Zweimal jährlich piepsen
Plädoyer für regelmäßige Kontrollen | Der selbstständige Mobilitätsmanager Stephan Wagner über die Komplexität der Führerschein-Sichtung, technische Innovationen und zeitgleich auftauchende Bedenkenträger.
— Carl Benz hat nicht nur das Auto erfunden, sondern für Carl Benz wurde auch der Führerschein erfunden. Der erste Führerschein der Welt, ausgestellt am 1. August 1888 vom Großherzoglich Badischen Bezirksamt Mannheim, war für den Automobilerfinder Carl Benz.
Erteilt wurde dieser für den einen Patent-Motorwagen. Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts gab es immerhin vier Klassen (Motorrad, Lkw, Pkw, Traktor). 30 Jahre später (sowohl in West und als auch Ost) schon sieben verschiedene Berechtigungen und heute im geeinten Europa 18 unterschiedliche Eingruppierungen (Tendenz steigend). Wahrscheinlich ist heute manch einem nicht immer klar, welches Gefährt er denn eigentlich (noch) fahren darf.
Umso schwieriger wird es, als Fuhrparkverantwortlicher diese Berechtigung zu prüfen. Im Zweifel müssen auch noch ausländische Führerscheine (billig im Urlaub gekauft oder bestehend aus unleserlichen Schriftzeichen) geprüft werden.
Menschenverstand? Fehlanzeige! | Man sollte davon ausgehen, dass Menschen, die sich motorisiert fortbewegen, so viel gesunden Menschenverstand haben, nicht ohne eine entsprechende Fahrerlaubnis am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Die Realität sieht leider anders aus: Täglich sind in Polizeiberichten unberechtigte Fahrten aufgelistet, wohlgemerkt nur solche, die durch Kontrollen oder Unfälle eher zufällig bemerkt wurden. Man muss sich die Frage stellen, wie viele eigentlich da draußen ohne entsprechende Fahrerlaubnis rumfahren.
Diese Tatsache verdeutlicht, weil auch Kollegen mit Firmenfahrzeugen nur ein Querschnitt der Bevölkerung sind, dass wahrscheinlich auch Mitarbeiter zeitweise ohne Fahrerlaubnis umherfahren (müssen).
Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) regelt in § 21 die Konsequenzen in Sachen „Fahren ohne Fahrerlaubnis“, die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) in § 31 die „Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge“ und damit eineindeutig die entsprechende Halterpflicht. Konsequenz: Der (verantwortliche) Halter muss das uneingeschränkte Vorhandensein (Stichworte: Automatik, Hörgerät, Brille) einer Fahrerlaubnis für das Fahrzeug und gar die „Eignung zur selbstständigen Leitung“ überprüfen.
Beschränken wir uns mal auf das Dokument Führerschein: Wenn wir privat unser Auto, Moped oder unseren Traktor mal ‘nem Kumpel ausleihen, lassen wir uns dann eigentlich den Lappen zeigen? Auf Seminaren lernen wir immer wieder, dass zweimal jährlich, im Verdachtsfall häufiger, kontrolliert und dokumentiert eine fachkundige Prüfung des Führerscheins erfolgen sollte.
Rasante Entwicklung | Bis vor nicht einmal zehn Jahren erfolgte die Führerscheinkontrolle (wenn überhaupt) „biomechanisch“: Der Führerschein wurde im Original eingesehen, die Kontrolle dokumentiert. Bei entsprechend großen, national agierenden Fuhrparks eine schwierige, zeitraubende Aufgabe für alle Beteiligten. Man konnte allenfalls die Prüfung bei „Prüforganisationen“ durchführen und sich wochenlange Rundreisen sparen. Technische Hilfsmittel: Fehlanzeige!
Vor knapp zehn Jahren die „Revolution“! Eine automatisierte, relativ fälschungssichere Prüfung des (mit RFID-Chip beklebten) Original-Führerscheins, steuerbar, dokumentiert auf dem eigenen Rechner! Unglaublich! Kaum war die Idee geboren, kamen die ersten Zweifler: Darf man den Führerschein bekleben? Was wird da denn gespeichert? Bestimmt werden Bewegungsprofile erstellt und überhaupt: Das klappt nie!
Datenschutz | Aus der einzigen (nicht auf menschlicher Kontrolle basierenden) Prüfstruktur wurden inzwischen viele. Zum Teil mit vergleichbarem Prinzip, aber auch mit schriftlicher Direktabfrage beim Kraftfahrbundesamt (das papierlose Büro lässt grüßen). Früher unvorstellbar, dass jemand bei einer Behörde die Existenz von Unterlagen eines anderem schriftlich abfragt. Und immer wieder der Datenschutz als größter Bedenkenträger.
Aber mal ehrlich: In Zeiten von Bonuskarten, die sorgfältig analysieren, wo wir wann was gekauft haben, Smartphones und Apps, die permanent Daten an wen auch immer übermitteln, wir selbst, die wir andauernd twittern oder facebooken, regen uns auf, dass wir zweimal im Jahr (zu unserem eigenen Vorteil) einen Führerschein abpiepsen sollen? Lächerlich.
Ach ja, und wenn wir ein Auto mieten, legen wir wie selbstverständlich den Führerschein vor (auch dem vertrauenserweckenden Menschen vom Billigvermieter auf Malle), denn: kein Führerschein, kein Auto.
Machen wir uns das Leben nicht so schwer: Lasst uns regelmäßig den Führerschein piepsen und gut ist‘s! | Stephan Wagner