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Strompreisentwicklung: Aufgeladene Situation

02.05.2022 06:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
E-Mobilität Elektroauto Elektromobilität
HPC-Schnelllader sind, wie der Name schon sagt: schnell. Und teuer. Das Gros der Ladungen erhalten E-Fahrzeuge an den Wallboxen in der Firma oder zuhause. So fächert sich auch die Preistabelle auf. Nun steigen die Einkaufspreise, was auch die Flotten belasten wird.
© Foto: Michael Blumenstein/Autoflotte

Die Kosten fürs Laden von E-Fahrzeugen steigen, insbesondere an öffentlichen Stationen mit Schnellladern. Experten prognostizieren: Die Spitze ist für Flottenverantwortliche 2022 noch nicht erreicht.

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Während die Elektromobilität in den Flotten in Fahrt kommt und der Anteil an reinen Stromern plus Plug-in-Hybriden laut Dataforce bis Ende 2021 auf 21,3 Prozent gestiegen ist, erklimmen die Strompreise neue Höhen. So meldete der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Januar für kleine und mittlere Industriebetriebe einen Anstieg um 5,3 Cent (ct) pro Kilowattstunde (kWh) gegenüber dem Jahresmittel 2021. Das entspricht einer Steigerung von rund 27 Prozent. Selbst Großabnehmer zahlen bei Neuverträgen deutlich mehr (siehe Tabelle S. 32).

Große Versorger noch stabil

Die durch den Ukraine-Krieg getriebene enorme Volatilität bei den Primärrohstoffen wie Gas, Kohle und Öl und infolgedessen im sekundären Strommarkt können die großen Anbieter wie EnBW und E.ON nach eigenen Angaben für ihre Bestandskunden an den öffentlichen Ladesäulen noch abfangen. Die Preise bei EnBW bewegen sich derzeit bei den Tarifen für Businesskunden zwischen rund 36 ct bis 79 ct brutto pro kWh (letzterer an Ionity-Ladepunkten) - ohne Kosten wie Grundgebühren bei Vielfahrertarif oder Blockiergebühr. "Wir haben im vergangenen halben Jahr sowohl für Privat- als auch für BusinesskundInnen keine Preisanpassungen durchgeführt", konstatiert Peter Siegert, Leiter Lösungsvertrieb Elektromobilität bei EnBW. Und es seien aktuell keine Anpassungen der "Business Mobility+"-Tarife geplant. Aber: Man beobachte die Situation an den Energiemärkten sehr genau. Eine Aussage zur langfristigen Entwicklung lasse sich aufgrund der Dynamik nicht treffen.

Auch E.ON äußert sich zur Situation für Flottenkunden. "Wir haben unsere Preise seit Anfang April 2021 stabil gehalten", sagt Christoph Ebert, verantwortlich für B2B-Mobilitätslösungen in Deutschland. Die reinen Ladekosten im E.ON Drive Business-Tarif pro kWh starten bei 39 ct brutto und reichen bis 79 ct an den Säulen des Partners Ionity. Die Preise für die E.ON Drive-Kunden sollen bis auf weiteres stabil bleiben. Ebert wagt jedoch keine Prognose bis Ende des Jahres.

Kapriolen an den Strombörsen

Der Druck im Einkauf ist jedenfalls enorm, da die Beschaffungskosten über die Strombörsen massiv gestiegen sind. Wie sich diese entwickelt haben, erläutert der Einkäufer eines ländlichen Energieversorgers mit zirka 55.000 Kunden. Er will nicht genannt werden, schildert aber anschaulich die Rallye bis Ende März. Die Maßeinheit für ihn ist Euro pro Megawattstunde (MWh). Wird dieser Wert durch zehn geteilt, erhält man die kundenrelevanten Cent pro kWh.

Nach seinen Daten hat der Anstieg der für Grundlast gehandelten Preise im Sommer vergangenen Jahres bei etwa 70 Euro pro MWh begonnen. Am 21. Dezember wurde der Höchststand von rund 320 Euro erreicht und ist bis 21. März 2022 wieder auf einen Wert von 157 Euro gesunken. Damit war der Preis immer noch mehr als das Zweifache höher als im Sommer 2021. "Wenn man die Preise für die Spitzenlast hinzurechnet, sind wir bei insgesamt rund 200 Euro, also 20 Cent pro kWh in der Beschaffung", so der Experte.

Impulse dafür sieht er in der Debatte um North Stream 2, die bereits im Herbst verstärkt geführt wurde, sowie die massive Verteuerung der europäisch gehandelten CO2-Zertifikate, welche die Industrie je nach Bezug der Primärenergiequelle für Strom erwerben muss. "Der bis dahin bevorzugte Rohstoff Kohle wurde dementsprechend teurer, so dass eine Gewichtung etwas mehr zum emissionsärmeren Gas stattfand. Von 2010 bis 2020 war der Preis nie höher als 20 Euro pro Tonne. Danach hat er sich phasenweise fast verfünffacht." Hinzu kommen die Abgaben und Steuern an den Fiskus.

Verteuerung bei Neuverträgen

Die Preissteigerungen im Einkauf sickern bereits durch. "Demzufolge werden Neuverträge für die Grundversorgung inzwischen mit einem Preis von 43 bis 46 Cent oder mehr pro kWh abgeschlossen. Das sind Sprünge von teilweise über 60 Prozent zu den bisherigen Tarifen", sagt Timo Martin, Finanzvorstand bei Zukunft Mobil Baden-Württemberg. Auch Bestandskunden, deren Preisgarantie oder Verträge ablaufen, sind fortan betroffen. "Bei den anderen Bestandskunden dürften die Erhöhungen aber frühestens Mitte 2023 oder Anfang 2024 voll durchschlagen, je nachdem, wie die langfristige Einkaufsstrategie der Versorger ist", schätzt Martin.

Strompreise für Industrie
© Foto: VEA, BDEW

Laden zu aktuellen Preisen

An den öffentlichen Ladesäulen kommen zu den markt- und politikbedingten Preisen für Haushalte und Industrie noch eine Umlage für den Aufbau, Betrieb und die Instandhaltung der Stationen obendrauf. Was dies in der Praxis bedeutet, rechnet der Finanzvorstand von Zukunft Mobil BW vor:"Bei einem Pkw-Ladevolumen von beispielsweise 80 kWh und einer Netto-Reichweite nach Herstellerangaben von 450 Kilometern, braucht der Fahrer 17 kWh auf 100 Kilometer. Lädt er an einer DC-Säule für 0,56 Euro pro kWh, kostet das rund 9,50 Euro. Bei erfahrungsgemäß geringerer Reichweite als angegeben oder sportlicherer Fahrweise schrumpft die tatsächliche Reichweite schnell auf 300 Kilometer, so dass die Kosten auf fast 15 Euro pro 100 Kilometer klettern können." An Schnellladestationen wird es noch teurer. Nach Meinung von Martin sollte Flottenbetreibern daher bei der Elektrifizierung stets klar sein, wie wichtig eine eigene Ladeinfrastruktur auf dem Betriebsgelände sowie zuhause bei den Mitarbeitern ist."Eigenerzeugung und -verbrauch via Photovoltaik bekommt einen noch höheren Stellenwert. Erst wenn Unternehmen es schaffen, einen möglichst hohen Autarkiegrad zu erreichen, gelingt eine schnellere zufriedenstellende Amortisation", sagt Martin.

Prognosen für 2022 ff.

Trotz der aktuellen Anspannung ist wiederum der Einkäufer des Energieversorgers verhalten positiv gestimmt für die kommenden Jahre. "Meiner Ansicht nach sind etwa der Wegfall der Atomkraftwerke Ende 2022 und die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine eingepreist. Wenn nicht noch andere Ereignisse eintreffen, sollte zumindest bei den reinen Börsenpreisen 2023 das Schlimmste überwunden sein." Von Prognosen zu den Strompreisen in den kommenden Monaten oder gar Jahren sieht Steffen Link ab. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme, Geschäftsfeld Energiewirtschaft, des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung zeigt jedoch mögliche Entwicklungen auf, die für ein Steigen oder Absenken sprechen. Zum einen hänge die Preisentwicklung in den nächsten Monaten stark von wirtschaftlichen und (geo-) politischen Entwicklungen ab und sei aktuell aufgrund der Kriegssituation und dem damit einhergehenden Preisanstieg für konventionelle Energieträger schwer vorherzusehen. Zweiter Einflussfaktor laut Link: "Zum 1. Juli 2022 wird die EEG-Umlage voraussichtlich vollständig entfallen. Die aktuelle Regelung sieht vor, dass Stromversorger diese Absenkung an die Endkunden weitergeben müssen. Damit sinkt der Strompreis um 3,72 ct/kWh." Drittens könnte eine kurzfristige Erhöhung des Kohleanteils zur Kompensation russischen Gases in der Stromgestehung zu geringen Strompreissteigerungen führen. "Einerseits sind die reinen Stomgestehungskosten von Kohlekraftwerken im Allgemeinen geringer bis ähnlich hoch wie für Gaskraftwerke oder Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk", so der Wissenschaftler. "Andererseits führt dies aber zu einer höheren CO2-Belastung. Entsprechend führt der CO2-Zertifikatepreise zu einer Überkompensation und damit zu höheren Preisen. Mit einer mittel- bis langfristigen Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Strommix wird dieser Effekt jedoch nichtig. Das'Osterpaket' sieht einen Anteil von 80 Prozent in 2030 vor."

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