Von Rocco Swantusch
Die Corona-Krise hat das Land fest im Griff. Ausgangsbeschränkungen führen zu weniger Nachfrage bei Mobilitätsangeboten - das spüren auch die Carsharing-Anbieter. Im Interview mit Autoflotte spricht Olivier Reppert, CEO von Share Now, über die aktuellen Entwicklungen, aber auch über den Fuhrpark und die Zukunft des Geschäftsmodells.
Autoflotte: Herr Reppert, welche Auswirkungen haben die aktuellen Beschränkungen auf das Geschäft bei Share Now?
Olivier Reppert: Wir sehen aufgrund des Coronavirus und der damit verbundenen Einschränkung des öffentlichen Lebens europaweit eine sinkende Nachfrage an unserem Service. Vor dem aktuellen Hintergrund werden wir unsere Carsharing-Flotte vorübergehend reduzieren. Wir finden es nach wie vor sehr wichtig, allen Menschen, die in diesen Zeiten mobil sein müssen, eine Alternative zu den öffentlichen Verkehrsmitteln anzubieten. Damit sind insbesondere MitarbeiterInnen in systemrelevanten Berufen gemeint. Mit unserer Aktion "CARE NOW – Helden des Alltags" können MitarbeiterInnen dieser Berufsgruppe bis zum 14. April ein 30-Tage-Paket zum Selbstkostenpreis buchen, sowie auch unsere anderen Minuten- und Stundentarife zum reduzierten Preis. Damit erhalten die Kunden rund um die Uhr ein eigenes Fahrzeug, dass sie auch außerhalb des Geschäftsgebiets nutzen können.
Wie lief "CARE NOW" an?
O. Reppert: Die Aktion lief sehr gut an und stößt auf positive Resonanz. Seit dem Start haben wir schon mehrere Hundert Anfragen erhalten.
Mit der Aktion sprechen Sie die wichtigen Helfer in der aktuellen Situation an. Wie sieht es mit den Share-Now-Kunden aus? Welche Hygienemaßnahmen gibt es bei den Sharing-Fahrzeugen?
O. Reppert: Selbstverständlich haben wir bereits zu Beginn der Virusausbreitung einige Vorsichtsmaßnahmen bezüglich der Hygiene unserer Flotte unternommen. Die Fahrzeuge werden von einem darauf spezialisierten Dienstleister regelmäßig desinfiziert. Unsere eingesetzten Servicekräfte sind für das Thema sensibilisiert und legen ein besonderes Augenmerk auf die gründliche Desinfizierung des Lenkrads und Schalthebels. Diese findet zusätzlich zu den regelmäßigen Reinigungsintervallen statt.
Im Free-Floating-Carsharing-Markt gab es mit Sixt Share und We Share zwei große neue Mitbewerber, die für einen Anstieg der Free-Floating-Flotte um fast 50 Prozent (laut dem Bundesverband Carsharing) sorgten. Wie stellt sich die Marktsituation für den Pionier Share Now dar?
O. Reppert: Wir begrüßen jeden Anbieter, der in den Sharing-Markt einsteigt und einen Beitrag zur modernen Mobilität beiträgt. Nur gemeinsam und mit einem komfortablen sowie flächendeckend verfügbaren Mix aus unterschiedlichen Mobility-Angeboten können wir das Potenzial ausschöpfen und Menschen zum Umstieg auf ein zeitgemäßes, multimodales Mobilitätskonzept zu bewegen. Wir plädieren gemeinsam mit den anderen Free-Floating-Anbietern zum Beispiel für eine konsequente Anwendung des 2017 in Kraft getretenen Carsharing-Gesetzes oder für diskriminierungsfreie Mobilitätsstationen. Zudem sehen wir, dass das Wachstum der Angebote einen positiven Effekt auf die gesamte Branche hat. Mit über 7.000 Fahrzeugen in Deutschland sind wir nach wie vor der größte Free-Floating-Carsharer.
Diese große Flotte setzt sich aus Modellen der beiden Marken Mercedes-Benz und BMW zusammen. Passiert dies paritätisch mit dem Blick auf bestimmte Fahrzeugsegmente?
O. Reppert: Die Auswertung der Nutzerdaten haben gezeigt, dass insbesondere die kleinen, kompakten Modelle unseres Flotten-Portfolios vergleichsweise oft gebucht werden. Durch ihre Größe sind sie sowohl wendig als auch agil und bringen klare Vorteile für das urbane Leben mit sich: Der stark frequentierte Stadtverkehr, kleine Parklücken und enge Straßen sind mit solchen Modellen kein Problem mehr. Zu diesem Fahrzeugsegment gehören vor allem unsere Autos von Smart und Mini. Natürlich ist die "Elektrifizierung" unserer Flotte ebenfalls ein großes Thema. Deshalb werden wir auch unsere E-Flotte Schritt für Schritt weiter ausbauen. Natürlich geht das nur, wenn auch die Städte entsprechende Grundvoraussetzungen, wie zum Beispiel eine ausreichende Ladinfrastruktur, stellen.
Wie hoch ist der Anteil der E-Fahrzeuge heute schon und wie wird sich dieser entwickeln?
O. Reppert: Wir betreiben vier vollelektrische und neun teilelektrische Standorte. Anfang 2020 haben wir bereits eines unserer Ziele erreicht: Unsere Flotte besteht nun aus 25 Prozent E-Autos und wir verzeichnen täglich mehr als 17.000 Elektrofahrten. Diese Zahlen machen deutlich, dass der Anteil ziemlich hoch ist und sich auch in der nächsten Zeit noch weiter entwickeln wird. Mit unserer E-Flotte schaffen wir erste, wichtige Kontakte zwischen den Nutzern und der "E-Mobilität". Damit stellen wir wichtige Weichen für die Zukunft und das bereits mit großem Erfolg: Unsere E-Autos haben schon nach kurzer Zeit einen sehr bemerkenswerten Zuspruch der Nutzer gewonnen.
Wären andere alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle geeignet fürs Carsharing (siehe BeeZero von Linde)?
O. Reppert: In der Vergangenheit haben Beispiele wie Linde gezeigt, dass Carsharing mit einer alternativen Brennstoffzelle wirtschaftlich nur sehr schwer zu betreiben ist. Wir haben daraus gelernt und nutzen die Erkenntnisse für unsere Weiterentwicklung. Derzeitig fokussieren wir uns auf zwei Alternativantriebe: batterieelektrischer Antrieb und Hybridantrieb.
Laut dem Bundeverband Carsharing spielen kombinierte Systeme (stationär und free floating) eine immer größere Rolle. Was bedeutet das für Share-Now-Kunden?
O. Reppert: Mit unserem Free-Floating-Angebot, das Stunden-, Tages- und Mehrtagespakete umfasst, gewähren wir unseren Kunden einen hohen Grad an Flexibilität und Freiheit. Aktuell sehen wir keinen Anlass, Share Now zusätzlich stationsbasiert anzubieten. Dennoch finden wir es wichtig, an relevanten Knotenpunkten wie Mobilitätsstationen präsent zu sein. Der Umstieg zwischen unterschiedlichen Modalitäten, wie Carsharing-Autos, Leihräder und öffentlichen Verkehrsmitteln wäre auf diese Weise noch einfacher. Die Nutzer können sich das Fortbewegungsmittel, das zu ihrem aktuellen Bedürfnis am besten passt, ganz bequem und individuell aussuchen. Dafür benötigen wir als Free-Floating-Anbieter analog zu unseren stationären Wettbewerbern einen diskriminierungsfreien Zugang zu solchen Mobilitätsknotenpunkten in den Städten.
Im Umgang mit den Städten monierten die Free-Floating-Anbieter gerade die hohen Parkgebühren (im Vergleich zu Anwohnerparkplätzen) sowie die Ausweisung eigener Parkflächen für Carsharing-Angebote. Gibt es hier Städte oder Regionen, die sich kooperativer zeigen als andere?
O. Reppert: Wir pflegen einen engen und kooperativen Kontakt zu all den Städten unserer Geschäftsgebiete. Die Zusammenarbeit ist uns besonders wichtig, aus ihr gewinnen nicht nur wir, sondern auch die Kommunen positive Effekte. Beispielhaft lassen sich die Städte Hamburg und München aufzählen. Hamburg ist eine der Pionierstädte des Carsharing: Durch die Infrastruktur mit durchschnittlich einem Ladepunkt pro Quadratkilometer können wir in Hamburg insgesamt 400 E-Autos anbieten. Auch mit der Stadt München arbeiten wir eng zusammen. Beispielsweise haben wir bereits eine gemeinsame Studie durchgeführt, die uns neue Erkenntnisse vor allem im Bereich Parken und Parkgebühren gebracht hat. Wir begrüßen auch das kürzlich vorgestellte Mobilitätskonzept der Stadt, das einen sehr starken Fokus auf alternative Mobilitätsformen wie das Carsharing legt. In der aktuellen Lage sehen wir vor allem die Reduzierung oder sogar den Erlass von Parkkosten für Carsharing-Anbieter als eine sinnvolle Maßnahme. Mit der Regulierung würden uns die Städte unterstützen, Menschen in diesen schweren Zeiten eine möglichst sichere Mobilität zu ermöglichen.
Gerade im urbanen Umfeld stellt sich immer wieder die Frage: Wann ist Carsharing am effektivsten, ohne dass es Wege, die sonst mit dem ÖPNV gegangen wären, einfach ersetzt?
O. Reppert: Carsharing ist in vieler Hinsicht effektiv: Mit Carsharing lässt sich Zeit sowie Kosten sparen und nicht zuletzt umweltbewusster leben. Aus verschiedenen Studien der letzten Jahre wissen wir, dass jedes Carsharing-Auto zwischen vier und sechs private Fahrzeuge ersetzt – es gibt Untersuchungen, die von noch höheren Effekten ausgehen. Am häufigsten handelt es sich um ältere Klein- und Mittelklassewagen, deren Umweltbelastung vergleichsweise hoch ist. Wir tragen also dazu bei, die Verkehrsbelastung in Städten zu senken und bieten unseren Kunden darüber hinaus Fahrzeuge mit neuesten Umweltstandards. Zudem ist der Kunde mit unserem Angebot sehr flexibel: Er kann rund um die Uhr die Flotte nutzen und sie überall im Geschäftsgebiet an- und abmieten. Insbesondere bei Strecken mit seltener Taktung oder häufigem Umstieg im ÖPNV stellt sich Carsharing als eine praktische und schnelle Mobilitätslösung dar. Auch der Aspekt "Transport" ist für viele Nutzer ausschlaggebend: Mit den Fahrzeugen lassen sich beispielsweise Gepäckstücke auf dem direkten Weg zum Flughafen transportieren. Der Kunde verfügt mit Share Now also stets über ein Fahrzeug, ohne laufende Kosten, wie Versicherungs- und Wartungskosten, zu bezahlen.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Markenbildung und die Kundenloyalität beim Produkt Carsharing?
O. Reppert: Beim Carsharing spielen sehr viele Faktoren eine Rolle: Die Verfügbarkeit der Fahrzeuge, der Preis, aber auch die Marke und das Fahrzeugmodell. Bei Share Now bieten wir unseren Kunden mit den Premium-Autos von BMW, Mercedes-Benz, Mini und Smart für jeden Anwendungsfall das richtige Auto. Und wir verstehen uns als Vorreiter der Elektromobilität. Das sind unsere USPs, die auch zur Markenbildung und Kundenloyalität beitragen. Am wichtigsten ist allerdings, dass der Kunde ein rundum gelungenes Carsharing-Erlebnis bekommt – mit einfachen und reibungslosen Prozessen, einem guten und sicheren Fahrgefühl und möglichst hoher Flexibilität. Dann kommt er auch gerne wieder.
Gibt es externe Partner für die Fahrzeugreinigung, Aufbereitung und Vermarktung der Gebrauchtfahrzeuge?
O. Reppert: Für die Reinigung und Wartung unserer Fahrzeuge arbeiten wir mit externen Dienstleistern zusammen. Sobald das Leasing ausläuft, geben wir die Autos an die Leasingfirmen zurück.
Vielen Dank Herr Reppert für das Gespräch!