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Darf's auch ein bisschen länger sein?

01.06.2017 06:00 Uhr
Darf's auch ein bisschen länger sein?

Liegt die reelle Reparaturdauer deutlich über der im Gutachten geschätzten, muss der Geschädigte dies lückenlos dokumentieren, damit auch die längere Mietwagenanmietung voll erstattet wird.

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_ Der Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten (alternativ: Nutzungsausfall) nach einem Verkehrsunfall umfasst den Zeitraum für eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung, den Zeitraum für die Einholung eines Gutachtens sowie eine daran anschließende angemessene Überlegungsfrist von drei oder vier Tagen.

Wenn jedoch die Dauer der Inanspruchnahme des Mietwagens in"eklatantem Missverhältnis" zur Prognose des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens steht, hat der Geschädigte näher vorzutragen, weshalb die Reparatur tatsächlich wesentlich länger als veranschlagt gedauert hat. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Jena mit Urteil vom 5.07.2016 (Aktenzeichen 5 U 165/15) entschieden.

Der Fall

Hintergrund war ein Streit über die Dauer der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten. Der Eigentümer eines VW Phaeton hatte einen unverschuldeten Verkehrsunfall und über den eingetretenen Schaden ein Sachverständigengutachten eingeholt. Neben der Kalkulation des Schadens prognostizierte der Gutachter eine voraussichtliche Reparaturdauer von 18 Tagen.

Nach erfolgter Reparatur wollte der Geschädigte, der einen Mietwagen in Anspruch genommen hatte, die Kosten dafür für den Zeitraum von 66 Tagen vom Versicherer erstattet bekommen. Als Nachweis für die lange Mietwagendauer legte er einen Reparaturablaufplan der Werkstatt vor. Dieser wies laut Gericht erhebliche Lücken auf, die letztlich nicht geklärt werden konnten.

Der hinter dem Unfallverursacher stehende Haftpflichtversicherer zahlte von den Mietwagenkosten in Höhe von 7.565,64 Euro nur einen Betrag von 3.264 Euro, sodass der Eigentümer des verunfallten Wagens die Differenz von 4.301,64 Euro gerichtlich einklagte.

Die Entscheidung

Das Ergebnis vorab: Die Klage blieb in beiden Instanzen, sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht, erfolglos. Das Gericht führt aus, dass die vom Gutachter erwartete Reparaturdauer von 18 Tagen in einem so auffälligen Missverhältnis zu den tatsächlich begehrten 66 Tagen steht, dass sich die Klägerin nicht auf die Position zurückziehen kann, dies liege im Verantwortungsbereich der Werkstatt, auf die sie keinen Einfluss habe, mit der Folge, dass sämtliche geltend gemachten Mietwagenkosten erstattungsfähig seien.

Der Geschädigte müsse sich "bei der Auftragserteilung sowie bei den weiteren Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße, zügige Durchführung der Reparatur von wirtschaftlich vertretbaren, das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens mit berücksichtigenden Erwägungen leiten lassen."

Praxistipp

Die Rechtsprechung ist sich im Schadensersatz einig, dass das Prognoserisiko nicht zu Lasten des Geschädigten gehen darf. Grundsätzlich ist beim Nutzungsausfallschaden und bei den Mietwagenkosten maßgeblich auf die tatsächliche Dauer der Reparatur abzustellen, nicht auf die zuvor womöglich geringer kalkulierte Dauer (LG Aachen, Urteil vom 22.6.2016, Aktenzeichen 7 O 444/15).

Verzögerungen, die etwa durch fehlerhafte Organisation des Reparaturbetriebs, Ausfall von Arbeitskräften, unwirtschaftliche oder fehlerhafte Handhabung der Reparatur entstehen, also dem Einfluss und der Kontrolle des Geschädigten entzogen sind, gehen grundsätzlich nicht zu dessen Lasten, sondern sind vom Schädiger zu erstatten (BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73).

Dies bedeutet aber nicht, dass sich der Geschädigte zurücklehnen und nichts machen kann. Das Urteil zeigt auf, dass man die Zügel nicht ganz aus der Hand geben darf, sondern bei Ungereimtheiten nachfragen muss. Dies beispielsweise dann, wenn hier die tatsächliche Reparaturdauer deutlich über die zunächst durch den Sachverständigen veranschlagte hinausgeht.

Idealerweise sollte dies dokumentiert werden, damit ein Nachweis existiert. Nur so kann im Anschluss gewährleistet werden, dass dem Geschädigten kein Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit zur Last gelegt werden kann und er nicht auf den Kosten sitzenbleibt.

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