsatz vollständig in Haftung genommen werden.

Innerhalb der Kategorien muss man sich allerdings die einzelnen Fallgruppen nochmals genau anschauen. Beispielsweise wird das Bücken nach einer Zigarette als Unfallursache als grob fahrlässig bewertet, sodass der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer Regress nehmen kann. Die Höhe der Schadenbeteiligung hängt dabei wiederum von weiteren Kriterien wie der Gefahrgeneigtheit der Arbeit, dem konkreten Verstoß und damit der Höhe der subjektiven Vorwerfbarkeit sowie dem Verdienst ab. Es gibt jedoch keine starren Verdienstgrenzen, die festlegen, dass jemand, der zum Beispiel 3.000 Euro verdient, auch nur bis zu diesem Betrag für den Schaden aufkommen muss. Es gibt Fälle, in denen etwa bei Unfällen unter Alkohol- und Drogeneinfluss oder die Teilnahme an Rennen ungleich höhere Regresse greifen, die sich für den Arbeitnehmer meist existenzvernichtend auswirken können.

– Wie setzen Arbeitgeber ihre Ansprüche gegenüber den Arbeitnehmern durch?

Für den Fall der grob fahrlässig verursachten Schäden bei Dienstfahrten oder Vorsatz besteht die Möglichkeit, den Schaden bis zu 100 Prozent zu regressieren. Hier gibt es auch nur eingeschränkte Haftungsgrenzen, weil der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht oder nur eingeschränkt schutzwürdig ist. In der Praxis reguliert allerdings oft der Kaskoversicherer und der Anspruch des Arbeitgebers geht damit auf den Versicherer über. Der Regress steht dann dem Versicherer zu. Da die Versicherer aber zufriedene Kunden haben wollen, wurden die Ansprüche oft nicht geltend gemacht. Das ändert sich allerdings sukzessive, einige Versicherer gehen vermehrt dazu über, Regresse gegenüber Arbeitnehmern durchzusetzen. Die Grundlage für den Regress schafft das Arbeitsrecht in Verbindung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aus dem Versicherungsverhältnis. Der Versicherer kann sich bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz einerseits gemäß A. 2.16 AKB (Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung) 2008 auf seine Leistungsfreiheit berufen. Daneben hat der Versicherer aber auch die Möglichkeit zu leisten und Regress aus dem übergegangenen Anspruch auf Basis des § 86 Versicherungsvertragsgesetzes zu nehmen.

– In den Flottenverträgen werden aber meist Schutzklauseln vereinbart, die den Regressverzicht gegenüber dem Fahrer beinhalten. Damit ist der Regress durch den Versicherer doch verhindert?

Die Bedingungen zu den Flottenversicherungen beinhalten in der Regel tatsächlich oft den Regressverzicht – mit Ausnahme von Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Ansonsten muss in der Regel erst der Arbeitgeber zustimmen, um der Versicherung zu ermöglichen, den Fahrer in Regress nehmen zu können. Diese Klauseln sind seit Langem Standard. Es ist jedoch inzwischen zu beobachten, dass dies von den Versicherern oft nicht mehr freiwillig geboten wird. Versicherer behalten sich neuerdings auch im Flottengeschäft vermehrt die Möglichkeit zum Regress ohne Einwilligungsvorbehalt offen.

– Mit manchen Unternehmen wird die SB ja auch in der Kraftfahrthaftpflicht (KH) vereinbart. Wie wirkt sich das auf eine potenzielle Fahrerbeteiligung aus?

Auch hier gelten zwar die grundsätzlichen Haftungsbeschränkungen für Arbeitnehmer bei grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachten Unfällen, das heißt, der Arbeitgeber kann die SB unter den genannten Voraussetzungen beim Arbeitnehmer regressieren. Dem KH-Versicherer steht auch in bestimmten Grenzen der Regress zu. Die Gefahren sind hier aber noch vielfältiger, weil ein Haftungsverhältnis nach außen, das heißt, gegenüber dem Geschädigten, eröffnet ist. Das ist insbesondere bei Personenschäden sehr heikel, weil der Versicherungsschutz in der KH dann auf die Mindestsumme von 1,5 Millionen Euro sinken kann, die in solchen Fällen auch schnell erreicht ist. Infolgedessen kommt der Unfallgegner gegebenenfalls auf den Halter und den Fahrer zu.

– Wie regelt ein Fuhrparkbetreiber nun die Beteiligung eines Arbeitnehmers an einem Schaden möglichst rechtssicher?

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Haftung des Arbeitnehmers schon aufgrund von Gesetz und Rechtsprechung besteht, ob man sie festschreibt oder nicht. Für den Arbeitgeber ist es aber von Vorteil, wenn er auf vertraglicher Ebene klare Verhältnisse schafft. Dies bietet Transparenz und erleichtert arbeitsrechtliche Sanktionen, etwa Abmahnungen oder Kündigungen bei Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vereinbarungen.

Art und Weise der Regelungen sind je nach Größe und Struktur des Unternehmens verschieden. Hier sind einzelvertragliche Regelungen ebenso denkbar wie die Ergänzung von Dienstwagenrichtlinien oder entsprechende Betriebsvereinbarungen. Jede Verschärfung der Vorgaben der Rechtsprechung zulasten des Arbeitnehmers wäre allerdings unzulässig. Hingegen bieten sich vereinzelt Möglichkeiten bei der vertraglichen Verteilung der Beweislast gerade in Fällen der privaten Nutzung von Dienstwagen.

– Säen solche Vereinbarungen nicht Unfrieden zwischen Arbeitgeber und Belegschaft?

Grundsätzlich geht es doch darum, dass der Arbeitgeber die Sorgfaltspflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern auch in puncto Firmenwagen und deren Nutzung in einer bindenden Weise und als eine arbeitsvertragliche Verpflichtung festhält. Es gilt, Risiken zu begrenzen, Transparenz zu schaffen und den Arbeitnehmer nicht zuletzt zu seinem eigenen Schutz anzuhalten, sich entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung, versicherungsrechtlichen Obliegenheiten und arbeitsvertraglichen Vorgaben zu verhalten. Die Frage ist also: Wie sind diese Pflichten in Verbindung mit der Haftung auch rechtlich sauber darstellbar? Wie ist etwa der Schaden bei Falschbetankung zu handhaben und wie bekommt man das greifbar? Derartigen Problemen und Herausforderungen haben sich Unternehmen in der Praxis zu stellen. Mit einer dadurch steigenden Unzufriedenheit der Mitarbeiter hat das nichts zu tun.

– Welche Tipps können Sie Fuhrparkleitern geben, wie sie den Fahrerregress vertraglich am besten festzurren?

Fuhrparkverantwortliche können verschiedene Wege gehen. Man kann die geschilderten Mechanismen beispielsweise in die Dienstwagenrichtlinie, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträgen und Dienstanweisungen aufnehmen oder in Schulungen vermitteln sowie Einzelgespräche mit betroffenen Arbeitnehmern führen.

Nichtsdestotrotz ist dabei zu bedenken: Je mehr man konkret regelt, desto mehr laufen Unternehmen Gefahr, den Anforderungen der sich ändernden Rechtsprechung womöglich nicht zu genügen. Die Haftungsbeteiligung von Arbeitnehmern sollte man jedoch im Grundsatz regeln, insbesondere für Fälle vorsätzlicher und grob fahrlässiger Begehung eines Unfalls und bei Schäden auf Privatfahrten, die der Arbeitnehmer verschuldet hat.

Herr Petrick, vielen Dank für das informative Gespräch!

| Interview: Annemarie Schneider

Private Dienstwagennutzung | Fahrerbeteiligung bei Unfall

– Führt ein Arbeitnehmer mit dem ihm überlassenen Dienstfahrzeug eine berechtigte Privatfahrt durch und verursacht dabei einen Unfallschaden, haftet der Arbeitnehmer dafür voll, höchstens jedoch bis zur Höhe der üblichen Selbstbeteiligung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den Abschluss einer nicht mit unzumutbaren Kosten verbundenen, üblichen Vollkaskoversicherung unterlassen hat. Bei Anwendung dieses Grundsatzes verbiete es sich nach dem Prinzip des innerbetrieblichen Schadensausgleiches laut Gericht zudem, danach zu unterscheiden, ob der vom Arbeitnehmer verursachte Unfall im Rahmen einer Dienstfahrt oder im Rahmen einer genehmigten Privatfahrt geschehen ist. Im konkreten Fall hat der Arbeitnehmer bis zur Höhe von 500 Euro haften müssen.

LAG Köln, Az. 7 Sa 859/04

Dienstfahrten | Haftung nach Verschuldungsgrad

– Verursacht ein Arbeitnehmer bei einer betrieblich veranlassten Fahrt einen Unfall durch grob fährlässiges Verhalten, hat er in aller Regel den daraus entstandenen gesamten Schaden zu tragen. Es können dabei jedoch Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängen, in Betracht kommen. Die Beteiligung des Arbeitnehmers sei allerdings auch abhängig von den Gesamtumständen zu bestimmen, wobei vor allem der Schadensanlass, Schadenfolge, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte sowie die Gefahrgeneigtheit der Arbeit zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus spielen weitere Faktoren wie zum Beispiel die Vergütung des Arbeitnehmers, seine Stellung im Unternehmen sowie die Risikodeckung durch den Versicherer eine Rolle.

LAG Schleswig, Az. 3 Sa 241/11

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