Haftung stark begrenzt
Wegweisende Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu den Möglichkeiten und Grenzen, einen Mitarbeiter an den Aufwendungen für selbst verschuldete Unfälle mit dem Dienstwagen zu beteiligen.
Welche Chancen hat ein Unternehmen, den Fahrer eines Dienstwagens bei selbst verschuldeten Unfällen in Regress zu nehmen? Lassen sich hier auch Beteiligungen vertraglich regeln? Frank O. Hamann, Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht der Kanzlei F.E.L.S. in Nürnberg, hat die engen Grenzen ausführlich erläutert (Interview „Ruhig Blut bewahren“, S. 86 ff.) und dabei auf zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) verwiesen.
Eines dieser zentralen Urteile mit dem Aktenzeichen GS 1/89 (A) legt die Grundsätze einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung für alle Arbeiten fest, die durch den Betrieb veranlasst und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses getätigt werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind. Diese Haftungsprivilegierung folgt wiederum dem Prinzip einer Dreiteilung (siehe Interview) und lässt sich laut Hamann auf alle dienstlichen Fahrten eines Mitarbeiters übertragen.
Daneben hat das BAG gut zehn Jahre später geurteilt, dass auch Vereinbarungen zur Arbeitnehmerhaftung bei Unfallschäden im Arbeitsvertrag nicht wirksam sind, die eine Selbstbeteiligung für fahrlässig verschuldete Unfälle fixieren.
Im konkreten Urteil vom 5. Februar 2004 (AZ: 8 AZR 91/03) hat das BAG einer Zahlungspflicht des Arbeitnehmers eine Absage erteilt, obwohl eine Selbstbeteiligung (SB) in der Vollkasko bei selbst verschuldeten Unfällen laut Klausel im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber vorgesehen war. Die Begründung der Richter: Auf die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung könne nicht durch eine Vereinbarung verzichtet werden. ASc
Unfallkosten als geldwerter Vorteil
BFH-Entscheidung: Verzichtet der Arbeitgeber auf Schadensersatz bei Unfallkosten, entsteht ein zusätzlicher geldwerter Vorteil, der durch die Ein-Prozent-Regelung steuerlich nicht erfasst und abgegolten ist.
Wird einem Arbeitnehmer (AN) vom Arbeitgeber (AG) ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung überlassen und versteuert der AN diese nach der Ein-Prozent-Regelung, ist ein Vermögensvorteil damit nicht abgegolten, der aus einem Verzicht des AG auf Schadensersatz gegenüber dem AN nach einem Schaden entsteht, der während einer beruflichen Fahrt alkoholbedingt entstanden ist. So lautet eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Mai 2007 (AZ: VI R 73/05).
Der BFH hält im Zuge dessen auch fest, dass solche Unfallkosten von der Ein-Prozent-Regelung grundsätzlich nicht erfasst werden und bei Verzicht des Arbeitgebers auf Schadensersatz einen zusätzlichen geldwerten Vorteil darstellen. Dieser führe aber nur dann zu einer Steuererhöhung für den AN, wenn und soweit die Begleichung der Schadensersatzforderung nicht ihrerseits zum Werbungskostenabzug des AN in seiner Steuererklärung berechtigt. Dies war im Streitfall zweifelhaft und hat deshalb zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Finanzgericht geführt. Denn ein Werbungskostenabzug ist laut BFH ausgeschlossen, wenn das auslösende Moment für den Verkehrsunfall eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des AN gewesen ist. ASc
Frei von Versicherungssteuer
Trägt ein Versicherungsnehmer in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung aufgrund einer mit dem Versicherer getroffenen Vereinbarung Schadenzahlungen und Regulierungskosten selbst, ist dafür keine Versicherungssteuer zu zahlen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich unlängst mit einem Fall beschäftigt, indem es um Selbstbehalt (SB) in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung (KH) gegangen ist. Dabei hat die versicherungssteuerrechtliche Handhabung und Bewertung der SB im Fokus gestanden. Gegenstand sind Schadenzahlungen und Regulierungskosten gewesen, welche ein Versicherungsnehmer in der KH entsprechend einer Vereinbarung mit seinem Versicherer selbst getragen hat. Nach der Entscheidung des höchsten Finanzgerichts sind diese Aufwendungen kein Versicherungsentgelt und unterliegen damit nicht der Versicherungssteuer (AZ: II R 44/07).
Vereinbarungen zur SB in KH
Im zu verhandelnden Fall hat ein Kfz-Vermietunternehmen als VN mit seiner Versicherungsgesellschaft eine Rahmenvereinbarung über die KH für zirka 5.000 Fahrzeuge geschlossen und diese zu Jahresstückprämien von 285 Euro zuzüglich Versicherungssteuer in der KH versichert. Die Deckungssumme in der KH hat demnach 50 Millionen Euro pauschal für Sach-, Vermögens- und Personenschäden sowie höchstens acht Millionen Euro je geschädigte Person betragen.
Laut Fallbeschreibung haben Sach- und sonstige Vermögensschäden jedoch nur zum Versicherungsumfang gehört, soweit diese je Versicherungsfall 100.000 Euro überstiegen haben. Gegenüber Dritten ist der VG bei direkter Inanspruchnahme jedoch weiterhin voll einstandspflichtig gewesen und im Innenverhältnis hat hier eine Einstandspflicht gegenüber dem VN nicht bestanden. Nach der Anlage in der Rahmenvereinbarung hat der VN vielmehr die geltend gemachten Sach- und Vermögensschäden einschließlich der Nebenforderungen bis 100.000 Euro pro Versicherungsfall eigenverantwortlich regulieren sollen. Hat dennoch der VG reguliert, hat der VN den entsprechenden Aufwand bis zum vereinbarten Maximalbetrag erstatten müssen.
Kontroverse und Entscheidung
Darüber ist es zu einer Auseinandersetzung mit dem Finanzamt (FA) gekommen, bei der die Behörde die Rechtsauffassung vertreten hat, dass unter anderem ein vereinbarter sogenannter SB als eine Form von zu zahlendem Regress an den Versicherer zu behandeln ist, was versicherungssteuerrechtlich zu einer Erhöhung des in der Prämienabrechnung ausgewiesenen Versicherungsentgelts führe. Der Versicherer als Kläger hat diese Ansicht nicht geteilt und beschritt den Klageweg. Das Finanzgericht (FG) als erste Instanz hat im Sinne des VG entschieden, woraufhin das FA die Revision vor dem BFH beantragt und dem sich dann auch das Bundesministerium der Finanzen angeschlossen hat.
Der BFH hat die Revision nun Ende vergangenen Jahres mit seiner Entscheidung zurückgewiesen. Dabei folgten die Richter auch der Entscheidung des FG, dass nur die Stückprämien je Fahrzeug der Versicherungssteuer unterliegen und die übernommenen Schadenzahlungen und Regulierungskosten aufgrund der Vereinbarungen nicht darunter fallen. Begründung ist, dass es hier an einem von der Versicherung übernommenen Wagnis und damit an einem grundlegenden Merkmal der Versicherungssteuerpflicht fehlt. Dass der Versicherer nach dem Pflichtversicherungsgesetz gegenüber Geschädigten unbeschränkt haftet – was Teil der Argumentation des FG pro Versicherungssteuerpflicht gewesen ist –, ist wegen der Pflicht des VN zur Erstattung der vom VG verauslagten Beträge nicht von Belang.
Zudem ist es laut BFH aus versicherungssteuerrechtlicher Sicht auch ohne Bedeutung, ob die vertragliche Vereinbarung einer SB in der KH überhaupt rechtlich zulässig ist und welchen versicherungsrechtlichen Grenzen die zwischen dem VG und VN getroffenen Vereinbarungen ggf. unterliegen. Und das Gericht geht noch weiter. In der Entscheidung heißt es: „Sollte die zwischen der Klägerin (VG) und A (VN) geschlossene Rahmenvereinbarung – bzw. die darauf beruhenden einzelnen Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge – gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und daher nichtig sein, wäre dies, da die Vertragsbeteiligten im Streitfall das wirtschaftliche Ergebnis der Rahmenvereinbarng gleichwohl haben eintreten und bestehen lassen, … für die Besteuerung unerheblich.“ Damit lässt der BFH die Wirksamkeit der Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer (VN) und -geber (VG) auch ausdrücklich offen. ASc
Last der Zahlungspflicht
Hat ein Fahrer einen Wildunfall, muss der Versicherer bei einer Vollkasko die Schadenkosten auch begleichen, wenn die Tatsachenlage strittig und ein endgültiger Nachweis nicht vorhanden ist.
Eine Vollkaskoversicherung muss den Schaden an einem Fahrzeug, der nach Angaben des Fahrers durch einen Wildunfall entstanden ist, auch ohne Nachweis begleichen. Selbst bei einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch den Versicherungsnehmer (VN) könnte der Versicherungsgeber (VG) nur dann leistungsfrei werden, wenn er beweist, dass sich ein Wildunfall nicht ereignet hat. Zu diesem Urteil kommt das OLG Hamm (AZ: 20 U 134/07).
Zweifel an Kollision und Konsequenzen
Im konkreten Fall ist der Kläger auf schneebedeckter Fahrbahn kurz vor einer Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen und mit der rechten Fahrzeugseite gegen einen Baum geprallt. Die Ursache hierfür ist zwischen dem VN und dem Versicherer streitig. Der VN behauptet, dass die Kollision mit einem Reh dafür verantwortlich sei und hat beim VG von der Vollkasko die Erstattung von rund 13.400 Euro für die Reparaturkosten und etwas mehr als 500 Euro für die Gutachterkosten sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten von rund 450 Euro gefordert. Der Versicherer hat die Angaben jedoch trotz entsprechender polizeilicher Unfallmitteilung und Zeugenaussagen bezweifelt und vom Landgericht als Vorinstanz Recht bekommen, woraufhin der VN beim OLG Berufung eingelegt hat.
Im Prozess konnte der Senat am OLG aber weder davon überzeugt werden, dass eine Kollision mit einem Reh stattgefunden hat, noch dass keine stattgefunden hat. Bei einer Vollkaskoversicherung geht diese Situation laut Gericht jedoch zulasten des VG, sodass er nicht leistungsfrei ist und dem VN als Kläger der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach zustehe. Das Gericht hat dem VN daher auf Basis des unstrittigen Sachverständigengutachtens die Erstattung der Schadenkosten zugesprochen. Hätte es jedoch nur eine Teilkaskoversicherung gegeben, sähe die Sachlage ohne Nachweis anders aus. Dann würde die unklare Sachlage zulasten des VN gehen. Laut Urteil müsste bei einer Teilkaskoversicherung der VG sämtliche Schadenkosten folglich nur begleichen, wenn auch eine klare Beweisführung stattgefunden hätte. ASc
Kostenaufteilung mit Haftungsquote
Die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung muss bei Unfällen entsprechend der ermittelten Haftungsquote auch die Anwaltskosten des Gegners anteilig übernehmen.
Finden Autounfälle statt, bei denen es zu einer Quotierung der Haftung kommt und den Beteiligten ein Mitverschulden zugerechnet werden kann, sind erhebliche Schwierigkeiten bei der Schadenregulierung nicht selten. In der Praxis kommt es daher immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. So auch bei der Kostenerstattung im Zusammenhang mit einem Unfall, der kürzlich vom LG Wuppertal verhandelt wurde.
Hier hat ein Versicherungsnehmer nicht nur für die entsprechende Begleichung der Schadenkosten wie Mietwagenkosten gekämpft, sondern auch der Anwaltskosten. Und das LG hat dem VN teilweise recht gegeben. Demnach muss bei einer Haftungsquote von 50 zu 50 – wie es in diesem Fall war – die gegnerische KH prinzipiell auch 50 Prozent der Rechtsanwaltskosten tragen. In dem Urteil heißt es deshalb unter anderem: „Das Amtsgericht (Anmerkung der Redaktion: als Vorinstanz) hat die Klage zu Unrecht in voller Höhe abgewiesen, soweit die Klägerin die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 Euro für die Inanspruchnahme ihrer eigenen Vollkaskoversicherung beantragt hat.“ Ein weiterer Schlüsselsatz: „Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines bei einem Verkehrsunfall Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Dabei hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadenereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind.“ Das gesamte Urteil ist in der Rechtsprechungsdatenbank unter www.justiz.nrw.de mit dem Aktenzeichen 8 S 92/09 abrufbar. ASc