Aufgepasst im Kreisel!
Haftung | Der Kreisverkehr erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Damit nehmen leider auch die Unfälle zu. Die gesetzlichen Regelungen.
— Da früher Kreisverkehre häufig in Ampelkreuzungen umgebaut wurden, gerieten sie zunehmend in Vergessenheit.
Seit Neuestem gibt es einen regelrechten Aufschwung von Kreisverkehren – an vielen Verkehrsknotenpunkten werden sie wieder vermehrt gebaut. Denn die Anzahl der Konfliktpunkte ist in einem Kreisel weitaus geringer als an einer gewöhnlichen Kreuzung. Einerseits ist durch den flüssigen Verkehr die Durchlassgeschwindigkeit höher als bei Ampelkreuzungen, andererseits ist die Eigengeschwindigkeit der Fahrzeuge geringer, sodass dies auch die Folgen bei Unfällen sind.
Gerade viel frequentierte Kreisverkehre sind aber besonders unfallträchtig, da oftmals kleine Lücken zum Einfahren risikoreich genutzt werden. Umso wichtiger ist es, die rechtlichen Hintergründe, Vorfahrtsregelungen und Haftungsquoten zu kennen.
Gesetzliche Regelung | Die meisten kennen noch die „alte“ Kreisverkehrsregelung. Während bis zum Jahr 2000 der in den Kreisverkehr Einfahrende vorfahrtsberechtigt war, hat seit 11.12.2000 gemäß dem damals neu eingeführten § 9a StVO der im Kreisverkehr befindliche Fahrer Vorfahrt. Dieser galt und gilt für alle Fälle des Kreisverkehrs, an deren Einmündung die Kombination der Verkehrszeichen Z 215 (Kreisverkehr) und Z 205 (Vorfahrt gewähren!) angebracht waren. Fehlten die Zeichen, so galten die allgemeinen Verkehrsregeln (rechts vor links).
Nachdem der § 9a StVO wiederum am 05.09.2009 aufgehoben wurde, hat man die Regelung modifiziert und in den § 8 Abs. 1a StVO eingegliedert, welcher folgendes besagt: „Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.“
Dies bedeutet, dass das Kreisverkehr-Zeichen alleine keine Vorfahrt gewährt, sondern nur dann, wenn zusätzlich das „Vorfahrt gewähren!“-Schild montiert ist.
Anscheinsbeweis | Bei typischen Geschehensverläufen im Straßenverkehr kommt der Anscheinsbeweis („Wer auffährt, ist schuld“) zum Tragen. Zum fehlenden Anscheinsbeweis hat das LG Bielefeld (Urteil vom 20.06.2007, Az. 21 S 57/07) einen Fall entschieden, bei dem der Kläger bereits eine gewisse Wegstrecke in einem Kreisverkehr zurückgelegt, dann verkehrsbedingt angehalten hat und ihm vier bis fünf Sekunden später der Beklagte auffuhr. Hier spricht ein Beweis des ersten Anscheins weder für einen klassischen Auffahrunfall durch den Beklagten noch für eine Vorfahrtsverletzung des Klägers bei Einfahrt in den Kreisverkehr. Nach Ansicht des Gerichtes „mangelt es an einer Typizität des Geschehensablaufs“.
Auch das LG Detmold (Urteil vom 22.12.2004, Az. 2 S 110/094) hat entschieden, dass es bei Kollisionen im Kreisverkehr, in denen streitig ist, wer zuerst hineingefahren ist, keinen Anscheinsbeweis für einen der beteiligten Fahrzeugführer gibt.
Rechtsfahrgebot | Was die wenigsten wissen: Auch im Kreisverkehr gilt das Rechtsfahrgebot! Hält sich ein Fahrer beim Durchfahren eines solchen nicht daran, haftet er nach Ansicht des AG Krefeld (Urteil vom 01.07.2011, Az. 3 C 457/09) im Falle eines Zusammenstoßes mit einem anderen Fahrzeug alleine für den Schaden. Das Rechtsfahrgebot gilt auch im einspurigen Kreisverkehr (OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2003, Az. 27 U 87/03); das „Schneiden“ der Kreisbahn durch Ausnutzung der Fahrbahn bis zum äußersten linken Rand ist daher regelmäßig unzulässig.
Einfahren | Erkennt ein Pkw-Fahrer unmittelbar, bevor er in einen Kreisverkehr einfährt, dass ein weiteres Fahrzeug gleichzeitig einzufahren beabsichtigt, muss er seine Fahrweise anpassen. Stellt er sich nicht angemessen durch Herabsetzung seiner Geschwindigkeit und Reaktionsbereitschaft darauf ein, trifft ihn das Alleinverschulden an der Kollision (OLG Koblenz, Urteil vom 29.11.2010, Az. 12 U 1275/09).
Kommt es nämlich infolge der zu hohen Geschwindigkeit oder wegen einer unzureichenden Vermeidungsreaktion zum Unfall, tritt die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeuges vollständig zurück. Laut einem aktuellen Urteil des AG Hamburg-Barmbek vom 06.12.2011 (Az. 813b C 256/11) trifft den in den Kreisverkehr Einfahrenden die volle Haftung, wenn es in der Nähe der Einfahrt zu einer Kollision kommt. | Inka Pichler