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Fahrbericht Ineos Grenadier: Fürs Grobe gebaut

17.02.2023 09:30 Uhr | Lesezeit: 5 min
Der Ineos Grenadier ist ein Geländeprofi durch und durch, dem kein Weg zu steil und kaum ein Wasser zu tief ist.
© Foto: Ineos

Aus Frust über das Ende des Urgesteins Land Rover Defender hat ein britischer Chemie-Milliardär kurzerhand seine eigene Autofirma gegründet. Der reinrassige Geländewagen Ineos Grenadier trägt ein ähnliches Blechkleid wie sein Vorbild.

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Bei uns ist der Engländer Jim Ratcliff kaum in die Schlagzeilen. Obwohl er mit geschätzt 16 Milliarden Euro als reichster Mann seines Landes gilt. Den Chef und Gründer des Chemieriesen Ineos kennen vielleicht Fußballfans als Eigentümer der Vereine FC Lausanne (Schweiz) und OGC Nizza (Frankreich), der derzeit auch um Manchester United mitbietet. Zudem wandelt der umtriebige Brexit-Fan auf den Spuren von Tesla-Magnat Elon Musk, schlägt mit seiner eigenen Autofirma aber einen völlig anderen Kurs ein. Der klobige Ineos Grenadier ist ein lupenreiner Geländeprofi, dem kein Weg zu steil und kaum ein Wasser zu tief ist. Zurück aus der Zukunft also, ohne Batterien und E-Motor als Antrieb, dafür ein dicker Sechszylinder unter der markanten Haube.

Die Geschichte liest sich wie eine Mini-Serie von Netflix. Weil er sich Anfang 2016 öffentlich darüber empörte, dass Land Rover seine Gelände-Ikone Defender aufs Altenteil schickte und durch einen SUV mit gleichem Namen ersetzte, beschließt Ratcliffe seinen eigenen Geländewagen zu bauen. Weil diese Idee in einem Londoner Pub namens Grenadier entsteht, wird die Bezeichnung für einen "Fußsoldaten" des 17.Jahrhunderts schnell zum Namen des Riesenbabys erkoren.

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Ineos Grenadier (Fahrbericht)

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Beim ersten Rundgang um den Grenadier wird schnell sichtbar, wie stark der Neuling vom klassischen Ur-Defender inspiriert, zuweilen sogar kopiert wurde. Der kastige Aufbau, die satten Außenmaße, die Heckleiter zum Dach, die kreisrunden Leuchten vorn und hinten und das außen montierte Reserverad an der linken Hälfte der geteilten Hecktür. Um beim Krabbeln über Hindernisse oder durch tiefe Furchen genug Luft nach oben zu lassen, füllen die Räder die mit massivem Kunststoff umrandeten Radhäuser nicht komplett aus, wirken im Stand abseits eines Geländes sogar etwas verloren.

Innen öffnen sich zwei Welten

Um sich hinter das Lenkrad zu schwingen, sollten Arm- und Oberschenkelmuskeln in Form sein. Der Höhenunterschied zwischen Asphalt und Sitzfläche fordert seinen Tribut, der Fahrer zieht sich am Lenkrad hoch, der Beifahrer an einem Griff an der Dachsäule. Im Innenleben angekommen, öffnen sich zwei Welten. Der mittige Monitor beherbergt im Stil der neuen, digitalen Zeit zum Beispiel Tacho, Drehzahl, aber auch das Navi. Als Kontrast dominiert in der Mittelkonsole das Analoge. Pedantisch beschriftete Druck- und Drehschalter hinter den beiden Hebeln. Der rechte ist der von BMW übernommene Wählschalter der Achtgang-Automatik. Links daneben die klassische Bedienung für die Antriebs-Untersetzung. Später im rauen Naturumfeld sollte sich herausstellen, dass viel Übung und Geduld nötig sind, bevor die eisernen Zähne so einrasten wie gewünscht.

Ein weiteres Bedienfeld findet sich wie in einem Flugzeug mittig im Kopfraum. Hier werden zum Beispiel die drei Sperren aktiviert oder per Kippschalter montiertes Zubehör wie Seilwinde oder Zusatzscheinwerfer gesteuert. Das Ambiente ist ansprechend, Ledersitze von Recaro, verchromte Griffe oder das ummantelte Lenkrad sind im optischen Dialog mit dem nüchternen Kunststoff. Hier geht es vor allem darum, am Zielort die unvermeidlichen Spuren der Wildnis zu entfernen. Der Boden verträgt bis zur Unterseite der Sitze den Einsatz eines Wasserschlauchs, ein herausnehmbares Ventil dient dann dem Abfluss.

Eine nostalgische Schlüsseldrehung weckt die sechs bayerischen Zylinder, deren Lebenszeichen ist kräftig, aber nicht aufdringlich. Die Übersicht ist dank üppiger Verglasung und hoher Sitzposition so erhaben, wie man es seit jeher von einem echten Geländewagen erwartet. Im Alltagsbetrieb auf festem Geläuf kommt ein Komfort auf, der dem Vorbild von einst völlig fremd war. Der Grenadier überzeugt zum einen mit einer sorgfältigen Dämmung, aber auch mit Raumgefühl und Sitzqualität. Wenn es dann runter von der Straße auf bergige Pfade, steile Anstiege über lauernde Feldbrocken geht, wechselt der Riese in die Welt der rasant wagemutigen Fahrgeschäfte eines Jahrmarkts. Von nun an gehört der Grenadier zur fast ausgestorbenen Art der echten Profis über Stock und Stein.

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Wie die sündhaft teure G-Klasse von Mercedes oder der Jeep Wrangler meistert der deutsch-österreichische Brite aus Frankreich Pfade, die nur geübte Alpinisten zu Fuß angehen würden. Dank der Sperren, der beiden Starrachsen mit extremer Verschränkung und auch der dosierbaren Motorpower befreit sich der Grenadier aus tiefem Match, beherrscht abenteuerlichen Schräglagen oder kann Gämsen auf ihrem Weg zum Gipfel begleiten. Die Königsdisziplin ist eine Wasserdurchfahrt, bei denen die Räder das Tageslicht verlassen, erlebt in der Morecambe Bay an der Westküste Englands. Natürlich nur bei Ebbe auf dem weichen Sand befahrbar, aber immer wieder unterbrochen von tiefen Furchen zurückgelassenen Wassers und sogar einer Flussquerung. Ein Spektakel für die tief im Sand verborgenen Wattwürmer, für den Grenadier eine leichte Übung, selbst wenn der Februarwind seine Wellen an Front und Türen klatschen lässt.

Unterm Strich vergrößert der Offroader, bei dem nur der Charakter noch typisch englisch ist, die kleine Schar der verbliebenen Raubeine, stemmt sich gegen die Übermacht der SUV-Armee. Die können zwar inzwischen auch „Gelände“, sind aber für echte Abenteuer allein schon wegen der hohen Preise nicht gebaut. Beim Grenadier ist das anders. Auch wenn eine komplett auf Offroad getrimmte Ausgabe über 75.000 Euro kostet, gut 8.000 Euro mehr als die vornehmlich für Nicht-Profis bestimmte Version. Das Basismodell, ein als Nutzfahrzeug geltender Zweisitzer, ist ab 65.890 Euro zu haben.


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