Seit 2018 diskutieren auf der "be connected conference" jährlich Experten und Unternehmer Probleme, Trends und Geschäftsmodelle rund um die Elektromobilität. Hauptthema in diesem Jahr war das Laden. Auch wenn die diesjährige IAA vielen als Flop in Erinnerung bleibt und mancher mutmaßt, dies sei die letzte Auflage der Messe gewesen, so hat sie doch eines gezeigt: Ab kommenden Jahr wird das Angebot an reinen Elektroautos deutlich zunehmen. Damit rückt für die Anbieter von Wallboxen, öffentlichen Ladestationen oder Ladekartenlösungen der Sprung aus der Nische in den Massenmarkt in greifbare Nähe. Dementsprechend herrscht in diesem Teil der Automobilbranche Aufbruchsstimmung. Die war auch auf der "be connected conference" spürbar, welche Mitte September in Ismaning bei München zum zweiten Mal stattfand. Ziel der zweitägigen Fachveranstaltung war, über aktuelle Herausforderungen und Trends im Bereich der E-Mobilität zu informieren, erfolgreiche Projekte und Geschäftsmodelle vorzustellen und Unternehmen aus der Branche - vom OEM über den Handel bis hin zu Ladesäulenanbietern und Stromversorgern - zu vernetzen.
Ohne den Handel geht es nicht
Den ersten Fachvortrag der Konferenz hielt Martin Roemheld, Head of E-Mobility Services bei Volkswagen. Darin schilderte er die Pläne und Prognosen von VW zur Elektromobilität. So rechnet der Konzern damit, dass reine Elektroautos (BEV) bis 2040 in Europa auf einen Marktanteil von rund 70 Prozent kommen werden. Dementsprechend will Volkswagen bis 2025 gleich 50 neue BEV-Modelle auf den Markt bringen und bis zum Jahr 2050 eine CO2-freie Fahrzeugflotte erreichen.
Zudem plant der Konzern bis 2025 europaweit 36.000 neue Ladepunkte. Dabei sei der Handel ein wichtiger Partner, so Roemheld. Dessen Elektro-Skepsis - etwa wegen der befürchteten Einbrüche im Aftersales - wolle man bis zur Markteinführung des ID.3 mit Infoveranstaltungen begegnen. Zudem arbeite VW an neuen Geschäftsmodellen, mit denen die Verluste im Service ausgeglichen werden könnten. Ziel sei, dass der Handel die Elektromobilität als Chance begreift und sich auf das Thema einlässt. Beispielsweise sei öffentliche Ladeinfrastruktur hervorragend geeignet, um potentielle Kunden in die Showrooms zu bringen.
Rentable Ladeinfrastruktur
Das sah auch Martin Klässner ähnlich. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Abrechnungsexperten "has·to·be" (siehe Autoflotte 6/2019, S. 28), der die Konferenz 2018 ins Leben gerufen hat. Das Salzburger Unternehmen, an dem Volkswagen seit Ende Juli 2019 eine 25-Prozent-Minderheitsbeteiligung hält, entwickelt und vertreibt Backend-Verwaltungssoftware für Ladestationen. Diese läuft unter anderem auf der VW-eigenen Ladeinfrastruktur, den Ladesäulen des Ladeanbieters Ionity sowie in etlichen Autohäusern.
Für Kunden wie etwa Autohäuser übernimmt der Dienstleister als White-Label-Anbieter die Abrechnung der Ladevorgänge an deren öffentlich zugänglichen Stationen. Klässner zeigte sich in seiner Keynote davon überzeugt, dass der Lade-Markt demnächst enorm in Bewegung kommen werde. "Die entscheidenden Spots für Ladeinfrastruktur werden sehr bald rentabel", sagte Klässner voraus. Das seien vor allem Standorte nahe Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten sowie in den Innenstädten.
Entscheidend sei für Klässner, dass Fahrer und Infrastruktur vernetzt sein müssen und der Ladevorgang unkompliziert und "schmerzfrei" möglich sei.
User-Experience häufig schlecht
Diesem "Lade-Schmerz" widmete sich Carsten Puhl von Hubject. Das Unternehmen ermöglicht flächendeckendes Laden durch E-Roaming, indem es auf einer Plattform Ladeinfrastrukturbetreiber und Fahrstromanbieter untereinander vernetzt. Puhl bemängelte in seinem Vortrag, dass die User-Experience beim Laden von Elektroautos derzeit meist massiv zu wünschen übrig lasse. So seien Preise oft intransparent, der Ladevorgang unzuverlässig und von Ausfällen geprägt und die Kommunikation mit dem Nutzer sehr unzureichend.
Die Anbieter von Ladeinfrastruktur und die Anbieter der Ladelösungen müssten daher untereinander besser kommunizieren, kooperieren und möglichst bald den ISO Standard 15118 implementieren. Dieser ermöglicht das sogenannte Plug and Charge, bei dem Nutzer ihr Fahrzeug nur noch anstecken müssen. Der anschließende Ladevorgang beginnt dann automatisch, nachdem Fahrzeug und Ladeinfrastruktur die jeweiligen Autorisierungsdaten ausgetauscht haben. Ist dann der Ladevorgang später beendet, ermöglicht der Standard die automatische Abrechnung, ohne dass noch eine weitere Aktion des Fahrers nötig wäre.
Darüber hinaus ermöglicht der Standard, Elektroautos als mobile Energiespeicher ans Energienetz anzubinden. Wie das aussehen könnte schilderte Marcus Fendt von The Mobility House anhand eines Pilotprojektes auf der portugiesischen Insel Porto Santo. Die Insel will in den kommenden Jahren mit Hilfe von Elektrofahrzeugen als Stromspeicher vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen. Die Münchner stellen dafür die Lastmanagement-Software bereit und beraten beim Bau der Ladeinfrastruktur. In seinem Vortrag zeigte Fendt wie Lastmanagement-Software hilft, die Energiekosten im Griff zu behalten.
Dass der Gesamtmarkt wachsen wird, verdeutlichte Klässner in seiner Prognose: "Wir gehen davon aus, dass die Elektromobilität in den nächsten Monaten und Jahren ganz stark vom B2B-Bereich getrieben sein wird. Wir werden sehen, dass Unternehmen ihre Flotten stark mit E-Fahrzeugen ausstatten werden. Der Privatmarkt wird erst in drei bis vier Jahren relevant anziehen, wenn die Leasingrückläufer den Gebrauchtwagenmarkt eröffnen." Der Handlungsdruck für die Flottenbetreiber wächst also.
- Ausgabe 11/2019 Seite 48 (195.9 KB, PDF)