Die Eigenheiten, die jedem Fuhrpark innewohnen, sind sprichwörtlich und real zugleich. Das "Jede-Flotte-ist-anders"-Label können all jene vergeben, die sich um die Elektrifizierung der Automobile kümmern. Zu ihnen zählt Sebastian Karrer, Leiter Key Account Management bei The Mobility House, und er könnte diesen Sticker auf jede der Wallboxen kleben, die der Lösungsanbieter rund ums intelligente Laden zusammen mit der Berner Group errichtet hat. Vor gut zweieinhalb Jahren initiierte der Eigentümer Christian Berner das Projekt "Verde", um den CO2-Fußabdruck des inhabergeführten Familienunternehmens aus Künzelsau deutlich zu reduzieren. Diese Stoßrichtung kennen viele Konzerne (Berner setzt im Jahr rund eine Milliarde Euro um) und typischerweise blickt man dann auf die eigene Flotte. Im Fall von Berner sind das rund 5.000 Einheiten. Der Weg ist klar: aus Verbrennern sollen Stecker-Fahrzeuge werden.
Das erste Pilotprojekt wurde bewusst in der Tiefgarage im Rheinauhafen in Köln gestartet, da dort die höchste Nachfrage nach Elektro-Zapfsäulen ist, aber gleichzeitig die Umsetzung am schwierigsten erschien. Das hat zum einen mit der schieren Größe der Anlage zu tun (längste Tiefgarage Europas), zum anderen gibt es vor Ort ein verschachteltes Betreiber- und Eigentumsverhältnis. Parallel wurden Schritt für Schritt die weiteren deutschen Standorte wie Künzelsau, Ingelfingen und Duisburg sowie weitere europäische Standorte mit der E-Technik aufgerüstet. Das erhöhte die Komplexität, so dass nicht überall unternehmensintern vernetzte Lösungen mit einem einheitlichen System umgesetzt werden konnten. "Flexibel bleiben", heißt also die erste Parole aus diesem Praxisfall.
Wir haben zusammen mit Michael Duttle von der Berner Group und Sebastian Karrer die Herausforderungen an den Standorten in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg protokolliert, um zu zeigen, wie die Probleme vor Ort gelöst wurden und wie unterschiedliche Themen wie das Beantragen von Fördermitteln regional gehandhabt werden. Eine der weiteren Erkenntnisse bei Berner war, dass verlässliche, herstellerunabhängige Informationen selten sind. Deshalb ist der Austausch mit anderen Flottenverantwortlichen, die bereits Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt haben, wichtig. Ein dritter gelernter Punkt ist, sich nicht zu schnell auf einen Anbieter zu fixieren und sich somit in eine Abhängigkeit zu manövrieren. Aber blicken wir einmal auf den Projekt-Start.
Eine Frage des Standorts
Wie erwähnt dauerten die Planung und die Umsetzung in der Kölner Tiefgarage am längsten, da es ein Mietstandort ist. Mit den diversen Abstimmungen (Eigentümer, Verwalter, Netzbetreiber, Energieversorger etc.) dauerte es rund eineinhalb Jahre, bis die ersten E-Autos vor Ort geladen werden konnten. Deutlich schneller ging es an den Eigentumsstandorten im Süden. Hier vergingen vom Beginn des Projektes bis zur finalen Umsetzung aber immerhin noch zwölf Monate. Als Bremsen erwiesen sich hier die schlechte Verfügbarkeit von Handwerkern und Material. Standortunabhängig dauerte selbst der profan klingende Wechsel aller Stromverträge auf Ökostrom länger als gedacht. Hinzu gesellten sich regionale Besonderheiten:
Köln: Die größten Hemmnisse waren die Einverständniserklärungen der Eigentümer, Verwalter und Betreiber sowie die Installation eines Zählers für die E-Fahrzeuge, welcher von der Netzgesellschaft genehmigt und in Betrieb genommen werden musste. Aufwendig war zudem die Kernbohrung aus dem privaten Bereich der Tiefgarage in den öffentlichen Teil mit den jeweiligen Einverständniserklärungen.
Duisburg: Es brauchte eine separate Zuleitung, welche durch den Energieversorger größer dimensioniert werden musste und Mehrkosten verursachte.
Künzelsau und Ingelfingen: Hier hemmten die Erdbauarbeiten und die Verfügbarkeit der Handwerker. Die Vorrichtung der Endausbaustufe verlangte eine entsprechende Dimensionierung der Zuleitungen, Schaltschränke und Leerrohre.
Immerhin wurde ein eigener Trafo noch nicht gebraucht. Es wurde also die zur Verfügung stehende Stromleistung unterverteilt. Das nötige Lastenmanagement übernahmen die Experten von The Mobility House. Die Erfahrung von Externen half bei den Gesprächen mit den Vermietern, wie Michael Duttle bestätigt. Etablierte Partner, welche die technischen Probleme und Anforderungen kennen und gut argumentieren können, stehen dann unterstützend zur Seite. So war anfänglich in Köln der Brandschutz ein Kriterium, um das Projekt zu Fall zu bringen. Man blieb aber hartnäckig dran und argumentierte stets mit dem aktuellen Stand der Technik. Das zeigte Wirkung. Ausdauer braucht es also auch, wenn man sich die Infrastruktur fördern lassen möchte. Das Beantragen der Fördermittel verlief abhängig vom Standort unterschiedlich:
Umgang mit Fördermitteln
NRW: Der Antrag ging an die Bezirksregierung Arnsberg (Landesprogramm NRW "progress.nrw"). Der Erhalt des Zuwendungsbescheides wurde nach zirka vier Monaten bestätigt, jedoch konnte mit Bestätigung des Antragseingangs bereits mit der Maßnahme begonnen werden.
Baden-Württemberg: Der Antrag auf Förderung von Ladeinfrastruktur in Baden-Württemberg (Charge@BW) ging an die L-Bank. Der Erhalt des Zuwendungsbescheides kam nach zirka zwei Monaten, jedoch konnte auch hier mit Bestätigung des Antragseingangs der Bau beginnen. Wie in NRW wurden nach dem Abschluss die Belege inklusive des Nachweises eines Ökostromvertrages eingereicht.
Blicken wir mal auf die verbaute Technik. Die Normalausstattung ist hier eine Wallbox mit je zwei 22-kW-Anschlüssen. Schnellladestationen sind bislang nur vereinzelt geplant. Mittels des Lade- und Energiemanagements ("ChargePilot") sind die geladenen Energiemengen einfach zu erfassen und können einzeln abgerechnet werden. Alle Nutzer (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten) laden zum gleichen Tarif. Mit den Funktionen des "Charge Point Operators" können sowohl verschiedene Nutzer wie auch RFID-Karten verwaltet werden, was eine standortübergreifende und differenzierte Abrechnung der Ladevorgänge ermöglicht. Es kommt sowohl ein statisches wie auch ein dynamisches Lastenmanagement zum Einsatz. Das statische limitiert die maximale Last und kann einzelne Ladestationen priorisieren. Beim dynamischen Laden stehen für die Phevs oder Stromer je nach Stromverfügbarkeit maximal 22 kW zur Verfügung, wobei der Onboard-Lader hier das Tempo vorgibt. Laufen Großverbraucher wie eine Klimaanlage parallel, wird der Stromfluss in die Batterien verlangsamt oder zeitlich gestaffelt.
Umgang mit den Kosten
Die bislang installierten Wallboxen sind eine Investition für die Gegenwart, aber noch mehr für die Zukunft. Denn aktuell ist der Plug-in-Hybrid- (50 Fahrzeuge) und E-Fahrzeug-Anteil (rund zehn) überschaubar. Alle Mitarbeiter mit Stecker-Fahrzeug können eine Berner-eigene Förderung für privat-installierte Wallboxen erhalten. Diese ähnelt dem Modell der KfW (Ökostrom, separate Abrechnungsmöglichkeit, Nachweis der Installation über Rechnung). 95 Prozent der Nutzer haben auf diesem Weg das Laden zu Hause sichergestellt. Für die Stromversorgung unterwegs gibt es eine DKV-Ladekarte, an den Berner-eigenen Standorten ist der Strom kostenfrei für Mitarbeiter. Um ein Auge auf die Doppelherzen zu haben, werden quartalsweise die Durchschnittsverbräuche aller Dienstwagenfahrer ermittelt. Bei zu hohen Durchschnittsverbräuchen wird zuerst ermahnt, bevor weitere Schritte, die in der Dienstwagenregelung fixiert sind, greifen. Strafen werden dabei explizit als letzte Möglichkeit angekündigt. Bisher sei es aber erkennbar, dass jeder Mitarbeiter intrinsisch motiviert ist, seinen Verbrauch und somit CO2-Ausstoß zu reduzieren, so das Credo der Flottenverantwortlichen.
Dem guten Vorbild sollen nun möglichst viele Berner-Mitarbeiter folgen, die sich im Fuhrparkwarenkorb bedienen dürfen. Aus diesem wurden alle großen SUV-Modelle entfernt. Das verantwortliche Global Fleet Management knüpft an die wählbaren Modelle strikte Vorgaben auf Basis der WLTP-Werte sowie der Mindestreichweite. Bevor ein Mitarbeiter sein Fahrzeug final bestellen kann, wird dessen Fahrprofil geprüft.
Tipp und Ausbaupläne
Was rät nun der beteiligte Verantwortliche von The Mobility House Sebastian Karrer jenen Flotten, die ebenfalls dezentral mit unterschiedlichen Besitzverhältnissen Ladeinfrastruktur aufbauen wollen oder müssen?"Eine langfristige Planung ist zentral. Flottenbetreiber sollten von vornherein auf eine zukunftssichere, das heißt schnittstellenoffene und skalierbare Lösung setzen, die künftige Erweiterungen der Ladeinfrastruktur problemlos ermöglicht. Neben der Schaffung von Kapazitäten und klaren Verantwortlichkeiten ist es wichtig, ausreichend Zeit für die Elektrifizierung einzuplanen. Gerade, wenn es darum geht, Förderanträge zu stellen, kann das leicht mehr Zeit beanspruchen als gedacht. Außerdem ist es ein guter Tipp, einfach mal anzufangen. Zu Beginn nur mit einem kleinen Teil der Flotte, um so erste Erfahrungen mit den neuen Themen zu sammeln." So wie es die Berner Group vorgemacht hat. Nach den deutschen Standorten sollen nun die Standorte in Italien sowie Österreich elektrifiziert werden. Die Prüfung in Frankreich ist bereits abgeschlossen, so dass auch hier die Umsetzung beginnt. Zum Schluss sollen auch die "Nordics" (Dänemark, Schweden und Norwegen) Teil von "Verde" werden. Genug Erfahrungen und gute Partner hat man jedenfalls in der Hinterhand.
Fuhrpark der Berner Group
Fuhrparkgröße: ca. 5.000 Fahrzeuge- Team fürs Flottenmanagement:Aktuell rund 15 Mitarbeiter in der gesamten Berner Group, unterteilt in Global Fleet Management (Car Policy, Rahmenverträge, Gruppenlieferanten & -konditionen, Leasinggesellschaften, OEM, Fuhrparkwarenkorb und -vorgaben) sowie Local Fleet Management (operative, lokale Umsetzung, Fahrzeugbestellungen, Ausgaben und Rücknahmen- Car Policy: Unterschiedliche Regelungen, auch länderspezifisch. Außendienstregelung erfolgs- beziehungsweise umsatzbasiert. Innendienstregelung mit Fahrzeugkategorien oder festgelegten Leasingraten- Marken & Modelle: VW-Gruppe, Mercedes-Benz, Stellantis, Ford. Die Modellauswahl wird seitens des Global Fleet Managements für die gesamte Berner Group festgeschrieben- Flottendienstleister: Leasing (sechs präferierte Leasinggesellschaften), Tanken (DKV als primärer Tankkartendienstleister, aber auch länderspezifische Lösungen), Führerscheinkontrolle (noch uneinheitlich geregelt), Räder & Reifen (oft inkludiert im Leasing, in manchen Ländern mit separatem Dienstleister im Kompensationsgeschäft).
- Ausgabe 11/2021 Seite 22 (367.2 KB, PDF)