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Zukunftstechnologien: Synthetische Schubwirkung

10.09.2018 15:00 Uhr
Zukunftstechnologien: Synthetische Schubwirkung
© Foto: Pogonici/Adobe Stock

Für die Energiewende gibt es keinen Masterplan. Experten präferieren aber einen Technologiemix auch für den Transportbereich, um kostengünstiger und robuster aufgestellt zu sein, als rein elektrisch zu fahren.

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_ Laut im November 2017 beschlossenem Klimaschutzplan der Bundesregierung müssen bis 2030 die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschlands Langfristziel ist es, bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausgasneutral zu werden.

Verschiedene Studien haben sich in jüngster Zeit damit auseinandergesetzt, wie diese Ziele erreicht werden könnten. Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat etwa untersucht, wie bis 2050 eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 80 beziehungsweise 95 Prozent erreicht werden könnte. Dabei haben die Studienautoren zum einen ein Elektrifizierungsszenario betrachtet, bei dem von einer forcierten und weitreichenden Elektrifizierung durch Elektromobilität oder elektrische Wärmepumpen ausgegangen wird. Auf den Mobilitätssektor bezogen, hätte das eine hohe Quote an batterieelektrischen Fahrzeugen zur Folge. Zum anderen untersuchten sie das Technologiemixszenario, bei dem verschiedene Energieträger nebeneinander eine Rolle spielen. In der Mobilität würden neben batterieelektrisch und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen beispielsweise auch weniger CO2-intensive Gasfahrzeuge künftig an Bedeutung gewinnen. Langfristig werden dann konventionelle Brennstoffe zudem durch synthetische Brennstoffe substituiert. Der hierfür benötigte Strom wird zunehmend durch erneuerbare Energien bereitgestellt.

"Der Energieverbrauch muss durch umfassende Energieeffizienzanstrengungen deutlich in allen Sektoren reduziert werden", beschrieb Jürgen Kruse, Leiter Wissenschaftskommunikation bei Ewi Energy Research & Scenario, auf dem Handelsblatt Dialog die erste logische Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele. Das ist etwa im Mobilitätssektor durch effizientere Motoren möglich. Zweite Forderung der Dena-Studie ist, den Ausbau und die Integration erneuerbarer Energien zu forcieren.

Neue Energieträger

Als dritte Maßnahme nennt die Untersuchung den Einsatz synthetischer erneuerbarer Energieträger. Diese sogenannten E-Fuels (siehe Kasten "Hintergrund") spielen in allen Szenarien eine Rolle. "Je höher die Klimaschutzziele, desto mehr Power-to-X (PtX) muss eingesetzt werden", betont Kruse. Damit E-Fuels tatsächlich den CO2-Ausstoß reduzieren, müssen bei ihrer Herstellung allerdings erneuerbare Energien eingesetzt werden.

Beimischung

E-Fuels sind fossilen Kraftstoffen von null bis 100 Prozent beimischbar und in konventionellen Motoren einsetzbar. Der Energiegehalt und damit die Reichweite sind vergleichbar, da E-Fuels passgenau synthetisch hergestellt werden.

Dass E-Fuels in herkömmlichen Motoren funktionieren, sieht Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, als Vorteil. Allerdings weisen strombasierte Kraftstoffe derzeit einen Gesamtwirkungsgrad von nur 20 bis 30 Prozent auf, Elektromobilität dagegen von 70 Prozent. Aber auch Autos mit Verbrennungsmotor seien eigentlich ineffizient, da sie nur 25 Prozent des getankten Kraftstoffs ausnutzen würden.

Im Personenkraftverkehr und insbesondere bei Kurzstrecken ist daher laut Sterner Elektromobilität die effizienteste Variante, um CO2-neutral zu fahren. Beim Schiffsverkehr, beim Lkw-Fernverkehr und beim Fliegen werde es hingegen ohne E-Fuels nicht gehen, zeigte sich der Wissenschaftler überzeugt.

Zweifel

Ob es aber überhaupt möglich ist, ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien für die notwendige Menge E-Fuels zu produzieren, bezweifelt der europäische Dachverband von Umweltverbänden, Transport & Environment (T & E). Er hat beim Beratungsunternehmen Cerulogy eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kommt, dass E-Fuels nur in begrenzter Menge vor allem für die Verwendung in der Luftfahrt zur Verfügung stehen. Um den Straßengüterverkehr mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen, müsste die EU 1,5-mal die gesamte aktuell produzierte Strommenge erzeugen. Eine derartige Mengenerweiterung sei unrealistisch, kommt T & E zum Schluss.

Diesem Standpunkt widerspricht die Dena-Studie: Es bestehe ausreichendes europäisches und weltweites Potenzial zur erneuerbaren Stromproduktion, um den langfristigen Bedarf an Transportenergie und E-Fuels zu decken. Hierzu wäre ein starker Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erforderlich.

Aktuell belaufen sich die Kosten für E- Fuels auf bis zu 4,50 Euro pro Liter Dieseläquivalent. Ein Zielkostenniveau von circa einem Euro pro Liter Dieseläquivalent erscheine mit Importen aus Regionen mit hohem Angebot an Sonne oder Wind aus heutiger Perspektive erreichbar, so die Experten von Dena und Ludwig Bölkow Systemtechnik. Eine Studie des Beratungsunternehmens Prognos geht davon aus, dass Powerto-Liquid (PtL) im Jahr 2050 zu Kosten zwischen 70 Cent je Liter bei optimalen Standortbedingungen und rund 1,30 Euro je Liter erzeugt werden können. Damit wäre PtL laut der Autoren für Verbraucher je nach Anwendung gegenüber rein strombasierten Lösungen preislich wettbewerbsfähig.

Markthochlauf fördern

Diese Preise können aber nur dann erreicht werden, wenn Deutschland E-Fuels im großen Maßstab produziert. Eine Maßnahme dafür ist der Bau von Anlagen im großtechnischen Maßstab. "Großmachen im Sinne des Economy of Scale (Skaleneffekte) ist wichtig", betonte Gabriele Schmiedel, Leiterin von Hydrogen Solutions bei Corporate Technology Siemens, auf dem Handelsblatt Dialog. Siemens sei aktuell in der Lage, Anlagen bis 100 Megawatt zu bauen, die nächste Generation von dreistelligen Megawattanlagen sei in Arbeit.

Und was meint die Politik?"Dass die Welt rein mit erneuerbarem Strom zu retten wäre, das glaubt heute keiner mehr", sagt Thorsten Herdan, Abteilungsleiter Energiepolitik - Wärme und Effizienz im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auch die Autoren der Dena- und Prognos-Studien halten den rein elektrischen Weg nicht für zielführend. "Der Weg eines breiten Technologiemixes ist kostengünstiger und robuster als nur auf eine starke Elektrifizierung zu setzen", zitiert Kruse eine Schlussfolgerung der Dena-Studie. Robuster, weil man nicht nur auf ein Pferd, sondern auf mehrere Technologien setze. Günstiger, weil beim technologieoffenen Mix weniger kapitalintensive Ausgaben für den Ausbau der Verteilnetze, die Anlagen, Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Gebäudesanierung notwendig seien.

Dem stimmt der Geschäftsführer der Mittelständischen Energiewirtschaft Deutschland, Steffen Dagger, zu: "Wir als Mineralölwirtschaft insgesamt werben dafür, dass die Politik technologieoffene Lösungen in ihre Überlegungen für die Ausgestaltung der Energiewende mit einbezieht."

Hintergrund - So werden E-Fuels hergestellt

Electricity-Fuels (E-Fuels), auch synthetische Kraftstoffe genannt, sind Flüssigkraftstoffe oder Gaskraftstoffe, die treibhausgasneutral hergestellt und verwendet werden können. Für die Herstellung werden Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) benötigt. Und so funktioniert der Produktionsprozess: Mit Strom, der aus Windkraft oder Sonnenenergie gewonnen wurde, wird eine Elektrolyse betrieben, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Der Wasserstoff wird dann mit CO2 zum Beispiel im Rahmen der Fischer-Tropsch-Synthese zusammengeführt. Aufbereitet in Raffinerieprozessen entsteht synthetisches Benzin, Diesel oder Kerosin. Diese Verfahren nennt man Power-to-Liquid (PtL). Das Kohlenstoffdioxid kann beispielsweise aus der Industrie stammen oder über eine "Direct Air Capture"-Einheit auch direkt aus der Luft gewonnen werden. Wasserstoff und CO2 können zudem zu Methan synthetisiert werden (Power-to-Methane). (dz)

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