Eduard Schlutius ist nicht der typische CEO. Gefühlt zu jung, tatsächlich sehr zurückhaltend - und somit ein angenehmer Gesprächspartner. Das erste Treffen findet in Nürnberg statt beim regionalen Energieversorger N-Ergie. Denn der Stromlieferant fürs Frankenland ist mit seinen gut 100 Elektroautos nicht nur Kunde bei Emonvia. N-Ergie gehört auch zum Gründungstrio der Emonvia GmbH. Die anderen beiden: ABL, bekannt als Erfinder des Schuko-Steckers und seit 2011 Ladesäulen-Vorreiter sowie Mantro, ein nach eigenen Worten "Company Builder", der dem Konglomerat (künstliche) Intelligenz verpasst.
Getestet wird im Fuhrpark von N-Ergie, den Claudia Heinrich, ihres Zeichens Leiterin der N-Ergie Servicedienste und unter anderem für den N-Ergie-Fuhrpark verantwortlich, um das fertige Produkt danach "echten" Kunden anzubieten. Davon gibt es aktuell rund 20, die auf "das Komplettpaket für Elektromobilität" von Emonvia vertrauen - so die vollmundige Eigenbeschreibung. Die Emonvia-Truppe, die im Münchener Süden ihren Sitz hat, passt die Infrastruktur exakt an die Bedürfnisse an - sofern technisch möglich. Und technisch ist vieles möglich und vermeintlich Nötiges oft überflüssig. "Wir versuchen die Komplexität aus den Produkten zu nehmen - sowohl für den Installateur als auch für den Nutzer", unterstreicht Karl Wendrich, Director Product bei Emonvia, und erklärt ein paar Tage darauf im Münchener Büro eine Wallbox, die neben vielen andere zu Testzwecken an einer Holzpalette montiert ist. Die Intelligenz sitzt im Prinzip in einem kleinen Mobilfunk-Stick, der die Verbindung zum Emonvia-Backend in der Cloud herstellt. Wobei Schlutius betont, dass stets die individuell beste Wallbox genutzt wird - was unbestritten häufig ein ABL-Produkt sein wird, wie beispielsweise der ADAC-Test aus November 2018 zeigt (siehe dazu auch Seite 28/29), bei dem die ABL eM H1 den ersten Platz belegte.
Ab 2020 geht es los
Laut Schlutius wird sich in Deutschland ab 2020 Ähnliches abspielen wie in Norwegens Städten vor etwa fünf Jahren. Das hat er sich damals während seines Zwei-Jahre-Norwegen-Aufenthalts genau angesehen - und davon profitiert das Unternehmen jetzt. Mit Know-how, Service und Vorausdenken. Letzteres bringt auch der zweite Geschäftsführer ein. Patrick Fleischer, der passenderweise zeitgleich bei N-Ergie die strategische Unternehmensentwicklung leitet. Schlutius hat den Strom hingegen wohl seit der Geburt im Blut. ABL, nicht nur Wiege des Schuko-Steckers, sondern auch die von Eduard Schlutius. Er entspringt der Familie, für die Strom offensichtlich das Lebenselixier ist.
Publicity ist bislang nicht das große Ding von Emonvia und von Schlutius im Speziellen. "Wenn wir nicht wahrgenommen werden, haben wir einen guten Job gemacht", sagt er bescheiden beim Besuch des Fuhrparks von N-Ergie. Auf die Frage nach anderen Kunden antwortet Schlutius: "Das ist querbeet, Fuhrparks, Hotels, Einfamilienhäuser oder eben Energieversorger. Bei uns bekommt der Fuhrparkleiter oder Betreiber ein Werkzeug, mit dem sich die E-Flotte effizient steuern lässt und exakt die Daten bereitstellt, die benötigt werden. Bis hin zu denen, die Marketingund Personalabteilungen benötigen können, um ihre Bereiche zu optimieren. Unser Fokus liegt mit unserem charge@ work-Produkt auf Unternehmen, die sich nicht nur um Dienstwagenfahrer kümmern, sondern sich zusätzlich allen E-Mobilisten öffnen wollen."
Wie beispielsweise Claudia Heinrich. Bei den Franken werden derzeit alleine auf dem großen Pool-Parkplatz rund 40 Ladesäulen mit 22-kW-Power und je zwei Anschlüssen eingesetzt. Wie üblich halbiert sich die Ladeleistung pro Punkt, wenn beide Typ-2-Stecker aktiv an Stromern hängen, "was in den meisten Fällen vollkommen ausreichend ist", wie Heinrich hinzufügt. "Mittlerweile haben wir häufig unser Logo auf den Wallboxen", ergänzt Schlutius. Eine White-Label-Lösung ist auf Kundenwunsch möglich.
1.000 Fahrzeuge, 150 Stromer
Heinrich ist seit 2014 für den Fuhrpark verantwortlich und damit für etwa 1.000 Fahrzeuge zuständig; mehr als 100 davon werden rein elektrisch betrieben. Meistens sind das E-Golf, Renault Zoe, E-Smart sowie ein paar i3, zwei Opel Ampera-e und fünf Tesla als Dienstwagen. Da nicht nur das Nürnberger Stadtgebiet zum Aktionsradius gehört, sondern auch das weitere Umland, sind für Heinrich Elektrotransporter wie der Mercedes E-Vito oder VWs E-Crafter - mit einer Reichweite von maximal 174 Kilometern nach NEFZ - noch keine Option im großen Stil. Einen Nissan E-NV200, der entsprechend 275 Kilometer schafft, hat N-Ergie für spezielle Anwendungsfälle aber im Portfolio. "Leider hat der schon ältere Nissan noch den falschen Stecker, wir haben uns auf Typ-2-Stecker festgelegt, wie man unschwer erkennen kann. Das bedeutet für unsere Mitarbeiter weniger Aufwand und kein Kabelsalat im Kofferraum, denn die Stecker sind an der Ladesäule fixiert, das Ladekabel im Auto ist nur nötig, falls mal draußen geladen werden müsste.
Dafür haben wir in allen Fahrzeugen die Ladeverbund-Plus-Ladekarte liegen, die unser Netzgebiet mit Schwerpunkt Mittelfranken gut abdeckt." Zudem gibt es einige Plug-in-Hybride."Die Plug-in-Hybride können unsere Firmenwagenfahrer bislang noch frei wählen. Und sie werden aktuell sinnvoll genutzt. Das ist vielleicht auch der Vorteil, wenn man bei einem Energieversorger arbeitet. Die Mitarbeiter achten auf den Energieverbrauch."
Auf die Frage, ob bereits einer Ihrer Kollegen liegengeblieben ist, grinst Heinrich."Bislang haben wir einmal auf dem Firmengelände bewusst getestet, wie es ist, mit einem E-Fahrzeug liegenzubleiben. Null Kilometer Restreichweite bedeutete tatsächlich Stillstand. Aber im Schnitt fahren unsere E-Autos 50 Kilometer am Tag. Daher laden sie nur ein bis zwei Stunden hier am Platz und haben dann genügend Reichweite."
Firmeninterne Infotage helfen
Um Elektromobilität bei N-Ergie noch populärer zu machen, veranstaltet der Energieversorger regelmäßig Infotage, an denen die Mitarbeiter die Pool-Stromer und Ladetechnik erleben können. Denn bis "2030 soll die Hälfte unseres Fuhrparks voll elektrifiziert sein". Und bekanntermaßen überzeugt man Neulinge durchs Ausprobieren. Pro Jahr tauscht N-Ergie etwa 100 Fahrzeuge aus. "Die aktuellen Elektro-Golf sind geleast, aber wir werden wieder dazu übergehen, unsere E-Autos zu kaufen."
Heinrich war - nicht nur aufgrund des Arbeitsplatzes - Pionierin der Elektromobilität. So gab es im Fuhrpark mal den Mia Electric, der zwischen 2010 und 2014 produziert wurde. Aber genauso selbstverständlich sind und bleiben Verbrenner das Rückgrat der N-Ergie-Flotte. "Wir haben ja auch viele Langstreckenfahrer", sagt Heinrich fast entschuldigend. Doch die Elektrifizierung lässt sich nicht aufhalten. Denn sie funktioniert, sowohl bei der Infrastruktur, bei der ein Energieversorger von Haus aus Vorteile besitzt, als auch von den Fahrprofilen. "Im nächsten Schritt wollen wir versuchen, unsere Monteure, die elektrisch fahren, auch zuhause mit Lademöglichkeiten zu versorgen, sodass deren Fahrzeuge ohne Umweg stets einsatzbereit sind. Und nächstes Jahr sollen zudem unsere Mitarbeiterparkplätze 130 Ladeanschlüsse erhalten, die auch von Gästen und Anwohnern genutzt werden können."
Denn eine gesunde Infrastruktur ist das A und O, um Elektromobilität massenfähig zu machen. "Dort soll in Zusammenarbeit mit Emonvia eine Parkplatzsensorik installiert werden, sodass der E-Auto-Fahrer bereits beim Einfahren ins Parkhaus weiß, an welche Säule er idealerweise fährt. Situationsgesteuerte Hinweisschilder lotsen den Weg und registrierte User müssen lediglich das Kabel anstecken. Stromzufuhr, Lademanagement und Abrechnung erfolgen völlig automatisch." Aufs Parkhausdach sollen dann noch Solarzellen, damit ein Teil des Stroms direkt vor Ort und selbstverständlich völlig grün produziert wird.
Dass sich die E-Mobilität lohnt, davon ist Heinrich überzeugt. "Nicht nur kostentechnisch ist es für uns sinnvoll." Doch genau die Kosten sind es oft, die im Weg stehen, weiß auch Schlutius. Die Erstinvestitionen sind eventuell hoch, die bürokratischen Hürden oft höher. So haben gerade Unternehmen, die sich in Objekte eingemietet haben, Probleme, Ladelösungen in die Garage zu bekommen. Davon kann Schlutius ein Lied singen. Und wenn es dann endlich seitens Vermieter genehmigt ist, kommt das nächste Problem. "Wir finden keine Installateure". Durch den anhaltenden Bauboom schwitzen die Emonvia-Kollegen nicht selten, um die Aufträge zeitnah abwickeln zu können. "Unter 100 Wallboxen wollen viele gar nicht anfangen", weiß Schlutius zu berichten.
Vorteilhaft ist, dass Emonvia bei Sonepar, dem Marktführer im Elektrogroßhandel, gelistet ist. Somit werden viele Elektroinstallateure durch den Handelspartner auf Emonvia aufmerksam. Und genau diese Elektroinstallationsfirmen wissen die einfache Plug-and-Play-Lösung von Emonvia zu schätzen.
Auf das Nötigste reduzieren
Letztendlich will Emonvia den Fuhrparkleiter entlasten. "Wir wollen für unsere Kunden alles auf das Nötigste reduzieren und ihnen zudem die Freiheit einer fairen Tarifstruktur bieten."
Denn dann können die Unternehmen auch gute Ladetarife an ihre Mitarbeiter ohne Dienstwagen weitergeben. Weil beispielsweise der Solarstrom vom Dach genutzt wird oder ähnliche Vorzüge vorhanden sind. "In unseren Systemen ist ja die komplette Abrechnungslogistik integriert - ebenfalls sehr einfach." Denn genau so "bietet Elektromobilität die Chance, komplett grün zu sein. Man kann alles gut machen, wenn alle mitmachen", sagt Wendrich zum Schluss - wie wahr.