Selbstversorger
Mit dem Ampera bringt Opel ab November das erste Elektroauto ohne „Reichweitenangst“ auf den Markt.
Hexen kann zwar auch Opel nicht, doch wenn die im Unterboden verbaute 16-kWh-Lithium-Ionen-Batterie – abhängig von Parametern wie Fahrweise, Streckenprofil, Anzahl der genutzten elektrischen Verbraucher oder Außentemperatur – nach einer Distanz zwischen 40 und 80 Kilometern „leergesaugt“ ist, muss der Ampera nicht zwangsläufig an den Tropf, sprich an die Steckdose, um seine Fahrt fortsetzen zu können.
Denn: Immer dann, wenn der 198-Kilo-Akku ein definiertes Minimum erreicht hat, tritt unauffällig und kaum hörbar ein 86 PS-starker Vierzylinder-Benziner als sogenannter Range-Extender (Reichweitenverlängerer) in Aktion, der über einen Generator den 150 PS leistenden Elektromotor mit Energie versorgt, bis die 35 Liter Tankvolumen aufgebraucht sind. Insgesamt sind dadurch mit dem Ampera, den Opel in Deutschland wie alle Modelle mit einer „lebenslangen“ Fahrzeuggarantie bis 160.000 Kilometer offeriert – mehr als 500 Kilometern am Stück möglich. Der Übergang vom rein elektrischen Batteriebetrieb zum generatorunterstützten elektrischen Antrieb erfolgt nahtlos und automatisch.
Wieder geladen wird die Lithium-Ionen-Batterie, auf die Opel übrigens eine achtjährige Garantie – ebenfalls bis 160.000 Kilometer Laufleistung – gewährt, nicht „intern“ via Range-Extender, sondern ausschließlich „extern“. Laut Opel dauert das Vollladen der Batterie an einer haushaltsüblichen 230-Volt-Steckdose mit 16-Ampere-Sicherung rund vier Stunden. Dazu hat der Ampera ein sechs Meter langes Stromkabel samt Trommel serienmäßig an Bord.
In der Praxis funktioniert das komplexe, hier nur vereinfacht beschriebene System absolut perfekt und unauffällig. Herrlich gleichmäßig und dabei nur leise sirrend legt sich der Ampera mittels stufenlosem Getriebe bei Bedarf mächtig ins Zeug. Die von Opel für den Fronttriebler versprochenen neun Sekunden für den Spurt von null auf Tempo 100 erscheinen realistisch, sollten als „Reichweitenkiller“ jedoch genauso selten voll abgerufen werden wie die auf 161 km/h limitierte Höchstgeschwindigkeit.
All das serviert Opel auf 4,50 Metern Länge, innen wie außen optisch attraktiv verpackt. Und: Als vollwertiger Viersitzer konzipiert und mit einem variablen Laderaum von 310 bis 1.005 Litern ausgestattet, bietet der Ampera Platz und Komfort wie ein „normaler“ Vertreter der Mittelklasse. Nur das Cockpit, das mittels zweier Monitore über „alles“ umfassend informiert, erfordert analog zu den Sensorflächen auf der Mittelkonsole ein gewisses Maß an „Aufgeschlossenheit“.
Das Gewöhnungsbedürftigste am erfreulich komfortabel abgestimmten Ampera sind jedoch – so komisch es klingen mag – die rekuperativ arbeitenden Bremsen. So verzögert bei leichtem Antippen des Pedals lediglich der Generator, die konventionellen Scheiben werden erst bei stärkerem Bremsen „zugeschaltet“. Resultat dieses Konstrukts: ein synthetisches Pedalgefühl und eine nicht ganz so feinfühlige Dosierbarkeit.
Der Opel Ampera hat das Zeug dazu, eine neue Ära im Automobilbau einzuläuten. Ein kleinerer Range-Extender würde jedoch dicke reichen und noch dazu die nicht allzu üppig ausgefallene Zuladung von 268 Kilo erhöhen.
Trefflich streiten lässt sich über den Preis von 36.050 Euro. Entscheidend wird sein, welches „Leasingmodell“ dabei herauskommt. Hält sich der Mehrpreis gegenüber vergleichbaren konventionellen Produkten in Grenzen, könnte der voll praxistaugliche Ampera in vielen Fuhrparks seine Anhänger finden. Wenn nicht, wird er dort nicht über eine Alibifunktion hinauskommen. Jammerschade! MMD
- Ausgabe 8/2011 Seite 30 (327.2 KB, PDF)