Shell startete zum 30. Juni 2025 an ihren nach eigenen Angaben mehr als 1.600 Ultraschnellladepunkten (ab 150 kW Ladeleistung) mit Ladepreise, die sich stärker am Strombörsen-Spotpreis orientieren – allerdings nur für Privatkunden. Der Preis kann daher im Tagesverlauf schwanken –teurer zu Spitzenzeiten und günstiger, wenn viel erneuerbare Energie im Netz ist. Voraussetzung für die Nutzung ist die Shell-Recharge-App oder -Ladekarte. Laut Shell lag die maximale Preisdifferenz zum Projektstart bei rund sechs Cent pro Kilowattstunde – mal sehen, was kommt. Mit dem Projekt will Shell herausfinden, wie gut Kunden auf Preissignale reagieren und inwieweit das Modell zur Netzstabilität beiträgt.
Mer setzt auf KI-basiertes „Smart Pricing“
Parallel dazu testet auch der Ladeinfrastrukturanbieter Mer seine dynamische Preisgestaltung. Im Unterschied zu Shell basiert das Modell jedoch nicht auf Börsenstrompreisen, sondern auf einem KI-gestützten System der Plattform Cariqa. Die Software analysiert Millionen Datenpunkte, darunter Auslastung, Nutzerverhalten und Verkehrslage, um Preise je nach Station in Echtzeit anzupassen.
Das Ziel laut Mer: eine gleichmäßigere Verteilung der Ladevorgänge und ein gerechteres Preismodell. Nutzer sehen jederzeit den aktuellen Preis in der Cariqa-App und können gezielt günstige Zeiten und Standorte wählen. Bei geringer Nachfrage sinkt der Preis automatisch – umgekehrt kann er bei hoher Auslastung steigen.
Einheitspreise verlieren an Bedeutung – für die Anbietern
Beide Pilotprojekte zeigen: Die 2019 erstmals eingeführten Einheitspreise – die an Preistransparenz nach wie vor nicht zu überbieten sind – könnten bald der Vergangenheit angehören. Shell setzt auf Preissignale aus dem Strommarkt, Mer auf eine intelligente, KI-gesteuerte Preislogik. Für Nutzer soll das nach Aussagen der Anbieter mehr Transparenz und Kostenvorteile bringen – aber auch stärkere Preisschwankungen bedeuten. Das bedeutet für kostensensible E-Fahrer, ab sofort noch stärker zu schauen, wo der Strom gerade am günstigsten ist.
Sollten die Apps und Navigationssysteme in den Fahrzeugen das irgendwann mal abbilden können, spricht wenig dagegen. Aktuell bedeutet es entweder deutlichen Mehraufwand bei der Routenplanung inklusive eventuell kurzzeitiger „Preisanpassung“ (nach oben und unten) an der angedachten Ladesäule. Die Betreiber wollen verständlicherweise Geld verdienen, was mit dynamischen Tarifen sicherlich besser gelingen kann. Für die Nutzer wird es daher nicht transparenter, sondern aufwendiger, die „Transparenz“ zu durchblicken.