Der Kia Soul EV ist kein SUV, kein Kombi, kein Cross-Over, kein... Er ist der Kia Soul und besitzt seine ganz eigene Seele, die er auch nach außen krempelt. Das "quadratische" 4,20-Meter-Gefährt ist ein besonderes Automobil, nicht nur, weil er (in Europa) zum reinen Elektroauto mutierte. Das machen Skoda und Seat mit ihren Kleinstwagen Citigo und Mii mittlerweile ebenso.
Aber der Soul lässt sich einfach nicht kategorisieren. Die schmalen Voll-LED-Scheinwerfer, die mäßig gutes Licht abgeben und die mittels verbindender Chromleiste tagsüber wie ein Leuchtband wirken, sowie die interessante Heckleuchtengestaltung muss man mögen. Ebenso stechen die 17 Zoll großen Alufelgen hervor, die mit einer besonderen Struktur auf sich aufmerksam machen und mit dem gelungenen Fahrwerk harmonieren.
Künstliche Geräuschkulisse
Innen geht es hemdsärmeliger zu. Die Materialauswahl passt zum Segment, die Verarbeitung hinterlässt einen soliden Eindruck. Die Sitze bieten nur rudimentäre Möglichkeiten, an die eigenen Bedürfnisse angepasst zu werden - eine Beifahrersitzhöhenverstellung gibt es nicht und so thront dieser recht weit oben. Dafür ist das Platzangebot vorn wie hinten in alle Richtungen auch für lange Menschen gut. Anders als die aufschwingende Heckklappe, da stoßen Lange schon mal dagegen.
Recht gut gelungen ist die Bedienung. Grundfunktionen inklusive Assistenzsysteme sind schnell verstanden - wenngleich nicht alle Funktionen, wie die automatische Türverriegelung beim Anfahren, während des zweiwöchigen Testzeitraums gefunden wurden. Gut dafür, dass wichtige Systeme via Knopf (de-)aktivierbar sind. So beispielsweise der virtuelle Motorsound VESS (Virtual Engine Sound System), auch AVAS (Acoustic Vehicle Alerting Systems) genannt, der bei neu homologierten Elektrofahrzeugen seit Mitte 2019 zum "guten Ton" gehört, aktuell aber noch mittels Schalter auf stumm geschaltet werden kann. Denn das lautlose Durch-die-Stadt-Summen ist eine Paradedisziplin von Elektroautos. Wer jetzt schreit, dass Begleitmusik beispielsweise für Blinde sinnvoll ist, muss wissen, dass es bei PHEV (Plug-in-Hybrid) oder Hybridfahrzeugen, die ebenfalls elektrisch und damit lautlos (an-)fahren können, diese Regelungen nicht gibt. Sinnvoll? Eher nein.
Sinnvoll ist eigentlich das ausklappbare Head-up-Display. Da es an die Topausstattung Spirit gebunden ist, tendieren wir zum Verzicht und sparen mit der Ausstattungslinie "Vision" 1.500 Euro (inklusive der bei E-Autos so wichtigen Lenkrad- und Sitzheizung) und verzichten aber auch auf vordere Parkpiepser, Spurwechsel- und Querverkehrwarner sowie das Induktivladen eines Handys.
64-kWh-Akku kostet wenig mehr
Den Kia e-Soul Vision mit der großen 64-kWh-Batterie gibt es ab 34.782 Euro. Er kostet damit gut 3.000 Euro mehr als der kleine Bruder mit seiner 39-kWh-Batterie. Die 3.000 Euro bedeuten jedoch eine theoretische Reichweitenverlängerung von 176 Kilometern - ein fairer Aufpreis. 276 Kilometer sind mit kleinem Akku laut Kia zu schaffen, 452 mit dem großen. Dass das nur Theoriewerte sind, ist bekannt.
Weniger bekannt dürfte sein, dass man bei Primärbewegung im Stadtverkehr und Elektroauto angepasster Fahrweise auch mehr schafft. Kia vermeldet als Stromverbrauch für 100 Kilometer 15,7 kWh im Mix. Wer sich mit dem e-Soul meist im urbanen Umfeld aufhält, kann spielend den Verbrauch auf 12,5 kWh senken, ohne ein Hindernis zu sein - und damit die Reichweite innerstädtisch auf rund 500 Kilometer erweitern. Hilfreich ist dabei die nahezu perfekte Rekuperationsfähigkeit, die via linkem Schaltpaddle vom Fahrer in vier Stufen beeinflusst werden kann. Im Grunde hat es - wie bei allen Autos - die am Steuer sitzende Person in der Hand, wie weit der Wagen rollt. Daher sind Elektro-Fahrtrainings eine gute Möglichkeit, das Optimum aus Pilot und Stromer herauszuholen.
Heizung ist die Stromreserve
Ebenso muss die Ladeinfrastruktur zu Hause und im Büro passen. Dann ist der Typ-2-Stecker (263 Euro extra) der beste Freund des Stromers. Denn das Laden einer (in Realität) so gut wie nie leeren Batterie dauert mit diesem Typ-2-Stecker an der Wallbox oder innerstädtischen Ladesäulen etwa zehn Stunden (maximal schafft der e-Soul damit 7,4 kW). Über Nacht oder im Büro ist somit eine leere Batterie wieder gefüllt. Mit dem Haushaltsstecker (Schuko) werden etwa 30 Stunden fällig, unterwegs hilft der CCS-Schnellladeanschluss. Denn hier verträgt der e-Soul 100 kW Maximalleistung. Die sind zwar auch an Autobahnen noch die Ausnahme, aber die üblichen 50 kW an den CCS-Schnellladern bringen in gut einer Stunde einen fast leeren Akku wieder auf mehr als 80 Prozent. Dass dieses Vergnügen durchaus auf die Lebensdauer der Batteriezellen geht und auch beim Tanken selbst teuer sein kann, liegt in der Natur der Dinge ... Pardon: der Konzerne. Geld wollen auch die Stromsäulenhinsteller verdienen. Daher ist das Laden zuhause und im Büro die kostengünstigste und sinnvollste Variante, sofern Grünstrom fließt.
Nicht eingerechnet sind bei unseren Angaben übrigens stets die Ladeverluste, die je nach Lademöglichkeit und Außentemperatur auch mehr als zehn Prozent bei einer Komplettladung ausmachen können. Und beim Fahren sind Heizung sowie Klimaanlage die größten Stromfresser und kosten unter Umständen auch mal 70 Kilometer. Wer jedoch stets mit eingeschaltetem Klimatisierer fährt, hat am vermeintlichen Reichweitenende noch die Möglichkeit, die "Klima-Off-Taste" zu drücken und freut sich über den virtuellen Reservetank - schwitzend oder frierend, aber das Ziel erreichend.
Von Autoflotte getestet
+GeräumigSpurtstarkSehr gute Reichweite möglich-Teuer für einen kompakten KleinwagenExtras an Ausstattungslinien gebundenAufpreisgestaltung
Kia e-Soul 64 kWh Spirit
Preis: 36.294 EuroPermanent-Synchronmotor | 150 kW/ 204 PS | 395 Nm | 7,9 s | 167 km/h WLTP 15,7 kWh | 0 g/km | Batteriekapazität 64 kWh | Reichweite: 452 kmEffizienzklasse: A+ 4.195 x 1.800 x 1.605 | 315 - 1.339 lKH: 18 | TK: 19 | VK: 22Wartung: 1 Jahr/15.000 KilometerGarantie: 7 Jahre/150.000 km (auch auf die Batterie)