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Sharing: Wie Pfaffenhofen die Bürger zum Teilen ermutigt

03.05.2024 13:39 Uhr | Lesezeit: 3 min
Gemeinsames Teilen: Britta Braig (Azowo) und Simon Plaß (Stadtwerke Pfaffenhofen) bei unserem Vor-Ort-Besuch.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Wenn der politische Wille, die finanziellen Mittel, umsichtige Partner und ein hohes Maß an Eigenengagement zusammentreffen, klappt es mit der Verkehrswende. Wie Pfaffenhofen zeigt.

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Die Verkehrswende trägt immer auch das Element der Energiewende in sich. Beide bedingen sich, da sich das Fortbewegen nicht ohne Energieaufwand bewerkstelligen lässt. So ist es ein Glückfall oder es sind zumindest sehr gute Rahmenbedingungen, wenn in einer Gemeinde die Stadtwerke beides managen. Wie im Fall von Pfaffenhofen an der Ilm.

Der bunte (SPD-geführte) Stadtrat hat die Klimaneutralität bis 2035 als Ziel ausgegeben. Das bringt zunächst viele Solarfelder und Windräder in die Gegend, die malerisch zwischen München und Ingolstadt liegt. Hiervon profitieren alle, denn der lokal erzeugte Strom bringt Unabhängigkeit und ist in der Regel günstig.

Auf die Energie folgt nun der Verkehr: Bei der Idee, öfters das Auto oder den Zweitwagen stehen zu lassen und stattdessen seine Wege mit dem ÖPNV oder mittels der Sharing-Angebote zu erledigen, ist die Umsetzung außerhalb von Metropolen mit deren dichtem Netz aus S-Bahn, Bus, Tram oder E-Scootern schon ein dickeres Brett, das es aufzubohren gilt. Denn der „motorisierte Individualverkehr“ wie ihn Simon Plaß nennt, ist die Regel. Und mit Regeln zu brechen, dauert eben.


Mobilität in Pfaffenhofen

Simon Plaß ist seit der ersten Stunde dabei, als in Pfaffenhofen das Sharing an Fahrt gewann. Bildergalerie

Angebote statt Verbote

In Pfaffenhofen will man dies mit einer Ausweitung der Angebote regeln, damit eben jene, die für diesen Ersatz der Mobilitätsform infrage kommen, nur über eine kleine Stufe müssen – ohne dabei zu stolpern. Für genau diese Sharing-Angebote ist Plaß zuständig. Im Grunde hat er auch die Strategie dahinter für seine Stadt erdacht. Denn im Rahmen seines MBAs (Digital Business Management) hat er sich genau diesen Wandel angeschaut, dazu Studien und Fallbeispiele gewälzt. Nun darf er seit dem Jahr 2019 zusammen mit Azowo, dem langjährigen Spezialisten für Cloud Software für Mobilitätslösungen, die Erkenntnisse in die Praxis überführen.

Ein Glückfall für ihn wie auch für Pfaffenhofen. Denn der motivierte Leiter musste anfangs vieles noch selbst machen. Deshalb kennt Plaß immer noch die Sharing-Nutzer der ersten Stunde. Das Projekt verbindet. Gleichzeitig hat der Bereichsleiter auf seinen Wegen durch die über 27.000 Einwohner große Stadt an der Ilm (Stadtmotto: Guter Boden für große Vorhaben) immer den Blick auf die Sharing-Autos (18 Stück), die E-Bikes und Lastenräder, die es ebenfalls als Mobilitätshelfer zu fairen Preisen zu leihen gibt. Sie zu finden, ist nicht schwer, denn das Teilen funktioniert hier stationsgebunden.

Das ist eher die Regel als die Ausnahme, wie die aktuellen Zahlen des Bundesverband Carsharing e.V. verdeutlichen. Das klar verortete Carsharing trägt wesentlich zur flächendeckenden Verbreitung bei, da es in 1.271 der insgesamt 1.285 Carsharing-Standorte, die der Interessensverband aktuell bundesweit zählt, angeboten wird. Wohingegen das reine Free-Floating Carsharing lediglich in 50 Städten vertreten ist.

Die Bürger können abstimmen, ob eine Station/ein Hub bei Ihnen ins Wohngebiet kommen soll.
Die Mobilitäts-Hubs sind leicht aufzubauen, deshalb können sich die Wohngebiete bewerben, eine solche Mobilitäts-Station zu erhalten.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Stationsgebundenes Sharing

„Das ist eines unseres zentralen Lernerfahrungen“, bestätigt auch Plaß. Stationen schaffen Verlässlichkeit für den Nutzer, schützen die Fahrzeuge (gerade die Räder, da die Stationen überdacht sind) und sie vereinfachen das Reinigen sowie die Wartung der Zwei- und Vierräder. Man muss sie nicht im Stadtgebiet suchen, sondern sieht per Live-View in der digitalen Anwendung, wo diese verfügbar sind und weiß sofort, wo sie stehen.

Die digitale Lösung für die Pfaffenhofener ermöglicht die Mobility Cloud von Azowo. Über ein Dashboard und native Apps wird die multimodale Flotte mit schlanken Prozessen verwaltet. Zum Mobilitätspartner Azowo fand man über eine Ausschreibung, was im öffentlichen Bereich gang und gäbe ist. Die Baden-Württemberger überzeugten vor allem deshalb, da sie auf die Wünsche des Teams von Plaß eingehen konnten.

Individuelle Konfigurationen und Anpassungen der Softwarelösung durch firmeninterne Entwickler sind damit für die Stadtwerke stets kundenorientiert umsetzbar. Unterschiedliche Nutzer-Szenarien, wie das Sharing von E-Bike, Lastenrad und E-Roller, können so zusätzlich abgebildet werden. Wie bei jeder Cloudlösung profitieren alle Kunden von den Verbesserungen – je nach Bedarf und Bestellung.

Im Wohngebiet sollen die E-Mobile helfen, klimaneutral unterwegs zu sein.
Sharing heißt hier Auto, Moped und Fahrrad. Diesen Mix braucht es hier im ländlichen Raum.
© Foto: Stadtwerke Pfaffenhofen

Ältere Nutzer überzeugen

Ihre Zugangskarte für das Leihsystem, den Sharing-Chip, erhalten die Nutzer noch im zentral gelegenen Kundencenter in der Pfaffenhofener Innenstadt. Hier kann man nicht nur auf die einzelnen Fragen eingehen, sondern erhält gleich für die Führerscheinkontrolle eine Kennmarke auf die Plastikkarte geklebt. Denn wie bei jedem Miet-Pool müssen auch im Sharing die Nutzer regelmäßig ihren „Lappen“ vorzeigen, in dem Fall über die Softwarelösung von Azowo.

Diese Kundennähe und der Mix aus physischem Kontakt und der Online-Welt sorgen dafür, dass gerade der Anteil von älteren Nutzern hier in Oberbayern hoch ist. Wobei die Stadt hier schon länger sehr attraktive Mobilitätsangebote bereitstellt, etwa den Stadtbus, der seit 2018 bereits kostenfrei ist. Nun wird der Busfahrplan nicht jeden Nutzer an sein finales Ziel bringen, deshalb gibt es im Stadtgebiet – ähnlich wie in Quartierslösungen – Mobilität-Hubs. Dort gibt es unterschiedliche Mobilitätsmacher zu verschiedenen Preisen. Das teuerste ist immer der Verbrenner, was auf das Ziel der Stadt einzahlen soll, bis 2035 klimaneutral zu werden.

Bei den Sharing-Autos sind die E-Versionen immer die günstigsten.
Beim Auto gibt es neben den Verbrennern auch E-Varianten, diese sind immer am preisgünstigsten.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Nach 20.000 km rentabel

Die Flotte ist zwar recht überschaubar, aber über Reports wird deutlich, dass die Nutzungsdauer stetig wächst. Genau daran, an der Auslastung, scheitern regelmäßig Sharing-Projekte in der Realität. So entscheiden die Nutzungshäufigkeit und die gezielte Ansprache der Kunden über den Ausbau des Projektes, denn Sharing ist fast überall in Deutschland ein Zuschuss-Geschäft. Aber, und das ist die gute Nachricht aus Pfaffenhofen: Die Autos, welche seit dem Start vor ein paar Jahren immer noch laufen, kommen nach gut 20.000 Kilometern Laufleistung in den rentablen Bereich, erklärt der Projektleiter.

Gewartet und beschafft werden die Autos (mittlerweile meist Leasing) wie auch die Zweiräder (immer Kauf) über Händler vor Ort. Sodass, gerade was die Lastenräder betrifft, eher Standardmodelle zur Leihe angeboten werden. Aber diese sind vollkommen ausreichend für die Touren und machten bei unserer Stippvisite in der Ilm-Stadt einen tadellosen Eindruck. Um neben der 24/7-Hotline auch den Reparaturservice hochzuhalten, werden eigene Fahrzeuge in der Werkstatt der Stadtwerke gewartet.


Neben der schnellen Verfügbarkeit von reparaturwürdigen Fahrzeugen hat die gründliche Wartung auch den Vorteil, dass man auf ein gepflegtes Auto oder Lastenrad eher achtgibt, wenn man diese sich leiht. (Gehen Sie mal durch eine beliebige deutsche Großstadt und schauen Sie sich dabei die Sharing-Transporter am Straßenrand genauer an). Der Gedanke der Achtsamkeit ist im Leih-Universum eben nicht überall leicht umzusetzen.

Bürger dürfen mitgestalten

In Pfaffenhofen funktioniert es eben stationsbasiert und die Story ist mittlerweile ein echter Erfolg. Die Nutzungszahlen verdoppelten sich in den vergangenen Jahren stets, deshalb wurde aus der 1,5-Mann-Abteilung nun ein Bereich mit acht Mitarbeitern, die neben dem Sharing auch einen on-demand Bus sowie den Stadtbus betreuen. Zum „guten Tun“ gehört zwingend auch dafür zu trommeln. Das passiert regelmäßig und publikumswirksam auf den Mobilitätstagen in Pfaffenhofen. Dort erfährt man unter anderem, dass jeder Bürger einen neuen Standort für ein Mobilitäts-Hub vorschlagen kann. 15 Stimmen aus der Nachbarschaft reichen für eine Machbarkeitsprüfung aus.

Kein trivialer Schritt, aber er zeigt, dass es nur mit den Bürgern geht. Sollte das Projekt weiter so Zuspruch erfahren und die Pfaffenhofener ihre geteilte Mobilität im Alltag nutzen, dann ist Plaß optimistisch, dass sich der Sharing-Bereich in den kommenden zwei Jahren jenes Prädikat verdienen wird, dass es bundesweit noch zu selten gibt: Kostendeckend.


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