Wir befinden uns im Jahr 2021 n. Chr. Ganz Deutschland ist aufgrund von Corona müde, schlecht gelaunt, in Sorge. Ganz Deutschland? Nein. Eine von kreativen Autoliebhabern bevölkerte Kfz-Werkstatt im Norden hört nicht auf, mit guter Laune und Esprit Widerstand zu leisten ...
Im Gegensatz zu den Galliern bei Asterix geht es bei Autosiastik im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg aber nicht mit Hauen und Stechen zu, im Gegenteil: Entspannt ist die Atmosphäre auf dem Gelände des Autohauses mit angeschlossener Werkstatt.
2017 haben Nikola Matovic und Timo Sternberg die Autosiastik GmbH gegründet. Vor dem Haus und in drei weiteren Hallen stehen ihre Kommissionsfahrzeuge, durchschnittlicher Gesamtwert: 1,2 Millionen Euro - mit echten Schmuckstücken und automobilen Highlights darunter. Denn Autosiastik macht gerne mehr als normal. "Wir bieten als Tuning-Experten alles, was es braucht, um Fahrzeugleistungen zu optimieren", setzt Tony Kausche, CMO und Mitgründer von Autosiastik Software, an."Daneben betreiben wir die Werkstatt mit hohem Durchsatz: Statt unserer vier bräuchten wir eigentlich sieben Hebebühnen, teils haben wir zwei Monate Terminvorlauf."
Und auch wenn sich das Start-up auf exklusive Fahrzeuge und außergewöhnliche Projekte wie Motor-Swaping spezialisiert hat: Jeder ist willkommen. Exklusivität gilt nicht für den Kundenstamm oder die Stundensätze. "Auch Oma Erna macht mit ihrem Golf den Ölwechsel bei uns, wir haben dieselben Preise wie jede andere Werkstatt auch", konkretisiert Matovic. 850 Kunden kommen aus ganz Schleswig-Holstein. "Tuning-Kunden reisen aber deutschlandweit an", berichtet Matovic stolz. Nicht grundlos: Autosiastik investiert viel Herzblut in den lässigen Lifestyle und einen starken Online-Auftritt: Ein Youtube-Channel mit teils 30.000 Views, Zusammenarbeit mit Influencern, Online-Marketing auf sozialen Netzwerken - das zahlt sich aus. Der Youtube-Channel hat den Umsatz um 20 Prozent steigern lassen.
Schein ist nicht gleich Schein
Doch es gibt noch mehr abseits des Standards: Unter dem Dach in Henstedt-Ulzberg residiert mit Autosiastik Software seit Frühjahr 2020 eine zweite Firma. Programmierer und Kfz-Gewerbe? Das passt, haben die Autosiasten gemerkt. Denn rund ein Jahr lang managten sie zuvor als Dienstleister eine große Flotte. Um das dortige Schadenmanagement möglichst effizient in den Griff zu bekommen, entwickelten sie eine eigene Software dafür. Währenddessen merkten sie, dass die massenhafte Eingabe von Daten aus den Fahrzeugscheinen der Flotte immens viel Zeit fraß und gleichzeitig eine große Fehlerquelle war.
"Schnell kam uns die Idee, dafür eine Digitalisierungslösung zu nutzen, die uns das lästige Abtippen erspart - oft bis zu 15 Minuten pro Schein", erinnert sich Kausche."Überraschenderweise gab es die bis dato noch nicht, sodass wir die Ersten waren, die im vergangenen Jahr nach drei Jahren Entwicklungszeit eine eigene Lösung auf dem Markt gebracht haben, den Fahrzeugschein in Sekundenschnelle zu digitalisieren."
Mit den vorhandenen Scan-Lösungen konnte man nur etwa gut 60 Prozent des Dokuments zuverlässig erkennen. "Mit gängiger OCR-Software (optical character recognition) kann man die Buchstaben zwar digitalisieren, aber sie lässt sich nicht für Besonderheiten weiterentwickeln", beschreibt Kausche die Herausforderung. Und davon hat ein vermeintlich so einheitliches Standard-Dokument wie der Fahrzeugschein aus der Bundesdruckerei jede Menge: "Mal stehen die Zahlen links oder rechts auf der Linie, mal weiter oben oder unten, zudem gibt es verschiedene Schriftarten, ausgeblichene Dokumente und ältere und neuere Versionen", zählt Matovic auf. Der ITler Rasmus Wachsmuth griff in die Trickkiste der Künstlichen Intelligenz und erreichte schließlich die heutige Erkennungsrate von 98 Prozent.
Daten gegen Foto
Den Flottenkunden haben sie längst abgegeben, aber der KI-basierte Fahrzeugschein-Scanner, in den ein hoher sechsstelliger Betrag an Entwicklungskosten floss, wurde zum Kerngeschäft. Kausche beschreibt die Resonanz als riesig und erklärt die Lösung:"Interessierte Kunden registrieren sich auf fahrzeugschein-scanner.de, erhalten zehn kostenlose Test-Scans, können dann ihr gewünschtes Paket auswählen - 55, 110 Scans pro Monat oder ein unbegrenztes Kontingent für 20 Cent pro Scan - und sofort loslegen."
Equipment ist nicht nötig, Digitalfotos des Scheins können via App mit dem Smartphone oder auch einer Kamera erstellt und an die API-Schnittstelle übermittelt werden."Im Gegenzug erhält der Kunde binnen Sekunden die Digital-Daten im JSON-Format, die in das kundeninterne DMS- oder CRM-System integriert werden müssen - was dank einfacher API-Schnittstelle leicht zu bewerkstelligen ist", so Matovic. Für 300 Euro liefert Autosiastik zudem einen Stand-Scanner als optionale Hardware-Lösung, etwa für den Einsatz in Werkstätten im Tresenbetrieb. Eine grundsätzliche Integration der Lösung bei DMS-Anbietern ist teils schon umgesetzt, teils befinden sich neue Kooperationen derzeit in der Anbahnung. Autosiastik selbst arbeitet mit den DMS Matthies Henry, Rep-Doc Cloud und WM-Kat. "Für diese webbasierten CRM-Systeme haben wir ein Chrome-Plug-in entwickelt", erzählt Kausche. "So werden die Stammdaten des Fahrzeugscheins automatisch in die Systeme integriert."
Schon rund 6.000 Werkstätten nutzen laut Autosiastik den Fahrzeugschein-Scanner. Aber das sei weder die einzige noch die Haupt-Zielgruppe. "Prüforganisationen, Flotten-Dienstleister, Kfz-Versicherer, vor allem auch Online-Teilehandel - überall, wo der Fahrzeugschein vorgezeigt werden muss, kann unsere Lösung einen attraktiven Mehrwert bieten", wirbt Matovic. Mehrwert in Form von (Arbeits-)Zeit- und Geldersparnis. "Wer keine Zeit sparen will, geht nicht mit der Zeit."
Der Scan reduziert laut dem Geschäftsführer auch Fehler, die bei einer manuellen Eingabe schnell mal zu falschen Teilebestellungen oder anderen Folgekosten führen können. Und ganz nebenbei bietet der kontaktlose Scan einen hohen Hygienestandard und ermöglicht volle Aufmerksamkeit auf den Kunden. Außerdem sei die Mitarbeiter-Motivation ein Argument:"Ein Tool, das die Arbeit erleichtert, macht jeden Arbeitgeber attraktiv", meint Matovic.
Mittlerweile zählen 14 Angestellte zum Team, sechs davon arbeiten für die Software-Firma. Die nächsten Ziele der Autosiasten? "Wir wollen expandieren, unsere Werkstatt platzt aus allen Nähten", so Matovic. Mit ihrer Expertise im OCR-Bereich wollen sie außerdem eine Scan-Lösung für europäische Fahrzeugscheinpapiere entwickeln."Aber unser Know-how im Bereich Dokumentendigitalisierung birgt noch viel mehr Potenzial", so Kausche. Fest steht: Genau wie den Galliern bei Asterix traut man auch Autosiastik noch so einige weitere erfolgreiche Abenteuer zu ...
Autosiastik im Profil
2017 gründeten Nikola Matovic und Timo Sternberg den Kfz-Betrieb Autosiastik GmbH in Henstedt-Ulzburg (Schleswig-Holstein). Lag der Fokus zu Beginn noch auf Oldtimern, expandierten sie kurz darauf im Bereich Flottenmanagement. Im Frühjahr 2020 gründeten Matovic und Sternberg gemeinsam mit Rasmus Wachsmuth und Tony Kausche zusätzlich die Autosiastik Software GmbH, unterstützt von der WTSH (Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein). Mittlerweile arbeiten 14 Kfz-Mechatroniker, Mediengestalter, IT-Techniker und Softwareentwickler für beide Unternehmen unter einem Dach.Infos: www.autosiastik.de