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Mythen und Fakten zu den Freien

03.07.2017 06:00 Uhr
Mythen und Fakten zu den Freien

In welche Werkstatt dürfen Flottenfahrzeuge eingesteuert werden, ohne die Garantie- und Gewährleistungsansprüche zu verlieren? So mancher Irrglaube hält sich hartnäckig.

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_ Anschaffungspreise, Betriebskosten, Verbrauch, Wartung, Komfort und Image - beim Kauf von gewerblich genutzten Fahrzeugen gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die in die Entscheidung mit einfließen. Doch im Anschluss an die Anschaffung muss jedes Fahrzeug ab und an in die Werkstatt, ob zur Inspektion oder zur Reparatur. Doch in welche Werkstatt darf ich meine Flotte steuern, ohne die Garantie- und Gewährleistungsansprüche zu verlieren?

Nach wie vor ist der Irrglaube verbreitet, dass Garantieansprüche nur dann erhalten bleiben, wenn fällige Wartungen, Servicearbeiten und Reparaturen in den Vertragswerkstätten der Hersteller durchgeführt werden. Doch dies ist so pauschal nicht richtig - sowohl die EU-Vorgaben als auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) haben sich mit dieser Frage beschäftigt: Die Tendenz geht zugunsten der Entscheidungsfreiheit der Halter. Diese Thematik ist brisant, denn die meisten Fuhrparks schließen zur besseren Kalkulationssicherheit und Minimierung von Risiken über die Nutzungsdauer der Fahrzeuge im Fuhrpark entsprechende Garantien ab oder bekommen diese vom Hersteller mitgeliefert.

Abgrenzung: Garantie, Gewährleistung, Kulanz

Die Garantie ist eine vertragliche Leistung eines Garantiegebers. Das können unterschiedliche Vertragspartner sein, vor allem Hersteller, Händler oder auch unbeteiligte Dritte (zum Beispiel Garantieversicherer). Sinn und Zweck ist die Absicherung der Funktionsfähigkeit bestimmter Teile über einen festgelegten Zeitraum sowie eine vorab fixierte Laufleistung.

Unterschiedliche Garantieleistungen

Basis eines Garantieanspruchs sind hier immer vorgegebene Garantiebedingungen, welche unterschiedlich ausgestaltet sind, je nachdem um welche Garantie es sich handelt. Bei der Höhe der zu erstattenden Leistung gibt es von "All-inclusive-Paketen" bis hin zu kilometerabhängigen Kostenersatz-Staffeln flexible Ausgestaltungen.

Übernimmt der Hersteller freiwillig eine Garantie für eine Beschaffenheit, so stehen dem Käufer im Garantiefall unbeschadet der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer die Rechte aus der Garantie gegenüber demjenigen zu, der die Garantie gegeben hat (§ 443 BGB).

Die Gewährleistung (= Sachmangelhaftung) hingegen ist kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch und bezieht sich auf die Mangelfreiheit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer. Die Gewährleistung ist im Gesetz verankert und regelt die Rechte zwischen Käufer und Verkäufer.

Ist ein Fahrzeug mangelhaft, kann der Käufer Nacherfüllung verlangen, den Kaufpreis mindern oder gegebenenfalls vom Vertrag zurücktreten. Gewährleistung bedeutet also, dass der Verkäufer dafür einsteht, dass die verkaufte Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Die Gewährleistungsfrist beträgt gemäß § 438 BGB zwei Jahre und beginnt mit der Auslieferung des Fahrzeuges. Lediglich bei Gebrauchtfahrzeugen kann sie unter bestimmten Voraussetzungen auf ein Jahr verkürzt werden.

Wie heißt es so schön? Gewährleistung ist die gesetzliche Pflicht, Garantie die vertragliche Kür.

Garantiebedingungen

Kommen wir zum Hauptthema: der Garantieausgestaltung. Eine Garantie ist grundsätzlich inhaltlich frei zu gestalten, da es sich um einen Vertrag zwischen zwei Parteien handelt. Doch wie es bei Verträgen der Fall ist, unterliegen diese einer gewissen Inhaltskontrolle. Die freie Gestaltung der Garantiebedingungen hat mithin ihre rechtlichen Grenzen. Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob der Garantiegeber seine Leistung davon abhängig machen darf, ob das Fahrzeug zuvor in Markenwerkstätten gewartet worden ist.

Alte Rechtsprechung: Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat entschieden, dass eine vom Hersteller gewährte Garantie davon abhängig gemacht werden kann, dass der Käufer/Garantienehmer die Wartung nach Herstellervorgaben in Vertragswerkstätten des Herstellers ausführen lässt (BGH, Urteil vom 12.12.2007, VIII ZR 187/06). Allerdings ist dieses Urteil heute überholt, da es zum damaligen Zeitpunkt die Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung noch nicht gab.

Mit der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (EU) Nr. 461/2010 hat die EU dafür gesorgt, dass zwischen den freien und den Markenwerkstätten Waffengleichheit herrscht. Konkret bedeutet dies, dass Wartungsarbeiten und Servicearbeiten nicht mehr zwingend bei einer Vertragswerkstatt des Herstellers des gekauften Fahrzeugs durchgeführt werden müssen. Der Käufer oder Eigentümer darf eine Werkstatt nach Wahl beauftragen und sich aussuchen, ob er eine Markenwerkstatt oder freie Werkstatt besucht.

Stammen die Garantiezusagen von den Fahrzeugherstellern und/ oder ihren Vertragswerkstätten, dann müssen die Garantiebedingungen mit der GVO und dem Kartellrecht vereinbar sein. Grundvoraussetzung für den Erhalt der Garantie bleibt jedoch, dass - egal in welchem Betrieb - die Arbeiten nach den Herstellervorgaben durchgeführt werden müssen.

Garantietypen

Im Laufe der Zeit haben sich folgende Garantietypen herausgebildet:

- Neuwagengarantie

- Neuwagenanschlussgarantie

- Durchrostungsgarantie

- Gebrauchtwagengarantie

Neue Rechtsprechung: Sie unterscheidet bisher in den rechtlichen Voraussetzungen zwischen bezahlten Garantien (beispielsweise Neuwagenanschlussgarantie, Gebrauchtwagengarantie) und kostenlosen Garantien (herstellerseitige Neuwagengarantien).

Während bei "erkauften" Garantien die Rechtsprechung zweifelsfrei dahin geht, dass Loyalitätserfordernisse, das heißt Markentreue, eine unzumutbare Benachteiligung darstellen, ist die Rechtsprechung bei den kostenlosen Garantien noch nicht ganz einhellig.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes soll der Verkäufer durchaus Markenloyalität erwarten können. Die Abhängigkeit der Leistung an die Bindung an bestimmte Werkstätten zu knüpfen sei daher zum Zweck der Kundenbindung legitim und zulässig (BGH, Urteil vom 12.12.2007, VIII ZR 187/06).

Dieses Urteil hat jedoch den großen Haken, dass die GVO mangels Vortrag im Gerichtsverfahren noch kein Bestandteil der Entscheidung war. Mithin wäre es nur konsequent, aus rechtlichen Gründen zu sagen: Unabhängig von der Art der Garantie sind allgemeine Geschäftsbedingungen, wonach ein Kunde seine Garantieansprüche verliert, wenn nicht in herstellerseitig vorgegebenen Markenwerkstätten gewartet und repariert wird, unwirksam, da sie gegen geltendes EU-Recht verstoßen.

Fazit und Praxishinweis

Grundsätzlich haben Unternehmen mit ihren Flottenfahrzeugen freie Werkstattwahl. Solange alle Arbeiten nach Herstellervorgaben vorgenommen werden, dürfen im Anschluss Gewährleistungs- und Garantieansprüche nicht aus diesem Grunde heraus pauschal verwehrt werden.

Fuhrparkbetreiber sollten zunächst den Inhalt ihres Garantievertrages prüfen. Ist dort geregelt, dass Wartungs- und Servicearbeiten nach Herstellerangaben vorgenommen werden müssen oder ist konkret auf Herstellerwerkstätten abgestellt? Im zweiten Fall sollte unterschieden werden, ob es sich um eine kostenlose Garantie handelt oder um eine Garantie gegen (Auf-)Preis.

Doch Vorsicht: Eine Werkstattbindung kann sich auch aufgrund des Leasingvertrages oder auch des Versicherungsvertrages ergeben. Daher sollte zunächst dringend ein Blick in die jeweiligen Verträge geworfen werden.

Inka Pichler-Gieser

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Partnerin der Kanzlei Kasten & Pichler in Wiesbaden

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