Herr der Marken

05.07.2021 06:00 Uhr

Amaury de Bourmont ist seit März 2021 Deutschland-Chef von Stellantis. Autoflotte sprach mit dem Mann, der Abarth, Alfa Romeo, Citroën, DS, Fiat, Fiat Professional, Jeep, Opel und Peugeot zum Erfolg führen soll.

Herr de Bourmont, eine derartige Ansammlung von Marken gab es bisher noch nie. Sie sind unter anderem für Alfa Romeo, Citroën, DS Automobiles, Fiat, Abarth, Jeep, Opel und Peugeot zuständig. Wie behält man da den Überblick?

Amoury de Bourmont: Das ist natürlich eine Herausforderung, vor der ich auch Respekt habe. Aber vor allem freue ich mich auf diese Aufgabe. Wir haben hier starke Marken mit erfahrenen Geschäftsführern und klasse Teams, die es nun zusammenzubringen gilt. Das ist eine tolle Chance für alle, die dabei sind. Und wir agieren aus einer Position der Stärke: Im ersten Quartal war Stellantis die Nummer eins in Europa und auch auf dem deutschen Markt als Nummer zwei ganz vorne dabei.

Wie organisiert Stellantis das Zusammenspiel der einzelnen Marken? Und wie sind die einzelnen Marken positioniert?

A. de Bourmont: Bei weltweit insgesamt 14 Marken ist das Marken-Management und die Differenzierung natürlich eine große Aufgabe, aber wir haben auch da einen konsistenten und effizienten Ansatz. Stellantis hat verschiedene Markengruppen aufgebaut, die das gesamte Spektrum der Marktsegmente abdeckt - von Luxus- und Premium-Fahrzeugen über Pkw für die breite Masse bis hin zu leistungsstarken Pick-ups, SUVs und leichten Nutzfahrzeugen. Dieses Portfolio ergänzt sich perfekt.

Hinzu kommen spezielle Mobilitäts-, Finanz-, Ersatzteil- und Servicedienste. Das ist eine großartige Basis, um erfolgreich zu sein. Stellantis ist mit dieser Aufstellung ein weltweit führendes Unternehmen für eine neue Ära der nachhaltigen Mobilität. Wir sind hervorragend positioniert, um die Chancen einer globalen Industrie zu nutzen, die sich in einem schnellen und tiefgreifenden Wandel befindet.

Welche Rolle wird denn künftig Opel in Deutschland und Europa spielen?

A. de Bourmont: Fakt ist: Der Zusammenschluss bietet für alle Beteiligten große Chancen - selbstverständlich auch für die Marke Opel. Opel ist auch in dem neuen Konzern die einzige deutsche Marke und wird weiterhin für deutsche Ingenieurskunst stehen. Das Markenversprechen von Opel ist, Innovationen zu demokratisieren. Darüber hinaus ist die Marke als eine von nur zwei Marken in der Markengruppe 'Upper Mainstream' angesiedelt und deshalb von großer strategischer Bedeutung für Stellantis. Opel hat den Turnaround geschafft, ein neues, starkes Selbstbewusstsein und tolle Modelle wie den Corsa, der in Deutschland seit Monaten die Nummer eins in seiner Klasse ist, und den neuen Mokka, dessen Einführung sehr vielversprechend läuft. Und Opel hat noch einige Pfeile im Köcher - zum Beispiel den neuen Astra, der noch dieses Jahr auch elektrifiziert auf den Markt kommen wird. Das sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft der Marke - zumal sich durch Stellantis auch neue Möglichkeiten bei der Globalisierung ergeben.

Alfa Romeo verkaufte in diesem Jahr bisher 750 Fahrzeuge. Ist das nicht zu wenig, um die Marke zu (er)halten?

A. de Bourmont: Alfa Romeo ist eine ganz besondere, emotionale Marke mit einer hohen Strahlkraft und vielen Fans. Hier sehen wir ein großes Potential - und Stellantis bietet dafür eine hervorragende Basis.

Der Marktanteil der Stellantis-Marken ist in den ersten vier Monaten des Jahres auf 13,4 Prozent gestiegen. Sie sprechen von einem großen Wachstumspotenzial. Was macht Sie so zuversichtlich?

A. de Bourmont: Das Wichtigste: Wir haben absolute Topseller im Angebot - vom vollelektrischen Fiat 500 über den Peugeot 208 bis hin zum Segmentführer Opel Corsa. Und das sind nur einige Beispiele. Vom neuen Opel Mokka und dem neuen Peugeot 308, die beide für das neue Gesicht ihrer Marke stehen, versprechen wir uns weitere Impulse. Auch der DS 4, der ab Sommer in Rüsselsheim vom Band läuft, hat das Potential DS Automobiles in Deutschland einen echten Push zu geben. Selbstverständlich werden wir alle drei Modelle vom Start weg auch in elektrifizierten Varianten anbieten: den Mokka als reines Elektrofahrzeug, den 308 und den DS 4 als Hybrid. Diese Produktsubstanz ist es, die mich optimistisch stimmt für unser Geschäft in Deutschland - den wichtigsten Markt in Europa. Wir agieren aus einer Position der Stärke und die Entwicklungen im ersten Quartal zeigen ja, dass der Trend stimmt. Chancen haben wir vor allem auch im Bereich emissionsarmer Fahrzeuge, also bei batterieelektrischen Fahrzeugen Autos und Hybriden. Wir haben ein starkes Angebot: Bis Ende dieses Jahres wird Stellantis insgesamt 39 elektrifizierte Fahrzeuge am Markt haben. Die Marke Opel wird beispielsweise 2024 alle Modelle auch als batterieelektrische oder Hybrid-Variante im Angebot haben.

Wie werden Sie die vielen Marken für der E-Mobilität aufstellen? Wird es beispielsweise Spezialisten geben?

A. de Bourmont: Wir haben eine klare und offensive Elektrifizierungsstrategie. Als Konzern werden wir den globalen Absatz emissionsarmer Fahrzeuge in diesem Jahr im Vergleich zu 2020 auf mehr als 400.000 Fahrzeuge verdreifachen. Der Anteil emissionsarmer Fahrzeuge in Europa wird von 14% im Jahr 2021 auf 38% im Jahr 2025 und sogar auf 70% im Jahr 2030 steigen. Parallel dazu werden wird das Angebot an emissionsarmen Fahrzeugen in Europa bis 2025 auf 98% aller Modellreihen steigern. Sprich: Wir setzen auf breiter Front auf die Elektromobilität - bei allen Marken. Diese Strategie gilt natürlich auch für Deutschland.

Wird es Zeit eine eigene Markenkampagne von Stellantis geben?

A. de Bourmont: Am Markt überlassen wir den Auftritt ganz klar den Marken, die sich wiederum deutlich voneinander differenzieren. Und das wird sich natürlich auch in den Kampagnen widerspiegeln.

Warum braucht es das nicht, bei der Marktmacht, die der Konzern jetzt hat?

A. de Bourmont: Der Kunde kauft kein Fahrzeug von Stellantis, sondern von einer Marke des Konzerns. Entsprechend konzentrieren wir uns ganz klar auf die Positionierung unserer Marken.

Damit gibt es auch kein Auto, das das Logo von Stellantis tragen wird?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie gesagt: Am Markt überlassen wir den Auftritt ganz klar den Marken.

Gerade die Jeep-Händler beklagen die Streichung von Grand Cherokee und Cherokee. Diesel und Benziner fallen weg. Wie sieht Ihre Lösung aus?

A. de Bourmont: Wir sehen überall in der Industrie und in allen Märkten Umbrüche, die durch die zunehmende Elektrifizierung entstehen. Auch bei Jeep ist dies spürbar: Aber der neue Jeep Grand Cherokee steht in den Startlöchern, die Markteinführung in den USA findet gerade statt und er wird im kommenden Jahr in Deutschland eingeführt. Wir befinden uns hier also gerade in einer Übergangsphase. Die Marke Jeep ist insgesamt dennoch gut aufgestellt. Bei den Modellen Renegade, Compass und Wrangler haben wir die Plug-in-Varianten eingeführt. Darüber hinaus hat der Jeep Compass gerade ein umfassendes Facelift erhalten, das ihn noch attraktiver macht. Und mit dem Jeep Gladiator kommt noch ein Pick-up dazu, der auch dazu beitragen wird, dass Jeep weiter wachsen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

Amaury de Bourmont ist seit rund 30 Jahren in der Automobilbranche. Bei der Groupe PSA übernahm er 1992 unterschiedlichste Führungspositionen im Vertriebsbereich. Zwischen 1999 und 2009 war de Bourmont in Frankfurt, Mannheim und Saarbrücken tätig, unter anderem als Leiter der dortigen PSA-Niederlassungen. 2009 wechselte er als Geschäftsführer für die Marke Peugeot in die Schweiz, bevor er 2012 die Position des Vertriebsdirektors Europa für die Löwenmarke übernahm. Ab 2015 war er als Managing Director für das wirtschaftliche Ergebnis der Marken Citroën und DS Automobiles in Frankreich verantwortlich, bevor er im August 2020 Deutschland-Chef der Groupe PSA und nun von Stellantis ernannt wurde.

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