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Schadenregulierung: Was darf der Gutachter verlangen?

29.03.2016 14:30 Uhr
Frontalschaden am Auto
Umstrittene Schadenposition: Ab einem Reparaturschaden von 750 Euro kann der Geschädigte ein Gutachten einholen. Die Kosten trägt der Unfallgegner.
© Foto: GTÜ

Sachverständigenkosten führen häufig zum Streit zwischen Geschädigtem und der gegnerischen Haftpflicht. Das OLG München hat daher Maßstäbe für die Erstattung einer Begutachtung nach einem Unfall aufgestellt.

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_ Zwar betreffen die festgehaltenen Grundsätze (Beschlüsse vom 12.3.2015 und 14.12.2015, Az.: 10 U 579/15) genau genommen nur den Münchener Zuständigkeitsbereich. Derart grundlegende Feststellungen werden jedoch auch Eingang in die Entscheidungsfindung anderer Gerichtsbezirke finden. Im Zuständigkeitsbereich des OLG München gelten fortan folgende Grundsätze:

- Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist.

- Es ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Es kommt darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte.

Diese subjektive Schadenbetrachtung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn die Auswahl des Sachverständigen nicht durch den Geschädigten allein, sondern nach Vermittlung einer Werkstatt oder eines Rechtsanwalts erfolgt. Bei einem solchen "Schadenservice aus einer Hand" ist auf die professionelle Erkenntnismöglichkeit der Handelnden abzustellen, sodass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass kein Sachverständiger ausgesucht wird, der höhere als die branchenüblichen Gebührensätze verlangt.

- Ab einem Reparaturschaden von 750 Euro (Bagatellschadengrenze) kann vom Geschädigten ein Gutachten eingeholt werden. Die Kosten dafür muss die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung ersetzen.

- Ist die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich, darf sich der Geschädigte damit begnügen, den für ihn in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren zu beauftragen. Eine vorherige Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen ist nicht erforderlich; Kostenvoranschläge und Preisvergleiche erübrigen sich.

- Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten nach den oben genannten Grundsätzen erkennbar über den üblichen Preisen, dann fehlt es an der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB.

Diese Aussage ist jedoch umstritten. Gibt es schon für den Experten keine verlässlichen Größenordnungen, ist für einen Geschädigten in der Regel nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze "die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen". Allein deshalb wird die vom Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen in aller Regel auch zu erstatten sein. Hier wirkt sich die bislang fehlende Gebührenordnung für den Laien günstig aus.

- Die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Kosten trifft den Geschädigten (§ 249 Abs. 2 BGB).Der Sachverständige ist im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gegenüber seinem Auftraggeber, also dem Geschädigten, aus dem Auftrag heraus verpflichtet, spätestens in der Sachverständigenkostenrechnung schriftlich darauf hinzuweisen, wenn er über den üblichen Sätzen liegt und deshalb für den Auftraggeber die Gefahr besteht, dass die gegnerische Versicherung den übersteigenden Betrag nicht bezahlt.

Damit dürfte auch klargestellt sein, dass der Sachverständige bei etwaigen Streitigkeiten über die Vergütungshöhe nicht, wie bisher leider sehr oft festzustellen ist, die weitere Begutachtung bis zur Klärung aussetzt. Derart verfahrensverzögerndes Verhalten sollte von den übrigen Beteiligten eines Rechtsstreites nicht toleriert werden. Mit dieser Problematik hatte sich unter anderem auch der Arbeitskreis IV des diesjährigen Verkehrsgerichtstages, "Die Beschleunigung des Verkehrszivilprozesses", befasst. Das vorhandene Instrumentarium der Zivilprozessordnung verfügt über ausreichende Druckmittel gegenüber dem Sachverständigen und sollte konsequenter genutzt werden.

- Ist eine inhaltliche Stellungnahme des Sachverständigen (etwa aufgrund einer Kürzung) abzugeben, kann der Sachverständige dafür pauschal 50 Euro abrechnen.

- Werden Honorarverhandlungen vor dem Abschluss des Gutachtenauftrags geführt, sollte der Hinweis auf erhöhte Gebührensätze bereits zu diesem Zeitpunkt schriftlich erfolgen, damit dies später im Streitfall nachgewiesen werden kann. Eine Unterbrechung der Begutachtung ist dann nicht erforderlich.

Bei der tatrichterlichen Feststellung des erforderlichen Honorars ist von tragfähigen Anknüpfungspunkten im Sinne des § 287 Abs. 1 ZPO auszugehen, und dies bedeutet "unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung" des Gerichts.

Schutz vor Benachteiligungen

Aber auch der Sachverständige muss vor Benachteiligungen geschützt werden. Seine Rechnung kann nur dann beanstandet werden, wenn der Gesamtbetrag der Honorarrechnung über der Summe der vom OLG München zugrunde gelegten Berechnungsmöglichkeiten liegt.

Bei einem Standardgutachten wird für die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO die übliche Vergütung aus der Honorarbefragung 2015 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) herangezogen.

Kostensätze

Das Grundhonorar (ohne Mehrwertsteuer) bemisst sich nach dem BVSK-2015-HB-V-Korridor der Befragung, wobei grundsätzlich der untere Betrag des Korridors anzusetzen ist.

Ist der Sachverständige öffentlich bestellt und vereidigt, erhält er einen 50-prozentigen Zuschlag der Differenz zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Korridorwert.

Für die Entlohnung von Spezialgutachten kommen Stundenverrechnungssätze von 150 bis 200 Euro (zuzüglich Nebenkosten) in Betracht.

Beispiele für Nebenkosten gemäß BVSK 2015:

- Fahrtkosten bis 0,70 Euro/km

- Fotokosten bis 2,00 Euro/Lichtbild respektive 0,50 Euro/Lichtbild des zweiten Fotosatzes

- Porto/Telefon pauschal 15 Euro

- Schreibkosten bis 1,80 Euro/Seite beziehungsweise 0,50 Euro/Kopie.

Weitere Nebenkosten für Fahrtzeit, Datenbanken oder Ausdruck sind nicht erstattungsfähig, da sie nach der BVSK-Umfrage nicht üblich und gegebenenfalls bereits im Grundhonorar enthalten sind.

Ausnahmen

Zu dem zuvor Gesagten gibt es selbstverständlich Ausnahmen. Die BVSK-Umfrage 2015 wird beispielsweise dann nicht herangezogen, wenn (meistens vom Unfallgegner beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherer) dargelegt wird, dass sie die Abrechnungspraxis im Bezirk des beauftragten Sachverständigen nicht zutreffend wiedergibt. Das OLG München verlangt hierzu einen detaillierten Vortrag mit Bezugsfällen, die aufzeigen, dass mindestens zehn Prozent der Schadengutachter des betreffenden Bezirks über eine Dauer von mindestens sechs Monaten von den Vorgaben der BVSK abweichen.

Es bleibt abschließend noch festzuhalten: Hinsichtlich des Grundhonorars des Sachverständigen kann ein in Relation zur Schadenhöhe berechnetes Honorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB verlangt werden. Die Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands allein kann bei der Schätzung des Schadens nicht herangezogen werden, um das Honorar des privaten Sachverständigen zu kürzen. Es ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Honorar, das sich im Bereich des BVSK-Honorarkorridors befindet, als branchenüblich angesehen wird.

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