Am 28.4.2020 trat die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und damit vor allem zur Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO), der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) und der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) in Kraft.
Die Bußgeldregelsätze wurden umfassend überarbeitet. Autofahrer müssen seitdem wissen, dass Geschwindigkeitsverstöße inner- und außerorts erheblich härter sanktioniert werden. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen bis 20 km/h wurden die Regelsätze verdoppelt, die Grenze für ein Fahrverbot von einem Monat innerorts auf 21 km/h Überschreitung und außerorts auf 26 km/h gesenkt. Diese neuen Regelungen sind nach vielfacher Kritik unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung getroffen worden.
Deutliche Kritik hagelte es auch, weil einerseits nun schwere Lkw und leichte Fahrzeuge (Pkw, Motorrad) in diesen Punkten gleichbehandelt werden und andererseits, weil eine jahrzehntelang funktionierende Systematik von leichten, normalen und groben Pflichtenverstößen zur Beurteilung der Verhängung eines Fahrverbots aufgegeben wurde.
Das "Durcheinander" bei Geschwindigkeitsübertretungen im Einzelnen: Übertretungen von 16 bis 20 km/h
Viele Autofahrer vermuteten zunächst, dass mit der Neuregelung bei Überschreitungen bereits ab 16 km/h, statt wie bisher erst ab 21 km/h, ein Punkt in Flensburg eingetragen würde. Dies wäre durch den Umstand, dass diese Verstöße mit einem Bußgeld ab 60 Euro geahndet werden sogar systemisch konsequent gewesen. Tatsächlich jedoch erfolgte keine entsprechende Änderung zur Punktebewertung in der Anlage 13 zur FeV im Zusammenhang mit der aktuellen StVO-Reform. Dies führt dazu, dass bei Überschreitungen von 16 bis 20 km/h bis auf weiteres kein Punkt in Flensburg eingetragen wird.
Die Folge "Fahrverbot"
Die Neuregelung führt dazu, dass Geschwindigkeitsverstöße innerorts ab 21 km/h und außerorts bereits ab 26 km/h zu einem Regelfahrverbot führen.
Dennoch wird bei Übertretungen bis 30 km/h innerorts und 40 km/h außerorts nur ein Punkt eingetragen. Auch hierzu wurde die Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung im Zusammenhang mit der StVO-Reform nicht geändert.
Dieses Durcheinander und das nicht schlüssig gestaffelte Sanktionssystem bei Geschwindigkeitsüberschreitungen wird dann jetzt wohl zur Reform der Reform führen. Zumindest wird dies in den Medien schon heftig diskutiert.
Wie der Presse zu entnehmen ist, sah der Bundesverkehrsminister bereits drei Wochen nach Inkrafttreten der StVO-Novelle die neuen Fahrverbote bei Tempoverstößen als "unverhältnismäßig" an und verkündete deshalb, mit den Bundesländern Korrekturen zu besprechen.
Weitere Verschärfung möglich
Das Bundesverkehrsministerium prüft derweil anscheinend, ob durch eine Änderung der Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung eine Verschärfung nicht sogar dahingehend vorgenommen werden muss, dass tatsächlich ab 16 km/h ein Punkt eingetragen wird und bei einem Fahrverbot stets zwei Punkte eingetragen werden.
Ob dies eine Rückkehr zu den bisherigen Grenzen (31 km/h innerorts bzw. 41 km/h außerorts) zur Folge haben wird oder zu einem Kompromiss führt (etwa 26 km/h innerorts bzw. 31 km/h außerorts), ist bislang noch offen.
Allerdings setzen aufgrund der unklaren Lage bereits vereinzelte Bußgeldstellen im Augenblick bei Verfahren, in denen Fahrverbote nach dem neuen Recht drohen, vorübergehend den Versand von Bußgeldbescheiden aus.
Betroffenen Autofahrern bleibt bei derzeitiger Sachlage in diesen Fällen nur die Möglichkeit, fristwahrend Rechtsmittel (Einspruch gegen den Bußgeldbescheid) einzulegen und gegen das Fahrverbot mit dem Argument fehlender Verhältnismäßigkeit vorzugehen. Ein gutes und vielleicht erfolgversprechendes Argument ist da die Kritik des Bundesverkehrsministers, der die Novelle diesbezüglich anscheinend selbst in Zweifel zieht.
Auch die bisherige Praxis zum "beharrlichen Pflichtenverstoß", der zur Verhängung eines Regelfahrverbotes führt, muss überdacht werden. Ein Fahrverbot kommt danach "in der Regel" in Betracht, wenn eine Überschreitung ab 26 km/h vorliegt und innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung abermals eine Überschreitung von mindestens 26 km/h hinzukommt. Da aber nunmehr innerorts bereits ab 21 km/h und außerorts ab 26 km/h die Schwelle zum "groben Pflichtenverstoß" überschritten wird, ist die alte Regelung letztlich ausgehebelt.
Streit vorprogrammiert
Da diese jedoch mit der Reform nicht gestrichen wurde, kann jetzt bei zwei Überschreitungen von mindestens 26 km/h vor Gericht trefflich gestritten werden, ob ein "grober" oder "beharrlicher" Verstoß vorliegt. Bis zur Klärung der handwerklich schlecht gemachten Reform gilt jedoch:
Das ist jetzt geltendes Recht.
Rechtsanwälte werden sich freuen, Autofahrer und Rechtsschutzversicherer bei steigenden Verfahrenszahlen ganz sicher nicht.