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Fiktive Abrechnung im Kaskofall

31.12.2015 06:00 Uhr

Wer erstattet die Reparaturkosten bei einem selbstverursachten Schaden und vor allem in welcher Höhe? Knackpunkt sind hier primär die Lohnkosten der Werkstätten.

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_ In fremdverschuldeten Verkehrsunfällen beschäftigt sich der Bundesgerichtshof bereits seit Jahren immer wieder mit der Frage der "erforderlichen Reparaturkosten" gemäß § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Angefangen hat es im Jahre 2003 mit dem sogenannten Porsche-Urteil (Aktenzeichen VI ZR 398/02), wonach bei fiktiver Abrechnung der Geschädigte die Kosten für eine markengebundene Fachwerkstatt zugrunde legen darf.

Diese Grundsätze wandelten sich im Laufe der Jahre bis hin zu der aktuellen Rechtsprechung, wonach ein Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit dann möglich ist, wenn der Schädiger nachweist, dass es sich "um eine mühelos und ohne Weiteres zugängliche andere markengebundene oder freie Werkstatt handelt und eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der Vertragswerkstatt unzumutbar machen."

Dies bedeutet, dass nunmehr nicht mehr zwangsläufig immer die Lohnkosten markengebundener Werkstätten bei fiktiver Abrechnung erstattet werden.

Vertraglicher Schadensersatz

Anders ist die Rechtslage bei Verkehrsunfällen, in denen es keinen Schädiger gibt, gegenüber dem man gesetzliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Hier greifen Fuhrparks zumeist auf die abgeschlossene Vollkaskoversicherung zurück. Dies bedeutet, dass man vertragliche Ansprüche gegenüber seinem eigenen Versicherer geltend macht.

Hier hat der versicherungsrechtliche Senat des Bundesgerichtshofes nunmehr zu entscheiden gehabt, welche Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung gegenüber dem Kaskoversicherer zugrunde zu legen sind (Urteil vom 11.11.2015, Aktenzeichen IV ZR 426/14).

Die zu entscheidenden Versicherungsbedingungen in A.2.7.1 lauteten auszugsweise:

"Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:

a) Wird das Fahrzeug vollständig und fachgerecht repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b. b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.6."

Hintergrund war die Klage eines Mercedes-Fahrers, der mit seinem vier Jahre alten Fahrzeug einen Unfall mit einem Lkw selbst verschuldet hatte. Er wollte die Schäden nicht reparieren lassen, aber von seinem Kaskoversicherer die fiktiven Reparaturkosten ersetzt bekommen, die laut Gutachten bei einer autorisierten Mercedes-Werkstatt mit 9.400 Euro zu Buche geschlagen hätten. Die grundsätzliche Einstandspflicht der Versicherung stand zwar außer Frage - und doch zahlte der Versicherer 3.000 Euro weniger als beantragt.

Das Unternehmen berief sich auf ein eigenes Gutachten. Das berechnete die Kosten der Reparatur bei einer ungebundenen Fachwerkstatt. Diese hatte geringere Lohnkosten.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung unter bestimmten Voraussetzungen die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, ersatzfähig sind und der Versicherungsnehmer sich von seinem Versicherer nicht auf die niedrigeren Kosten einer "freien" Werkstatt verweisen lassen muss. Damit wurden erstmals faktisch Grundsätze aus dem gesetzlichen Schadensersatzrecht auf Vertragsrecht übertragen.

Zwar betont der Gerichtshof, "dass in der Kaskoversicherung allein die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgeblich sind und deshalb die für den Schadensersatz - also insbesondere für die Ersatzpflicht des Unfallgegners - geltenden Regelungen nicht angewandt werden können. Er hat aber weiter entschieden, dass die Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt auch nach der maßgeblichen Auslegung derVersicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, abhängig von den Umständen des jeweiligen Falles, als "erforderliche" Kosten im Sinne der Klausel anzusehen sein können.

Danach kann der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen dann ersetzt verlangen, wenn nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist, im Regelfall aber auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist vom Versicherungsnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen (Pressemitteilung vom 11.11.2015, Nr. 187/2015).

Ausblick

Jedoch wird man demzufolge nunmehr auch in Kaskoschäden bei fiktiver Abrechnung in die Problematik des Werkstattverweises kommen. Denn auch bei der Abrechnung über den Kaskoversicherer müssen nur die erforderlichen Reparaturkosten als Versicherungsleistung erstattet werden. Nun wird in Zukunft auch hier öfters mit Prüfberichten zu rechnen sein, die auf günstigere Werkstätten verweisen und daher nur deren Reparaturkosten der Abrechnung zugrunde legen. Dies voraussichtlich jedoch nur - wie im Haftpflichtrecht - bei Fahrzeugen, die zum Unfallzeitpunkt älter als drei Jahre sind. Zuvor ist ein Verweis per se unzulässig, das heißt auch bei fiktiver Abrechnung besteht ein Anspruch auf die kalkulierten Stundenverrechnungssätze einer Markenfachwerkstatt. Dies wird gerade im Flottenrecht aufgrund der üblichen Leasingverträge der häufigste Fall sein.

Ebenso ist ein Verweis bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, unzulässig, sofern diese scheckheftgepflegt sind oder regelmäßig in Markenwerkstätten repariert wurden. Aber auch hier gilt: Es handelt sich um reine vertragliche Ansprüche, zunächst sollte der genaue Wortlaut der Versicherungsbedingungen überprüft werden, die dem speziellen Flottenvertrag zugrunde liegen.

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