Mitführen von Anhängern
Häufig taucht bei der Beschaffung von Dienstwagen in Fuhrparks die Frage auf, ob der Unternehmer versicherungsrechtliche Risiken trägt, wenn er seinen Mitarbeitern gestattet, die Dienstwagen – meist Personenkraftwagen – mit Anhängerkupplungen auszustatten. Haftungs- und versicherungsrechtliche Fragen im Anhängerbetrieb werden so schnell akut.
Verkehrsunfälle mit Beteiligung eines Anhängers können besondere haftungsrechtliche Fragen aufwerfen. Folgend werden unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. Oktober 2010 (Az.: IV ZR 279/08) die wichtigsten haftungs- und versicherungsrechtlichen Grundlagen und Zusammenhänge aufgezeigt.
Anhänger sind zwar keine Kraftfahrzeuge. Seit dem 1. August 2002 besteht jedoch auch für Anhänger eine eigenständige Gefährdungshaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG. Diese Haftung hängt nicht davon ab, ob der Anhänger zulassungs- bzw. versicherungspflichtig ist. Nicht entscheidend ist auch, ob der Anhänger zur Unfallzeit von einem Kfz gezogen wurde.
Auch abgestellte Anhänger können eine Gefährdungshaftung auslösen, sofern der Schaden „bei seinem Betrieb“ verursacht wurde. Entscheidend ist hier „bei seinem Betrieb“, nicht „durch den Betrieb“: Es genügt ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang.
Diese selbstständige Gefährdungshaftung gilt für Anhänger, „die zum Mitführen an Kraftfahrzeugen bestimmt sind“, und besteht auch dann, wenn der Anhänger zum Unfallzeitpunkt nicht mit einem Kraftfahrzeug verbunden war (also im abgekoppelten Zustand).
Nach § 1 Abs. 1 PflVG unterliegen Anhänger ebenso wie Kraftfahrzeuge grundsätzlich der Versicherungspflicht. Versicherungsfrei sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6c PflVG zulassungsfreie Anhänger nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FZV, also insbesondere Anhänger in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und Spezialanhänger zur Beförderung von Sportgeräten oder Tieren.
Achtung: Deckungslücke möglich!
Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges ist eintrittspflichtig, solange der Anhänger mit dem Zugfahrzeug verbunden ist oder der Anhänger sich während des Gebrauchs von diesem löst (§ 3 KfzPflVV). Es sind also Fälle denkbar, in denen es zu einer Deckungslücke kommen kann.
Zu einer Deckungslücke kann es aber nicht nur kommen, wenn ein versicherungsfreier Anhänger von Hand geschoben wird oder es zum Unfall mit einem nicht ordnungsgemäß abgestellten Anhänger kommt.
Der durch einen Anhänger verursachte Schaden ist nach Trennung vom ziehenden Fahrzeug auch noch bei dessen Betrieb entstanden, wenn eine von diesem geschaffene Gefahrenlage fortwirkt, selbst wenn das ziehende Fahrzeug nicht mehr in Betrieb ist. Insoweit besteht also noch keine Deckungslücke. Das Abstellen eines Anhängers zwecks Entladens sowie nach Abladen bis zur Wegfahrt des Zugfahrzeugs gehört auch noch zum Betrieb des Gespanns. Danach aber kann es zur Deckungslücke bei einem versicherungsfreien Anhänger kommen.
Ist ein versicherungsfreier Anhänger mit einem Zugfahrzeug verbunden, kann auch dann eine Deckungslücke entstehen, wenn sich der Geschädigte direkt an den Halter des Anhängers wendet und dieser – ohne Abschluss einer freiwilligen Anhängerversicherung – persönlich haftet.
Besitzt der Halter des Anhängers eine Privathaftpflichtversicherung, ist zu prüfen, ob diese nach den Bedingungen eintrittspflichtig ist, was aber eher selten der Fall sein dürfte.
Beschädigt der Anhänger das vollkaskoversicherte Zugfahrzeug, soll nach einer Entscheidung des BGH vom 6. März 1996 (Az.: IV ZR 275/95) grundsätzlich ein deckungspflichtiger Vollkaskoschaden vorliegen. Das Schleudern des Anhängers gegen das Zugfahrzeug stellt ein unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis dar, da Anhänger und Fahrzeug keine Betriebseinheit bilden. Es liegt somit ein Unfallschaden und kein Betriebsschaden vor. Die AKB 2008 haben als Reaktion auf diese Rechtsprechung Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug als nicht deckungspflichtigen Betriebsschaden ausdrücklich ausgeschlossen.
Versicherungsschutz besteht demnach nur, wenn für die Beschädigung eine Einwirkung von außen ursächlich ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Anhänger zuerst gegen ein Hindernis prallt und von dort gegen das Zugfahrzeug geschleudert wird. Da letztlich entscheidend ist, welche Definition des Unfallbegriffs von der Versicherung zugrunde gelegt wird, ist der Einzelfall an den konkreten Bedingungen des Versicherers zu prüfen.
Haftung bei Fremdschäden
Gegenüber einem Fremdgeschädigten haften der Halter des Zugfahrzeuges und der Halter des Anhängers als Gesamtschuldner. Der Geschädigte hat die Wahl, ob er den Halter des Zugfahrzeuges oder den Halter des Anhängers in Anspruch nimmt.
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2010 (Az.: IV ZR 279/08) mit dem Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis befasst. Dabei stellt er fest, dass Anhänger und Zugmaschine durch die Haftung des Fahrzeugführers als eine Betriebseinheit angesehen werden. Damit wird ein etwaiges Fehlverhalten des Fahrers auch der Anhängerhaftung zugrunde gelegt, wodurch unterschiedliche Haftungsquoten im Innenverhältnis grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Bei der Versicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger (also beider Fahrzeuge) haben nach Ansicht des BGH im Regelfall nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen. Daher kommt es zwischen dem Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeuges und dem des Anhängers im Innenverhältnis im Regelfall zu einer hälftigen Schadenteilung.
Dr. Michael Ludovisy
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Pflicht zur Verwertung
eines Privatgutachtens
Werden in einem Verfahren sowohl ein Gutachten eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen als auch das Gutachten eines privaten Sachverständigen vorgelegt, deren Ergebnisse nicht übereinstimmen, verletzt es den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das von ihm vorgelegte Privatgutachten keine Berücksichtigung findet. Der Richter darf bei der Bewertung der Gutachten den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung noch bei einer Anhörung die Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Richter ein weiteres Gutachten einholen.
BGH, Aktenzeichen IV ZR 190/08, VR Kompakt, 2011, 47
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Geschwindigkeitsüberschreitung von 45 Stundenkilometern
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jemand vorsätzlich gehandelt hat, wenn er die zulässige Geschwindigkeit zwar um mindestens 45 Stundenkilometer überschritten hat, aber offen ist, ob er die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung kannte. Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer erheblichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein vorsätzliches Handeln des Fahrzeugführers angenommen. Kennt dieser die zulässige Höchstgeschwindigkeit jedoch nicht oder geht er unter Umständen von einer höheren zulässigen Geschwindigkeit aus oder geht er sogar von einer unbeschränkten Geschwindigkeit aus, so kann Fahrlässigkeit gegeben sein.
OLG Zweibrücken, Aktenzeichen 1 SSBS 37/10, DAR 2011, 274
Folgeschäden bei Steinschlag: Teilkasko haftet nicht
Wird bei einem Steinschlag das ACC-System eines Fahrzeugs so beschädigt, dass es nicht mehr funktioniert und ausgetauscht werden muss, liegt kein Glasbruchschaden an der Verglasung eines Fahrzeugs vor, der von der Teilkaskoversicherung abgedeckt ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Linsenabdeckung der Gerätschaft in diesem Sinne wie Glas zu behandeln ist oder nicht. Denn der eigentliche Fahrgeschwindigkeitsregler – Tempomat – ist unstreitig nicht aus Glas oder einem vergleichbaren Material. Dann wäre er vom Teilkasko-Versicherungsschutz nur umfasst, wenn er in die Linsenabdeckung integriert wäre oder mit ihr als Zubehör fest verbunden wäre oder ein sogenanntes Vervollständigungsteil darstellte.
LG Verden, Aktenzeichen 2 S 247/09, SVR 2010, 428
- Ausgabe 6/2011 Seite 60 (398.0 KB, PDF)