Kurs auf höhere Prämien
Entwicklungstrends | Trotz tendenziell steigender Beiträge für den Versicherungsschutz von Flotten bleiben Fuhrparkleiter und Kfz-Versicherer unter Druck. Einer von ihnen hat sich auch aus dem Markt verabschiedet.
— Die Erhöhung der Selbstbeteiligungen im vergangenen Jahr und die Maßnahmen zur Schadenprävention wie Fahrertrainings und Info-Schreiben an die Nutzer werden dieses Jahr wohl noch reichen, um die Prämien konstant zu halten. Noch. Davon geht der Fuhrparkleiter eines Herstellers von Baustoffen aus. Wenn sich bei der steigenden Zahl an Fahrzeugen und Schadenhäufigkeiten aber nichts ändert, rechnet er spätestens im nächsten Jahr mit höheren Beiträgen. Nicht nur ihm, sondern auch viele andere Flottenmanager treiben derzeit ähnliche Überlegungen um. Und sie kommen ins Grübeln, wenn sie an die anstehenden Verhandlungen mit ihren Flottenversicherern und den drohenden Anstieg denken.
Underwriter atmen durch | Einige Zeichnungsverantwortliche bei den Kfz-Versicherern fühlen sich momentan in der Lage, etwas Luft zu holen. „Denn es besteht das erste Mal seit vielen Jahren die Möglichkeit, sich etwas zurückzulehnen, die Flotten genauer unter die Lupe zu nehmen und eine bessere Risikoeinstufung vorzunehmen, weil der massive Vertriebsdruck nachlässt und eine Preiserholung einsetzt“, konstatiert der Zeichnungsverantwortliche eines Flottenversicherers, der lieber nicht genannt werden will. Er führt dies vor allem darauf zurück, dass diese Marschrichtung von den Führungsetagen gewünscht und inzwischen auch gefordert wird.
Sein Kollege bei einem großen Versicherer, der derzeit eher abwartend agiert und sich nur auf die Betreuung der Bestandskunden fokussiert, spricht ebenfalls von einem ruhigen Jahr. Aggressive Angebote an Unternehmen zur Generierung von Umsatz sind seinen Beobachtungen nach Einzelfälle. Bisher zumindest. Gleichwohl sieht er noch keinen generellen Richtungswechsel. Er ergänzt jedoch: „Die Flottenversicherer werden im Hinblick auf Solvency II und den damit verbundenen strengeren Richtlinien nicht umhinkommen, das Geschäft gewinnbringend zu gestalten.“ Wie stark sich das wiederum auf die Prämien auswirkt, hänge davon ab, ob und in welcher Form die Versicherer das aus dem Privatkundengeschäft subventionieren wollen. Da aber auch hier keine großen Margen erzielt würden, dürfte der Spielraum begrenzt sein. „Der Markt wird deshalb vermutlich langsam weiter nach oben drehen. Und es ist durchaus denkbar, dass 2014 bereits wieder profitabel sein kann“, so der Underwriter.
Das Flottensegment hält er daher weiterhin für interessant und es gebe keinen Anlass, komplett auszusteigen. Chancen sieht er insbesondere in den Internationalen Versicherungsprogrammen, die auch mit Ertrag gezeichnet werden können.
Abschied von Anbietern | Nichtsdestotrotz trüben etwa Kumulereignisse die Entwicklung in diesem Jahr. Insbesondere die Hagelunwetter in bestimmten Regionen von Niedersachsen, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern verderben die Schadenbilanz mancher Flottenversicherer. Die laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) verbesserte durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote von 114 Prozent in 2011 auf 106 Prozent im vergangenen Jahr nun in 2013 zu halten oder sogar weiter zu senken, scheint demnach eine Kraftanstrengung für die gesamte Branche zu werden.
Gegliedert nach den einzelnen Flottenversicherern zeichnet eine Autoflotte-Umfrage zu den Trends und Leistungen unter den großen Anbietern im Markt für Kraftfahrtversicherungen jedoch ein differenziertes Bild. Daran teilgenommen haben Allianz, Alte Leipziger, AXA, Ergo, Gothaer, HDI-Gerling, Provinzial Rheinland, R+V, Signal Iduna, VHV, Württembergische und Zurich. Nicht beteiligt haben sich die AachenMünchener, Basler, DEVK, Generali, LVM, Nürnberger und Versicherungskammer Bayern.
Auf die Frage „Wie haben sich die Schadenzahlen im Flottensegment 2012 im Vergleich zu 2011 entwickelt?“ haben die zwölf Teilnehmer sehr unterschiedlich geantwortet. So meldet etwa die Allianz, dass sich die Schadenzahlen gegenüber dem Vorjahr verbessert haben. Gleiches gilt für Ergo, R+V, Signal Iduna und Württembergische. Leicht steigende Schadenhäufigkeiten haben die Alte Leipziger und AXA registriert. Provinzial Rheinland erklärt, eine wenig veränderte Schadensituation verzeichnet zu haben. Keine Angaben dazu machen Gothaer, HDI-Gerling, VHV und Zurich.
Noch wortkarger sind die Versicherer, sobald sie nach ihrer Combined-Ratio gefragt werden. Bis auf die Ergo, die Gesamt-Combined-Ratio mit 102,9 Prozent angibt, nennt hier keiner Zahlen. Lediglich die R+V lässt sich noch zumindest zu der Äußerung hinreißen, im Vergleich zum Vorjahr die Combined-Ratio verbessert zu haben und nun auf Marktniveau zu liegen.
Ein deutliches Indiz für einen weiterhin harten Markt ist die Tatsache, dass sich die Basler Versicherung jüngst aus dem Flottengeschäft zurückgezogen hat. So lautet die Teilnahmeabsage an der Umfrage von Wolfgang Pander, Bereichsleiter Kraftfahrt der Basler Versicherungen, wie folgt: „… im Rahmen und als Ergebnis einer umfassenden strategischen Neuausrichtung hat die Basler entschieden, sich künftig im Segment von Kfz-Flottenversicherungen nicht mehr zu engagieren.“ Der Kreis an spezialisierten Anbietern verkleinert sich damit weiter.
Erweitere Leistungspalette | Welche Deckungskonzepte entwickeln die Flottenversicherer für ihre Kunden? Welche Leistungen bieten sie im Detail an? Und haben sie diese im vergangenen Jahr erweitert oder verändert? Das haben die Umfrageteilnehmer ausführlich dargelegt (siehe „Leistungen im Programm“ ab S. 81). Im Vergleich zu ihren Angaben aus dem Vorjahr setzen sie auf eine stabile und breite Leistungspalette. Sie beinhaltet – neben standardmäßigen Flottenpaketen – vielfältige Vertragsklauseln und Deckungsbausteine, um individuelle Lösungen schnüren zu können.
Hier haben sie auch nur wenige Änderungen vorgenommen. Dabei handelt es sich meist um eine Ausweitung der Dienstleistungen. Ein Beispiel ist die R+V, die nun für ihre Bestandskunden mit Flotten in Deutschland auch die Expansion ins Ausland mit entsprechendem Deckungsschutz über ein Internationales Versicherungsprogramm (IVP) begleitet. Weitere Neuerungen sind etwa bei der Ergo die Erhöhung der Schadenübernahme im Rahmen der erweiterten Tierklausel wie Marderbiss von 1.000 auf 3.000 Euro oder die Aufnahme der Deckung von Kurzschlussschäden als Baustein durch die Alte Leipziger und Zurich. Dagegen hat bei einigen eine stärkere Differenzierung bei der Neupreisentschädigung für Totalschaden respektive Diebstahl nach Fahrzeugtyp Pkw respektive Lkw sowie nach versicherbaren Zeiträumen stattgefunden.
Daneben betont die Allianz auf die Frage nach neuen Bausteinen und Produkten explizit, jetzt die Marderbissdeckung innerhalb der Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) auch für Lkw bis 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zu bieten und zusätzlich im Rahmen der Sonderbedingung Premiumkasko Tierbiss einzudecken und hierfür die Deckungssumme Tierbiss-/Kurzschlussfolgeschäden auf 5.000 Euro erhöht zu haben. Darüber hinaus gebe es bei den Münchnern die Sonderbedingung Differenzkasko, die Leasing- sowie finanzierte Fahrzeuge umfasse und die Differenz von bis zu 20 Prozent für den Wiederbeschaffungswert zahlt, wenn dieser kleiner als der Netto-Leasingablösewert respektive die Netto-Restkreditsumme ist.
Ein weiteres Novum der Allianz: die Einführung der optionalen Sonderbedingung Wertminderungspauschale, die zusätzlich zur Vollkaskoversicherung von den Kunden mit Pkw-Flotten – ausgenommen Vermietfahrzeuge – die Zahlung einer Wertminderungspauschale einschließt. Diese wird in den ersten vier Jahren nach Erstzulassung des versicherten Fahrzeugs extra zu den für die Reparaturkosten notwendigen Kosten übernommen.
Die Ergo hat ihr Programm, neben den individuellen Deckungskonzepten ab zehn Fahrzeugen, um ein neues Kleinflottenmodell für Fuhrparks ab fünf ziehenden Einheiten im Bestand erweitert. Laut Versicherer gebe es dadurch sowohl bessere Schadenservices als auch Tarifierungsmöglichkeiten in verschiedenen Branchen.
Zwei Flottenmodule hat die HDI-Versicherung für Flotten ab zehn Fahrzeugen bereits zum 1. Oktober des vergangenen Jahres eingeführt. Diese umfassen etwa in Modul I Deckungserweiterungen wie einen Verzicht auf die Selbstbeteiligung bei Eigenschäden (SB) oder in Modul II eine Mitversicherung von Schäden an der Bereifung.
R+V gibt wiederum an, mit dem neuen Tarif ab 1. Juli dieses Jahres einige Leistungs- und Produktverbesserungen durchgeführt zu haben, ohne konkreter zu werden. Echte neue Bausteine seien nicht eingeführt worden. Ansonsten hat die Signal Iduna ihr Beitragssatzmodell zum 1. Juli überarbeitet und tätigt jetzt eine Zuordnung der Wagnisarten zu drei Wagnisgruppen mit unterschiedlichen Beitragssätzen. Laut Versicherer hätten zugleich eine Erweiterung der Beitragssatzgruppen, hier Fuhrparkgruppen, und differenziertere verlaufsabhängige Umstufungen in den Fuhrparkgruppen stattgefunden.
Eine Öffnung der Flottenprodukte für mehr Kunden hat die VHV durchgeführt. Bei ihr erhält nun auch die Branche Transport/Verkehr einen Zugang zum Produkt Flotte-Garant 5+, bestehend aus einem Stückbeitragsmodell mit Bonus-Malus-System. Voraussetzung hierfür ist ein Fuhrpark von mindestens fünf schweren Lkw oder Zugmaschinen. Für Zurich hat im Bereich der Industriekunden die Implementierung des Telematik- und Analyse-Systems „Zurich Fleet Intelligence“ im Mittelpunkt gestanden. Ziel ist es, so unter anderem die Fahrer zu sensibilisieren, Risikoprofile zu erstellen und die Schadenprävention zu erhöhen. Alte Leipziger, AXA, Gothaer, Provinzial Rheinland und Württembergische melden keine speziellen neuen Bausteine oder Produkte.
SB-Modelle in der KH | Höchst unterschiedlich positionieren sich die Flottenversicherer beim Thema Selbstbeteiligungsmodelle in der Kraftfahrt-Haftpflicht (KH). Alte Leipziger, AXA, Provinzial Rheinland, VHV und Württembergische haben diese nicht im Portfolio.
Die Allianz kennt wiederum solche Modelle und Staffelungen der Selbstbeteiligung (SB) von 1.500 Euro, 2.500 Euro, 5.000 Euro, 10.000 Euro und 20.000 Euro. Auf individuelle Vereinbarungen setzen auch Ergo, HDI-Gerling und R+V. Gothaer bietet SB-Modelle in der KH nur auf Anfrage bei sehr großen Flotten und Signal Iduna mittels pauschaler Vorab-SB. Die Zurich teilt mit, verschiedene Modelle anzubieten. Konkreter werden die Versicherer allerdings nicht.
Strategien und Entwicklung | Generell scheinen die Flottenversicherer ihre Zügel bei der Zeichnung straff zu halten, je nach Flottensituation und Schadenverlauf ihre Strategie anzupassen sowie ihr Pricing festzusetzen. Und das erreicht anscheinend seine Wirkung auf den versicherten Bestand. Die Allianz konstatiert dazu beispielsweise, dass sich ihre selektive Zeichnungspolitik bemerkbar mache, es für ein Zwischenfazit zur aktuellen Entwicklung nach dem ersten Halbjahr aber noch zu früh sei. Gleiches meint Thomas Winkler, Chief Underwriter Kraftfahrt der Gothaer. Verlässliche Aussagen seien erst zum Jahresende möglich.
Im Gegensatz dazu berichten die Alte Leipziger und Württembergische bereits von einer stabilen Bestandsentwicklung. Und Uwe Hüholt, Leiter Produktmanagement K-Flotte bei AXA, sagt: „Im Rahmen der notwendigen Sanierungsaktivitäten haben wir schadenträchtigen Flotten Sanierungsangebote unterbreitet.“ Ebenso würden Kunden auf das Riskmanagement-(RM)-Angebot aufmerksam gemacht, um Schadenkonstellationen besser zu erkennen und gemeinsam Problemlösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Zur Bestandsentwicklung äußert er sich nicht.
Auch Vera Theuerkauf, Leiterin Kraftfahrt Produktmanagement der Ergo, legt den Fokus auf Rentabilität: „Wir schauen uns alle Flotten an und bewerten die individuelle Risikosituation des Kunden. Durch die branchenweit steigenden Prämien in diesem Segment bekommen wir regelmäßig interessante Ausschreibungen rein.“ Bei Aussicht auf Ertrag baut der Versicherer dann Deckungskonzepte mit den Kunden, die seine Bedürfnisse berücksichtigen würden.
Bei der HDI-Gerling Industrie und der HDI Versicherung sind wiederum die Kumulereignisse zu spüren. Matthias Küchemann, Leiter Kraftfahrtversicherung Vertrag im Geschäftsfeld Industrie der HDI-Gerling Industrie, und Torsten Sauer, Leiter Produkt- und Marktmanagement Firmen Kraftfahrt der HDI Versicherung, bemerken, dass ihre Kunden durch Hochwasser und Hagelereignisse bereits im ersten Halbjahr belastet worden seien. Hier unterstütze man daher beim schnellen Wiederaufbau.
Wie die meisten anderen Versicherer ist die Provinzial Rheinland auf dem Sanierungspfad von Flotten mit schlechten Schadenverläufen, um ein auskömmliches Prämienniveau zu erzielen. Michael Gödecke, Abteilungsleiter Kraft-Betrieb Firmen-/Flottengeschäft, fügt hinzu: „Sowohl in der Vertragszahl wie auch im Prämienvolumen ist die Provinzial in 2012 weiter gewachsen.“ Andreas Lind, Referent Grundsatzfragen Kfz der R+V, beschreibt die Entwicklung im Flottensegment wie folgt: „Insgesamt haben wir weniger aktive und passive Kundenverluste gegenüber dem Vorjahr. Im spezialisierten Individualgeschäft konnte erneut viel Neugeschäft hinzugewonnen werden.“ Zudem seien der Mehrbetrag, den die R+V durch Sanierungen generieren konnte, in etwa auf dem gleichen Niveau, wie die Beitragsabgänge durch Sanierungen selbst.
Von einem aktuell feststellbaren Zugewinn an Bestand spricht Rüdiger Vankann, Handlungsbevollmächtigter, Underwriting Kraftfahrt gewerblich der Signal Iduna. Und er erwartet, dass diese Entwicklung anhält. Den Keim hierfür sieht er in dem sich weiter normalisierenden Prämienniveau im Markt. Jörg Sültemeier aus dem Bereich Kraftfahrt Gewerbe und Industrie Grundsatz bei der VHV bedeutet: „Die VHV setzt seit vielen Jahren mit besonderen gewerblichen Kfz-Tarifen und Flotten-Stückbeitrags-Spezialprodukten auf ertragreiches Wachstum im Flotten-Versicherungsgeschäft, so auch in diesem Jahr.“
Den Ertrag stellt auch die Zurich aufgrund des härter werdenden Marktes in den Vordergrund, wobei es partiell im kleingewerblichen Segment erzielt werde. Mit dieser Strategie reiht sie sich prinzipiell in die Riege der anderen Flottenversicherer ein.
| Annemarie Schneider
- Ausgabe 10/2013 Seite 78 (3.0 MB, PDF)