2018 beschloss das EU-Parlament das Verbot von Einwegprodukten aus Plastik wie Strohhalmen, Besteck oder Rührstäbchen. Hintergrund war der Wunsch, den Plastikmüll in den Ozeanen einzudämmen. Wenn weniger Kunststoff verwendet wird, sinkt außerdem der Bedarf an Erdöl für dessen Herstellung. Diese Entscheidung der EU ist somit auch eine Entscheidung für etwas mehr Nachhaltigkeit.
Denn ursprünglich bezeichnete man mit diesem Begriff den Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Daraus entstand später das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit. In diesem nimmt die ursprüngliche Idee den Platz der ökologischen Nachhaltigkeit ein. Eine ökologisch nachhaltige Lebensweise verbraucht nur so viel an natürlichen Lebensgrundlagen, wie sich auch regeneriert. Gerade der Umgang mit fossilen Brennstoffen wie Erdöl ist jedoch alles andere als ökologisch nachhaltig - das ist schlicht nicht möglich. Denn entstanden ist Erdöl über Jahrmillionen hinweg aus abgestorbenen Meereskleinstlebewesen. Dagegen lag der weltweite Verbrauch von Mineralölprodukten allein im Jahr 2018 laut der Energiestudie 2018 der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bei nicht weniger als 4.593 Megatonnen - 4,2 Prozent höher als im Vorjahr.
Die Energiestudie geht davon aus, dass im Jahr 2040 die Hälfte der heute ausgewiesenen Erdölreserven verbraucht sein wird. Wie lange die Reserven noch ausreichen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel dem Anstieg des Bedarfs oder der Größe der Reserven. Die Schätzungen schwanken zwischen 50 Jahren bei Greenpeace und 140 Jahren beim Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie. Der kleinste gemeinsame Nenner bleibt die Erkenntnis, dass Erdöl endlich ist.
Alternativen gesucht
Also sind Alternativen wie E-Fuels gefragt. Nicht nur Verbände sehen die synthetischen Kraftstoffe als echte Chance an, auch von der Politik erhält das Thema mehr und mehr Aufmerksamkeit. Zwei weitere Alternativen stellen - und hier schließt sich der Kreis mit dem Plastikmüllproblem - die Anlagen des Dresdner Unternehmens Biofabrik dar. Die sogenannte "Wastx Plastic" stellt aus Plastikmüll Kraftstoff her, die "Wastx Oil" wiederum erzeugt Kraftstoff aus Mineralölabfällen.
Die Idee entstand aus dem Bedürfnis von Gründer und Geschäftsführer Oliver Riedel heraus, eine der aktuell größten Herausforderungen anzugehen: das Plastikmüllproblem. "Als wir gestartet sind, hatten wir nicht den heimischen Markt im Kopf, sondern zum Beispiel den südostasiatischen. Jeder kennt die Bilder von Plastik, das an den Stränden angespült wird", erzählt Biofabrik-Pressesprecher Tim Feige. Zu Beginn sei das Team davon ausgegangen, dass Deutschland einen gut geschlossenen Müllkreislauf hat. Seit China aber ein Importverbot von ausländischem Abfall erlassen hat, ändert sich die Situation und auch in Deutschland werden neue Möglichkeiten wieder relevant.
Quasi-Destillation
Die beiden Anlagen der Dresdner funktionieren mit unterschiedlichen Technologien. Verschmutzten Diesel und Heizöl bereitet die Wastx Oil bereits jetzt serienmäßig auf. Die Verarbeitung von Alt-, Motorenund Getriebeölen wird demnächst serienmäßig funktionieren, kündigt Feige an. Dann könne die Anlage etwas über zwei Tonnen verschmutzten Diesel und knapp zwei Tonnen Altöle pro Tag aufreinigen. "Die Mineralölabfälle werden quasi destilliert", erklärt Feige. Die Anlage erhitzt sie stark und kondensiert sie aus. Aus Motorenöl wird dann wieder Basisöl, aus Kraftstoffen wird wieder das Ursprungsprodukt.
Die Wastx Plastic nutzt eine andere Technologie: Das Material wird unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt. "Dabei brechen sich die langen Kohlenstoff-Wasserstoffketten auf und verflüssigen sich. Sie werden ebenfalls auskondensiert", erklärt Feige. So entsteht flüssiger Kraftstoff mit vom Heizwert ähnlichen Eigenschaften wie Diesel. Das Produkt, das in diesem Pyrolyse-Prozess entsteht, ist also noch kein sofort nutzbarer Dieselkraftstoff, betont der Pressesprecher. Es könnte aber raffiniert werden. Als klassische Verwendung war die Verstromung in Generatoren angedacht. Ob das Produkt beispielsweise für die Schifffahrt geeignet ist, wird derzeit noch erforscht.
Biofabrik kooperiert seit Kurzem mit der Umweltorganisation "One Earth, One Ocean", die Gewässer weltweit von Plastikmüll, Öl und Chemikalien befreien möchte. In einem mehrtägigen Dauerlauf verarbeitete etwa eine Wastx-Plastic-Anlage rund 300 Kilogramm aus dem Meer gesammelten Plastikabfall. "Die Vision ist, dass das Schiff einmal eine Anlage an Bord hat und mit dem direkt dort verölten Müll fährt", beschreibt Feige das Ziel, sollte das Produkt für die Schifffahrt geeignet sein.
Anlage auf dem Hof
Die Ölanlage ist ab 15 Tonnen im Monat rentabel, erklärt der Pressesprecher, und hält es für eine Möglichkeit, dass Mineralölunternehmen oder Tankstellenbetreiber sie sich auf den Hof stellen. "Dieseltanks müssen auch gereinigt werden. Es ist durchaus denkbar, dass man eine Wastx Oil nimmt, um Kraftstoff aufzureinigen."
Die Wastx Plastic steht kurz vor der Serienproduktion und wird dann mit einer Kapazität von einer Tonne pro Tag ausgeliefert. "Sie ist umso rentabler, je näher man an diese Tonne kommt", sagt Feige. Ob bei einem einzelnen Tankstellenbetreiber genug Plastikmüll am Tag anfällt, hält er aber für fraglich. Da das Unternehmen die Anlagen nicht "auf Nimmerwiedersehen" verkaufen möchte, bietet es stattdessen ein alternatives Modell an. Biofabrik beteiligt sich am Kraftstoffhandel und gibt die Anlage dafür deutlich unter dem Listenpreis, für einen niedrigen sechsstelligen Betrag, raus. "Wir haben dann natürlich ein Interesse daran, dass die Anlage läuft und stellen den Support kostengünstig zur Verfügung", erläutert Feige. Ökologisch nachhaltig sind die Anlagen in jedem Fall: Sie bieten eine Alternative zum Mineralöl und könnten so den Raubbau an der Natur verringern.
Reisen erweitert Horizonte
Das ist leider kein arrangiertes Foto. Plastikmüll liegt tonnenweise an Traumdestinationen weltweit. Ist Kraftstoff aus Abfall die Lösung?
Die Vision ist, dass Schiffe den Plastikmüll während der Fahrt aufsammeln und mit dem direkt dort verölten Müll fahren.
- Ausgabe 12/2019 Seite 48 (233.4 KB, PDF)