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Prüfungs- und Beratungspflichten

28.03.2013 12:02 Uhr

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Prüfungs- und Beratungspflichten

Häufige Streitpunkte | Meist gehen die Diskussionen um Auftragserteilung, -inhalt und Vergütung. Was darf der Kunde erwarten, welche Prüfungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten hat die Werkstatt ihm gegenüber?

— Wie so oft, ist gundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Zu beachten sind also Art und Umfang des Auftrags, ebenso das Fachwissen des Unternehmens. Der Kunde ist hier schutzwürdig: Er darf darauf vertrauen, dass die von ihm ausgewählte Werkstatt das erforderliche Fachwissen besitzt, wenn sie den Auftrag annimmt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage des Bundesgerichtshofes (BGH). Er geht davon aus, dass von einer Kfz-Werkstatt nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Aufklärung des Kunden über technische Umstände, die ihr bekannt sind oder sein müssten und von denen sie weiß oder wissen müsste, dass sie für den Kunden von wesentlicher Bedeutung sind, erwartet werden kann (BGH, NJW-RR 2004,1427).

Es ist also von einer umfassenden Prüfungs- und Beratungspflicht der Werkstatt auszugehen.

Zahlreiche Urteile | Dass es hier Defizite aufzuarbeiten gilt, davon zeugen die zahlreichen Urteile der Gerichte zu Streitigkeiten bei Wartungs- und Inspektionsaufträgen.

Wer kennt nicht die Streitpunkte bei Reparaturen mit verdeckter Fehlerursache, wenn die Kundenaufträge „Motorgeräusche feststellen und beheben“ oder „Motor läuft unrund“ lauten? Pauschalaufträge wie „Wagen TÜV-fertig machen“, „Fahrzeug durchsehen und prüfen“ oder „Inspektion durchführen“ sind äußerst streitanfällig. Wer zahlt bei all diesen Pauschalaufträgen die Kosten, konkret die Stundenlöhne, für die erforderliche Suche nach den vermeintlichen reparaturbedürftigen Mängeln?

Die Rechtsprechung geht im Fall des pauschalierten Inspektionsauftrages vereinzelt so weit, dass sie sogar einer freien Werkstatt die Pflicht auferlegt, nicht nur die im Serviceheft ausgewiesenen Arbeiten durchzuführen, sondern überdies auch solche, die die Hersteller nachträglich in ihre Inspektionsrichtlinien aufgenommen haben. Dazu gehören etwa geänderte Service- und Wechselintervalle für Zahnriemen.

Auf bestehende Informationsschwierigkeiten muss die freie Werkstatt den Kunden hinweisen (BGH, DAR 2010, 84 zur Grundüberholung eines Motors).

Aber: Ganz anders bei konkreter Auftragserteilung. Hier kann von der Werkstatt nicht verlangt werden, auch „die übrigen Teile des Gegenstandes, an dem sie ihre Werkleistung zu erbringen hat, ohne besonderen Auftrag zu überprüfen“ (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1210; dort ging es um eine Motordiagnose wegen „unrunden Laufs“; mangels Inspektionsauftrages keine Verpflichtung zur Zahnriemenüberprüfung).

Kostenvoranschlag wichtig | Allein die zuvor aufgezeigten Probleme verdeutlichen, wie wichtig eine sorgfältige Auftragsannahme durch die Werkstatt ist. Und für den Kunden zeigt sich, dass er bei für ihn unkalkulierbaren Arbeiten der Werkstatt auf einem Kostenvoranschlag bestehen sollte.

Eine verbindliche Preisangabe kann der Kunde nur erreichen, wenn er einen schriftlichen Kostenvoranschlag einholt. Im Umkehrschluss bedeutet diese Aussage die grundsätzliche Unverbindlichkeit sonstiger Preisangaben.

Im schriftlichen Kostenvoranschlag sind die Arbeiten und Ersatzteile jeweils im Einzelnen aufzuführen. Der Gesamtpreis der dann durchgeführten Arbeiten darf nur mit Zustimmung des Auftraggebers überschritten werden, was letztlich zu einer Preisgarantie führt. Maßgeblich ist § 650 Absatz 1 BGB; der Auftragnehmer hat die Gewähr für die Richtigkeit des Kostenvoranschlags übernommen. Faktisch liegt damit eine Vergütungsabrede vor.

Denkbar sind jedoch Auftragserweiterungen im beiderseitigen Einverständnis. Eine allgemeine Klausel im Auftragsformular, die gegebenenfalls von dieser Regel abweicht („Auftragserweiterungsklausel“), muss sich an § 308 Nr. 4 BGB messen lassen.

Nach einer entsprechenden Verbandsempfehlung holen die Werkstätten die erforderliche Zustimmung des Auftraggebers in der Regel telefonisch ein. Allerdings trägt im Fall eines Rechtsstreites die Werkstatt die Beweislast dafür, dass die Zustimmung zur Auftragserweiterung vorliegt.

Strenge Anforderungen | Neben den Pflichten bei der Auftragserteilung treffen die Werkstätten außerdem Pflichten im Zusammenhang mit der Aufklärung über technische Umstände.

So kann etwa Anlass für einen Warnhinweis durch die Werkstatt bestehen, wenn der Kunde nach einer Reparatur weiterhin Mängel oder Störungen beanstandet, aber aus Kostengründen von einer Instandsetzung Abstand nimmt.

Hier kann es für die beauftragte Werkstatt gefährlich werden: Zwar gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung des Kunden. Aber aufgrund des von den Werkstätten geforderten und auch unterstellten Fachwissens stellt die Rechtsprechung an die Hinweispflicht der Werkstatt in Bezug auf Verkehrsrisiken (zum Beispiel bei Bremsanlagen) strenge Anforderungen.

Problematisch: Zahnriemenfälle | Eine problematische Fallgruppe stellen in der Rechtsprechung Zahnriemen dar, die in technischer und beweisrechtlicher Hinsicht oft besonders heikel sind. Die Rechtsprechung ist hier sehr unübersichtlich.

Wenn die vom Hersteller empfohlene Frist für die Auswechslung noch nicht abgelaufen ist und noch länger als drei Monate andauert oder noch 5.000 Kilometer gewartet werden kann, so soll keine Hinweispflicht bestehen – zumindest nicht für eine Vertragswerkstatt.

Auch bestehen Beratungspflichten hinsichtlich wirtschaftlicher und versicherungsrechtlicher Fragen. So darf der Kunde erwarten, dass die Werkstatt ihn über Fragen der Wirtschaftlichkeit einer anstehenden Reparatur sachgerecht berät. Haftungs- und versicherungsrechtlich relevant kann die Beratung etwa bei der Frage nach der richtigen Abwicklung eines Garantiefalles werden.

Beratung versus Rechtsberatung | Hier verlangen Gesetzgeber und Rechtsprechung von den Werkstätten eine Gratwanderung. Die Werkstatt schuldet mitunter Aufklärung und Beratung – Rechtsberatung darf sie jedoch nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht erbringen. Schon die Werbung damit kann unzulässig sein.

Interessant ist dies am Beispiel des Falles, in dem für den Kunden nach einem Schadensfall die Möglichkeit einer kombinierten Abrechnung mit der Kaskoversicherung einerseits und der gegnerischen Haftpflichtversicherung anderseits in Betracht kommt (sogenanntes Quotenvorrecht). Ob die Werkstatt eine Verpflichtung zur entsprechenden Beratung trifft, ist in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch ungeklärt.

Ebenso kritisch sind die sogenannten „130-Prozent-Fälle“. Diese sind zwar auch aus Sicht der Werkstatt beratungsintensiv, aber ebenso grenzwertig im Hinblick auf das Rechtsdienstleistungsgesetz.

So kann sich eine Hinweispflicht daraus ergeben, dass der vom Kunden beauftragte Sachverständige den Unfall ersichtlich falsch bewertet hat. Wenn es sich nach dessen Kalkulation um einen 130-Prozent-Fall handelt, die Werkstatt aber schon im Vorfeld erkennt, dass der Reparaturaufwand deutlich höher sein wird, dann muss sie den Kunden von sich aus auf mögliche Abrechnungsschwierigkeiten mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung aufmerksam machen.

Nicht einmal die Überlassung eines Ersatzfahrzeuges (Leihwagen) an den Kunden ist ohne Beachtung von Beratungspflichten denkbar. Zu denken ist hier an die Frage nach einem Vollkaskoschutz. Eine entsprechende Hinweispflicht steht zumindest im Raum. Allerdings besteht auch hier keine einheitliche Praxis. Nach Ansicht des OLG Oldenburg (NJW-RR 2006, 1534) besteht bei „Kleinwagen“ keine Hinweispflicht.

Einziger Trost für die Werkstätten ist, dass die Pflichtverletzung als solche grundsätzlich vom Auftraggeber darzulegen und auch zu beweisen ist. Darüber hinaus muss dieser die Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung bzw. unterlassener Aufklärung und eingetretenem Schaden beweisen. Nur den Einwand, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Beratung, aber mangelnder Beachtung des Kunden ebenfalls entstanden wäre, muss die Werkstatt darlegen. | Dr. Michael Ludovisy

Parkplatz | Anscheinsbeweis zu Lasten des rückwärts Ausparkenden

– Die Regeln der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar. Ein Vertrauensgrundsatz zugunsten des „fließenden Verkehrs“ gegenüber dem aus einer Parkbox wartepflichtigen Ausfahrenden besteht nicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn das in der Parkgasse befindliche Fahrzeug rückwärts gefahren wird.

Im Falle eines Unfalles spricht der Anschein für ein Verschulden des Zurücksetzenden auch dann, wenn dieser zum Kollisionszeitpunkt bereits zum Stehen gekommen ist, gleichwohl aber ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit dem Zurücksetzen gegeben ist.

OLG Hamm, Az. 9 U 32/12, R + S 2013, 42

Reparaturkosten | Erstattung bei Überschreiten der 130-Prozent-Grenze

– Ein Geschädigter kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten innerhalb der 130-Prozent-Grenze verlangen, solange er sein Fahrzeug fachgerecht reparieren lässt und damit der vor dem Unfall bestehende Zustand wiederhergestellt wird. Eine Reparatur exakt gemäß den Vorgaben des Schadengutachtens ist nicht erforderlich. Eine geringfügige Überschreitung dieser Grenze steht einem Anspruch auf vollständigen Ersatz der Reparaturkosten nicht entgegen.

Ein Geschädigter, dem es entgegen der Einschätzung des Schadengutachtens gelingt, eine vollständige und fachgerechte Reparatur innerhalb der 130-Prozent-Grenze durchzuführen, kann vollständigen Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130 Prozent des Wiederherstellungswerts verlangen, sofern bei Erteilung des Reparaturauftrages abzusehen war, dass eine Reparatur innerhalb der Grenze möglich sein wird.

LG Itzehoe, Az. 1 S 89/11, ADAJUR-Archiv

Ersatzbeschaffung | Fehlender Nutzungswillen bei längerem Abwarten

– Wartet der Geschädigte eines Verkehrsunfalls mit der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs eine erhebliche Zeit (im vorliegenden Fall: achteinhalb Monate), obwohl eine Ersatzbeschaffung laut Gutachter innerhalb weniger Tage möglich gewesen wäre, so wird das Fehlen des Nutzungswillens vermutet und die Erstattung einer Nutzungsausfallentschädigung verweigert.

LG Köln, Az. 6 S 5/12, SP 2012, 367

Gutachten | Sicht des Geschädigten bei einem Bagatellschaden maßgeblich

– Bei der Frage, ob der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ein Sachverständigengutachten oder nur einen Reparaturkostenvoranschlag einholen darf, ist auf die Schadenhöhe sowie die Ex-ante-Perspektive des Geschädigten abzustellen, ob er die Einholung eines Gutachtens für erforderlich halten darf. Bei einer Schadenhöhe bis 1.000 Euro liegt ein Bagatellschaden vor.

Zur Beurteilung der Frage, ob ein Bagatellschaden vorliegt und damit die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich ist, ist neben der betragsmäßigen Höhe des Schadens auch die Sicht des Geschädigten maßgebend, inwieweit dieser, der in der Regel technischer Laie ist, die Beauftragung eines solchen Gutachtens für notwendig erachten durfte.

AG Schwerte, Az. 7 C 123/11, SP 2012, 303

Gutachten | Kein Anspruch auf zweites bei verzögerter Zusendung des ersten

– Die Kosten für die Beauftragung eines zweiten Sachverständigengutachtens aufgrund einer verspäteten Zusendung des ersten Gutachtens durch einen Unfallgeschädigten sind nicht erstattungsfähig, wenn das weitere Gutachten zur effektiven Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist.

AG Nürnberg, Az. 22 C 8252/11, SP 2012, 368

Mietwagen | Keine Erstattung einer sittenwidrigen Rechnung

– Es liegt eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor, wenn eine Mietwagenrechnung einen dreimal so teuren Preis ausweist wie ein Angebot aus dem Internet vom selben Tag. Diese Rechnung kann nicht zum Ersatz von Mietwagenkosten herangezogen werden.

AG Bergisch-Gladbach, Az. 6 1 C 122/12, NZV 2013, 47

Unfall | Erstattung von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten

– Wird ein Fahrzeug nach einem Unfall durch den Geschädigten selbst wieder instandgesetzt, so kann er keine Erstattung von Aufschlägen auf die unverbindliche Preisempfehlung (UPE) der Hersteller und von Verbringungskosten verlangen.

Verbringungskosten werden nur von solchen Markenwerkstätten erhoben, die selbst nicht über eine eigene Lackiererei verfügen und für die Durchführung der Lackierung das verunfallte Fahrzeug verbringen müssen.

AG Remscheid, Az. 7 C 42/12, SP 2013, 22

Fahreridentifizierung | Hochglanzfoto für den Anwalt

– Dem Rechtsanwalt ist auf Antrag ein Ausdruck des Messfotos auf Hochglanzpapier zu überlassen, wenn der bislang zur Akte genommene Ausdruck keine ausreichende Identifizierung ermöglicht.

AG Plön, Az. 4 OWI 10/12 GE; ADAJUR-Archiv

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