Dickes Pony

03.05.2021 06:00 Uhr

Mustang. Kennen Sie? Nein, nicht das Pferd. Es geht bei uns selbstverständlich ums Auto. Zeigte Ford das erste Pony Car vor 57 Jahren, geht es fortan (auch) elektrisch weiter. Wie viel Wildpferd steckt noch drin?

Wir schreiben das Jahr 1964. Fette Motoren sind angesagt, politisch korrekt und versprechen vor allem eins: Fahrspaß. Zumindest solange es geradeaus geht. Muscle Cars mit dicken V8 gab es seit den 50ern. Die Fangemeinde wuchs stetig und es musste Neues her, um die Konsumlaune der US-Amerikaner am Leben zu halten. So entstand ein neues Automobil-Genre, das Ford mit dem Begriff Pony Car brandmarkte. Der Unterschied zum Muscle Car? Ponys sind graziler, wendiger und günstiger - alles mit US-Sonnenbrille betrachtet. Sechs Generationen des Mustangs gibt es seitdem ununterbrochen und der Mustang ist mehr als ein Modell, weshalb man an ihm auch kein Ford-Logo findet.

Und jetzt kommt Mustang Nummer 7, zusätzlich zur 6. Generation. Und macht alles anders. Idee, Aussehen, Antrieb, Segment. Kann das gut gehen? Mach-E lautet seine Zusatzbezeichnung. Freunden des Mustangs kommt das "Mach" bekannt vor. Seit Ende der 60er Jahre hießen die Performance-Versionen des Mustang "Mach 1" und versprachen bessere Fahrleistungen, ein Fahrwerk-Upgrade und andere feine Details. All das soll der Mach-E bereits ab Werk besitzen. So viel vorweg: Preislich ist auch der Elektro-Mustang ein Mustang. Soll heißen: Die Basis bleibt auf dem Boden - auch wenn bereits ordentlich Power drinsteckt. Die Kraft sieht man dem Mach-E nicht an. Etwas staksig versucht die Silhouette an die mit fließender Dachlinie versehenen Fastback-Versionen vergangener Zeiten zu erinnern. Doch der Mustang Mach-E fühlt sich eher der Gattung SUV hingezogen - wie sollte es anders sein.

So ist der Mustang Mach-E ein durchaus praktisches Automobil, sofern es nicht in enge Gassen und Parkhäuser geht. Die Abmessungen liegen mit 4,71 Metern im Mitteklasse-Segment, was im Innenraum zu spüren ist. Denn trotz gekapptem Dach ist Platz vorhanden. Vorne drückt hingegen die eingezogene Seitenlinie etwas aufs Gemüt. Das Glasdach, das nicht zu öffnen ist, bringt dafür Licht hinein. Knie- und Schulterfreiheit sind erwartungsgemäß großzügig. Die Materialien sind gut gewählt.

Dass irgendwo die vielen Batterien untergebracht werden müssen zeigt die Tatsache, dass es ganz hinten nur 400 Liter Gepäck in den Kofferraum schaffen. Weitere Staufläche gibt es vorn. Und da ist Platz für das Sechs-Meter-Ladekabel für Wallboxen und das fast sieben Meter lange für die 230-Volt-Steckdose - beide serienmäßig. Wenngleich die Ladezeit der entleerten 88-kWh-Batterie an einer Steckdose rund zwei Tage in Anspruch nimmt, ist es eine nette Geste, dieses kostenfrei beizulegen. Wer eine Wallbox hat, kann mit bis zu 11 kW laden. An den CCS-Schnellladern befüllt sich der Mustang Mach-E mit maximal 150 kW. In der Praxis muss der in Mexiko produzierte US-Kölner zeigen, was durchfließt.

Mega-Display

Zurück in den Innenraum, den man mittels Schlüssel, Smartphone und Tastenkombination in der B-Säule öffnen kann. Die Türgriffe außen und innen sind gewöhnungsbedürftig. Wie auch das 15,5-Zoll-Mega- Display, das die Mittelkonsole einnimmt. Bis auf den Lautstärkedrehregler, der auch als "Ein-Aus-Schalter" fungiert, wird getoucht. Die Menütiefe ist dabei beeindruckend - oder beängstigend. So richtig schnell wird man nicht schlau. Macht nichts. Auch wer keine Einstellungen ändert, kann losfahren. Alle nötigen Infos wie km/h, Restreichweite, Akkukapazität in Prozent, Temperatur und Gesamtkilometer sind im 10"-Kombiinstrument ablesbar. Blinker, Scheibenwischer etc. werden so aktiviert wie vermutet. Das Handy lädt kabellos und verbindet sich ebenso mit Apple Carplay. Apropos kabellos:"Over-The-Air"-Updates sollen die Mach-E-Software stets auf neuestem Stand halten. Ach ja: Bei aufkommenden Fragen hilft die Sprachbedienung wirklich oft, auch bei der Zieleingabe ins Navi. Schade, dass die Ladeinfrastruktur nur unzureichend abgebildet wird. Mit wie viel kW geladen werden kann, wird nicht angezeigt - wie beim Mercedes EQA.

Reichweite kann er

Gut, dass nicht allzu häufig geladen werden muss. Mit bis zu 610 Kilometern Reichweite mit großem Akku und Heckantrieb sollte die Angst, zu oft laden zu müssen, verfliegen. Das ist beeindruckend, auch wenn sie beim von uns gefahrenen Topmodell mit 88-kWh-Akku, Allrad, 350 PS und fast 600 Newtonmetern Drehmoment auf 540 Kilometer schrumpft. Ford gibt für 100 Kilometer bedachte Fahrweise einen Stromverbrauch von knapp 19 kWh an. Auf unserer rund 150-Kilometer-Tour bei kühlen Temperaturen mit Autobahn-Anteil beinhaltet und Winterreifen wies der Bordcomputer 22 kWh aus. Das ist ein vielversprechender Wert, der unter Idealbedingungen deutlich unterboten werden kann. Die Effizienz des von Ford selbst entwickelten Elektroantriebs scheint zu stimmen. Klar, wer die Höchstgeschwindigkeit auskostet, steht nach zirka der Hälfte. Doch 180 km/h sind beim E-Auto eher Papiertiger als in Natura relevant.

Tagtäglich relevant ist aber das Fahrwerk, um Kilometer elegant kurz unter der Richtgeschwindigkeit abreißen zu können. Stahl und Öl lautet die Formel für die Feder-Dämpfer-Elemente. Bei der aktuellen Auslegung fühlt sich eine sportliche Gangart am Volant gut an. Der tiefe Schwerpunkt presst die deutlich über zwei Tonnen schwere Fuhre selbst mit M+S-Pneus auf den Asphalt und schleift sanft an der ESP-Grenze, ohne zu irritieren. Bodenwellen werden dafür ungelenk verarbeitet und können durchaus auch auf den Magen schlagen. Zudem kommt nie wahre Ruhe in den Aufbau. Gerade das nachwippende Heck nervt.

Der von uns gefahrene Mach-E Extended Range AWD hat 351 PS. Braucht es die? Sicherlich nicht. Bei 270 PS fängt der Spaß an. So oder so sind Optionen rar. Denn im dicken Pony ist eigentlich alles drin.

Mustang Mach-E AWD Extended Range

Preis: 52.857 Euro (netto)Synchronmotor | 258 kW/351 PS 580 Nm | 180 km/h | 5,8 sVerbrauch (WLTP): 18,7 kWh/100 kmReichweite: 610 kmBatterie: 88 kWh (netto) | 400 Volt 4.713 x 1.881 x 1.624 mm 402 - 1.420 Liter + 81 Liter vornHK: 18 | VK: 25 | TK: 25Wartung: 30.000 km/2 JahreGarantie: 2 Jahre bzw. 8 Jahre/ 160.000 km auf AkkuAlle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer

MEISTGELESEN


STELLENANGEBOTE


KOMMENTARE

SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Autoflotte ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für den Flottenmarkt im deutschsprachigen Raum. Zielgruppe in diesem wachsenden Markt sind die Fuhrpark-Entscheider in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen mit mehr als zehn PKW/Kombi und/oder Transportern. Vorstände, Geschäftsführer, Führungskräfte und weitere Entscheider greifen auf Autoflotte zurück, um Kostensenkungspotenziale auszumachen, intelligente Problemlösungen kennen zu lernen und sich über technische und nichttechnische Innovationen zu informieren.