Gesamtpaket Mobilität
Zwei große Themenkomplexe beschäftigen derzeit Travel Manager und ihren Verband. Dirk Gerdom, Präsident des Verbandes Deutsches Reisemanagement e. V. und Head of Global Travel Management bei SAP, über die neu geregelte Besteuerung von Übernachtungen mit Frühstück und die Kosten der Geschäftsreise.
Kennt noch jemand das Wort „Reisestelle“? Kaum. Und wer es kennt, benutzt es nicht. Denn die Aufgaben der reinen Reiseabwickler, die sich im Jahr 1974 zum Verband Deutscher Reisestellen (VDR) zusammenschlossen, haben sich enorm weiterentwickelt: Heutige Travel Manager verstehen Geschäftsreisen als umfassenden Prozess, der von Jahresvereinbarungen bis zum Controlling reicht. Sie sind Manager. Und ihr Aufgabenfeld wächst weiter, fort von der reinen Reise, hin zum Gesamtpaket Mobilität. Das ist der Punkt, an dem Flotten- und Travel Management zusammenwachsen.
Mit seinen Mitgliedern verändert sich auch der VDR, der längst Verband Deutsches Reisemanagement heißt. Aus dem Geschäftsreise-Verband wird Stück für Stück ein Mobilitätsverband, der sich selbstverständlich und in zunehmendem Maße auch um Flottenthemen kümmert.
Das zeigt sich nicht nur im lebendigen Fachausschuss Flottenmanagement, sondern auch in der Verbandsspitze: Gleich zwei der Präsidiumsmitglieder, nämlich Bernd Ruttloff und Vizepräsident Ralph Rettig, verantworten in ihrer Funktion als Travel Manager umfangreiche Flotten in ihren Unternehmen. Der VDR ist ein Verband für die ganze Mobilität – er heißt nur noch nicht so.
Entsprechend lang ist der Themenzettel, den das Präsidium und die Mitglieder ständig im Auge haben: Außer um Flotten geht es um Flug, Bahn, Mietwagen, Hotels, Veranstaltungen und Reisebüros – also um die ganze Wertschöpfungskette. Dazu kommen Themen wie Technologie, Sicherheit, Unternehmenskennzahlen, Nachhaltigkeit und Mittelstand – also die konkreten Arbeitsbedingungen. Zu allen genannten Themen gibt es eigene Fachausschüsse, in denen sich die Mitglieder untereinander austauschen und moderne und innovative Travel-Management-Methoden entwickeln.
Zwei Beispiele für VDR-Innovationen
Der VDR hat ein Standardinstrument für die Reisebüro-Ausschreibung entwickelt. „eRFP Reisebüro“ steht für „electronic request for proposal“. Der eRFP wurde konsequent aus Sicht der Unternehmen entwickelt und dient Firmen zur Optimierung des gesamten webbasierten Reisebüro-Ausschreibungsprozesses. Er steht den VDR-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung.
Der VDR erleichtert Travel Managern durch spezielle Zertifizierungen die Buchung geeigneter Hotels. Die Zertifikate „Certified Business Hotel“, „Certified Conference Hotel“ und „Certified Conference Ship“ fußen auf umfangreichen Kriterienkatalogen, die von den VDR-Mitgliedern erarbeitet wurden, zum Teil gemeinsam mit anderen Verbänden.
Die Folgen der Mehrwertsteuer-senkung
Aktuell sind es zwei große Themenkomplexe, die die Travel Manager und ihren Verband beschäftigen: die Anfang 2010 neu geregelte Besteuerung von Übernachtungen mit Frühstück und die Kosten der Geschäftsreise.
Die gut gemeinte Mehrwertsteuer-senkung für Beherbergungsbetriebe hat für alle, die am Geschäftsreiseprozess beteiligt sind, zu Mehraufwand geführt, außerdem zu vielen, teils fragwürdigen Aktionen. Zurzeit geht es vor allem darum, wie sich die verschiedenen Seiten annähern können.
Der Mehraufwand trifft Travel Manager in einer Zeit, in der sie noch mehr gefordert sind, versteckte Einsparpotenziale aufzuspüren. Sie sind in ihrer Organisation professioneller geworden und haben erkannt, wie wichtig eine sorgfältige Planung und Analyse sind, um den Kostenblock Geschäftsreisen nachhaltig zu optimieren. In fast 60 Prozent der VDR-Mitgliedsunternehmen wird immer noch stark auf die Kosten geachtet beziehungsweise günstiger gereist. Das hat dazu geführt, dass Statusdenken kaum noch Platz im Wertesystem der Geschäftsreisenden hat. Gefragt ist ein auf das Notwendige reduziertes Angebot in einem stimmigen Ambiente. Heutige Budgethotels bieten dieses Umfeld – und werden von Travel Managern und Reisenden akzeptiert.
Wann lohnt sich eine Reise?
Auch das Stichwort „Reisevermeidung“ fällt in jüngerer Zeit häufig: Travel Manager müssen entscheiden, wann sich eine Reise lohnt und wann zum Beispiel eine Videokonferenz zum selben Ziel führt. Im Frühjahr wird der VDR seinen Mitgliedern mit einer ausführlichen Studie zu den „Total Cost of Trip“ einen Ansatz zur fundierten Beantwortung dieser Frage liefern.
Bei der schnellen und professionellen Reaktion hilft dem VDR sein umfassendes Verbandsinstrumentarium.
Lobbyarbeit. Im politischen Berlin wird der VDR durch einen eigenen Berater vertreten: Ekkehard Tschirner. Über diese Lobbyarbeit bringt der VDR seinen Sachverstand in die politische Diskussion ein und pflegt den direkten Kontakt zu Parteien und anderen Verbänden.
Tagungen. Zwei gut besuchte zentrale Jahrestagungen für Geschäftsreisemanagement und zwölf Regionaltreffen im Jahr bieten Vorträge und Praxis-Workshops sowie unzählige Möglichkeiten zur Kontaktpflege – sie sind wichtiger Bestandteil der Arbeit jedes Mitglieds.
Akademie. Die VDR-Akademie – Institut für Geschäftsreisemanagement bietet Seminare, Praxis-Workshops und Fachstudiengänge für alle, die sich mit den Themen Mobilität, Geschäftsreisen und Veranstaltungen auseinandersetzen. Abschlüsse wie der Certified Travel Manager (CTM) sind branchenweit anerkannt.
Marktwissen. Mit der jährlichen VDR-Geschäftsreiseanalyse und regelmäßigen „Blitzumfragen“ liefert der Verband der gesamten Reisebranche umfangreiche Marktdaten und Informationen darüber, wie Travel Manager in den wichtigsten Fragen ihrer Arbeit entscheiden.
Internationalität. Auch weltweit ist der VDR unterwegs: Er ist Gründungsmitglied des Paragon Partnerships, des globalen Zusammenschlusses einiger Geschäftsreiseverbände, und kooperiert mit anderen internationalen Verbänden, wenn sinnvoll.
Auf diese Weise entsteht jeden Tag konkreter Nutzen für die Mitglieder des VDR. Zu den Kontakten und dem Fachwissen von Tagungen und Fachseminaren treten handfeste wirtschaftliche Vorteile: Über insgesamt zehn Konsolidierungsprogramme bündelt der Verband die Einkaufskraft seiner Mitglieder und verschafft ihnen so einmalige Konditionen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Das reicht von Flügen und Internet-Buchungsmaschinen bis hin zu Zeitschriftenabonnements.
Und natürlich gibt es auch eigene VDR-Tarife bei Mietwagen und Autoleasing-Unternehmen. Der Verband Deutsches Reisemanagement ist schließlich ein Verband für die ganze Mobilität.
Dirk Gerdom
Gastkommentar
Zur Person
Dirk Gerdom ist seit 2009 Präsident des Geschäftsreise-Verbands VDR. Der Diplom-Betriebswirt (FH) und gelernte Reiseverkehrskaufmann arbeitet seit 1999 als Travel Manager für die SAP-Gruppe in Deutschland und ist seit Februar 2003 als Head of Global Travel Management für die Gestaltung des weltweiten Travel Managements bei SAP zuständig.
- Ausgabe 4/2010 Seite 52 (306.7 KB, PDF)