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(Fein-)Staubfänger

17.08.2020 06:00 Uhr

Nicht erst seit "Fridays for Future" und Corona nimmt das Bewusstsein für die Umwelt und das Zusammenspiel zwischen ihr und den Menschen vielerorts zu. Zu den Schlagwörtern in diesem Kontext zählt auch Mikroplastik.

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Wer beim Thema Mikroplastik an angespülte Plastikflaschen am Strand denkt, liegt nicht ganz falsch. Dennoch sind die Partikel natürlich sehr viel kleiner - mikro eben -, deshalb werden diese unter anderem von Fischen über deren Nahrung aufgenommen. Und diese landen auf unserem Tisch und im Magen. Auch auf anderen Wegen nehmen wir ungewollt über Lebensmittel Mikroplastik zu uns. Wer diesen Kreislauf unterbrechen will, beginnt am besten am Anfang.

So geht auch hier, wie bei vielen anderen Umweltproblemen, der Königsweg über die Vermeidung. Sprich, der Eintrag solcher Stoffe in die Natur sollte so gering wie möglich sein. Genau dies hat sich unter anderem Continental auf die Fahnen geschrieben, was unter anderem mit der Reifensparte zusammenhängt. Denn wie Daniel Venghaus berichtet, stellt der Reifenabrieb eine der größten Quellen von Mikroplastik dar: "Wenn man genau hinschaut, wo Mikroplastik entsteht, wird einem die zentrale Bedeutung des Reifenabriebs bewusst". Dieser gilt nicht nur für den Forscher aus Berlin als größter Emittent (siehe Fraunhofer Studie Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik, Juni 2018). Venghaus ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft und arbeitet am Institut für Bauingenieurwesen an der TU Berlin. An der Berliner Uni laufen die Fäden eines Projektes mit dem vielsagenden Namen "RAU - Reifenabrieb in der Umwelt" zusammen.

Projekt-Partner Continental

Continental zählt zu den Projekt-Partnern der praxisorientierten Forschung in einer scheinbaren Terra incognita. Denn die bisherige Erkenntnislage über die Wege, welche die Reifenreste wirklich nehmen, ist recht unergiebig. Also wird geforscht. Und zwar nach sogenannten Reifen- und Straßenabriebpartikeln. So sperrig das Wort, so schwierig ist auch der Zugang zu jenen Teilchen, die sich eben aus jenem Abrieb der Reifengummimischung ergeben, welche sich auf der Straße mit dem Belag verbinden. Diese werden zusammen mit anderen Stoffen vom Regen oder Wind erfasst und landen im urbanen Gebiet meist in der Kanalisation oder in den Randlagen in einem Gewässer.

Am Anfang der Forschung steht ein Wert: 110.000 Tonnen Gummiabrieb gibt es pro Jahr in Deutschland - in der Theorie. Denn dies ist die Summe aus der Zahl der verkauften Pneus und dem typischen Abrieb derselbigen. Nun ist nicht jede Straße gleichmäßig von Abrieb belegt. Wo sich also besonders viele Pneus abreiben, soll nun die RAU-Praxisstudie klären helfen. Die Faktoren, welche für den Abrieb sorgen, sind vielfältig. Der Reifen mit seinem speziellen Profil und seiner Gummimischung (jeweils für Winter-, Sommer- oder Ganzjahresreifen abgestimmt) ist der Protagonist, der Straßenbelag, der mal Bitumen, mal Kopfsteinpflaster oder Asphalt sein kann, agiert als Antagonist. Und die Stadt ist das vorrangige Biotop, in dem diese Welten aufeinandertreffen. Hier kann man am effektivsten gegensteuern, indem man für weniger abriebintensive Situationen sorgt. Was Verkehrsführung und bauliche Maßnahmen bewirken können, sieht man anhand der Feinstaub- und CO2-Debatten in den hochbelasteten Städten, die agiert haben und teils Besserung erfuhren. Ähnlich wie bei der Dieseldiskussion (Stichwort: Stuttgarter Neckartor) gibt es auch beim Abrieb Hot-Spots.

Verschiedene Messmethoden

Zehn von diesen hat das Team um Venghaus in Berlin ausgemacht - unter anderem jeweils eine Ampel, eine Kurve, einen Kreisverkehr, einen Parkplatz, eine Steigung etc. Einer der potenziellen Hot-Spots ist ein Zubringer zur Avus, denn Geschwindigkeit ist bekanntlich kein Freund des Reifengummis. Der Abrieb wird auf zwei Wege gesammelt. Zum einen fangen spezielle Probenahmekörbe in den Gullis die Feststoffe aus dem Straßenabflusswasser auf, um später die Masse an abgespültem Reifenabrieb bestimmen zu können

Die zweite Methode ist das systematische Straßenkehren. Dazu wird ein Straßenabschnitt gereinigt. Im Anschluss werden die Fahrzeuge, die diesen Abschnitt in einem gewissen Zeitpunkt passieren, gezählt. Am Ende wird wieder gefegt und der Abrieb wird mit den übrigen Resten auf der Straße aufgesammelt und später wieder bestimmt. So dass am Ende ein genauer Wert für den Abrieb an einer bestimmten Stelle für eine bestimmte Zeit steht. Wie man diese singulären Befunde auf eine ganze Straße oder Stadt skalieren kann, ist der noch offene Teil des bis Ende Juli dieses Jahres laufenden Projektes.

Ein paar Erkenntnisse, die jeden einzelnen Fahrer betreffen, gibt es allerdings schon heute, wie Susanne Buchholz erklärt, die seitens des niedersächsischen Automobil-Zulieferers in das RAU-Projekt involviert ist. "Das Fahrverhalten ist ein wesentlicher Faktor beim Abrieb", berichtet Buchholz, die in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Continental eine Schnittstellenfunktion zu den Umweltthemen wahrnimmt und damit auch im RAU-Projekt involviert ist. Davon abgeleitet kommt hier einer Maßnahme eine wichtige Rolle zu, die man auch beim Eco- oder Sicherheitstraining kennt: das Spritspartraining.

Spritspartraining hilft mehrfach

Jedes Haften des schwarzen Pneus auf der Straße sorgt für Kontakt und damit für gewollte Reibung. Wer aber weniger bremst oder beschleunigt, sondern den Schwung der einmal investierten Energie ausnutzt, spart neben Kraftstoff auch Reifengummi ein. In diesem Kontext verweist Buchholz auch auf den Zusammenhang, dass zu geringer Reifendruck den Abrieb fördert. Diese Erkenntnis schaffte es in zwei Varianten in den Pool der Führerscheinfragen, was schon Fahranfänger für das Zusammenspiel von Reifendruckkontrolle, Abrieb und Umweltbelastung sensibilisieren soll.

Externe Hilfe anderer Art kann auch die Straßenreinigung leisten, wie Venghaus beschreibt: "Man könnte zum Beispiel die Straßenreinigung künftig so planen, dass, bevor es regnet, diese ausrückt und die Straßenverunreinigung samt Abrieb aufkehrt. So kann dieser gar nicht erst mit dem Regenwasser in die Kanalisation gelangen". Fließt das Regenwasser mit den Partikeln dann doch in den Gulli, könnten spezielle Filter den Abrieb abfangen. Auch wären mehr "grüne Wellen" in der Stadt ein Mittel, das laut dem Forscher neben dem Verkehrsfluss auch die Abriebthematik positiv beeinflussen würde. "Am Ende ist es ein Zusammenspiel vieler, das zum Lösen dieses Problems führt. So wäre es wichtig, dass man die Erkenntnisse und abgeleiteten Maßnahmen durch intelligente Vernetzung umgesetzt bekommt", appelliert Venghaus im Grunde an jeden einzelnen Autofahrer.

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