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Das Risiko an langen Arbeitstagen

30.10.2015 06:00 Uhr

Für Mitarbeiter, die dienstlich mit Pkw unterwegs sind, gelten die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Überdies sind sie für ihre Fahrtüchtigkeit aber auch selbst verantwortlich.

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_ Ein typischer Tagesablauf eines Mitarbeiters mit Dienstwagen: Er fährt mit seinem Firmenwagen zu Kunden. Dabei kann die Fahrstrecke durchaus an einigen Tagen sogar mehrere hundert Kilometer betragen. Dazu kommen zeitintensive Kundengespräche vor Ort und am Abend die lange Rückfahrt mit dem Dienstwagen. Alles in allem ein sehr langer Arbeitstag. Wie verhalten sich Arbeitgeber und Mitarbeiter gesetzeskonform? Wer trägt das Risiko, etwa bei einem Unfall?

Zunächst ist für den klassischen Pkw-Fuhrpark festzuhalten, dass bei Mitarbeitern, die ein Fahrzeug unter 2,8 Tonnen fahren, die EG-Verordnungen in Bezug auf die Lenk- und Ruhezeiten sowie das Fahrpersonalgesetz nicht zur Anwendung kommen.

Die in der Fahrpersonalverordnung (FPersV) vorgegebenen Lenk- und Ruhezeiten gelten für den gewerblichen Güterverkehr ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Jedoch müssen bereits ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 Tonnen Aufzeichnungen über die Lenkzeiten, alle sonstigen Arbeitszeiten, die Lenkzeitunterbrechungen und die Ruhezeiten geführt werden (handschriftlich nach den Vorgaben der FPersV, wenn kein Aufzeichnungsgerät vorhanden ist). Wenn Fahrten mit größeren Pkw oder Kleintransportern mit Anhängern anstehen, könnte diese Gewichtsgrenze durchaus schnell erreicht werden.

Arbeitszeitgesetz

Bei Pkw gelten aber grundsätzlich nur die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Auch die Zeiten, die der Mitarbeiter am Steuer sitzt, sind als Arbeitszeiten zu werten und zu den sonstigen dazuzuzählen. Die Arbeitszeit darf insgesamt zehn Stunden pro Tag nicht überschreiten. Nach dem Arbeitszeitgesetz muss dem Mitarbeiter spätestens nach sechs Stunden Arbeitszeit eine Pause gewährt werden. Die Pause muss bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten, bei mehr als neun Stunden insgesamt 45 Minuten betragen. Kann der Mitarbeiter aufgrund der langen Fahrzeit seine Arbeit einschließlich Hin- und Rückfahrt nicht innerhalb von zehn Stunden erledigen, hat ihm der Arbeitgeber die Möglichkeit zur auswärtigen Übernachtung zu bieten.

So weit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Wie soll sich der Mitarbeiter bei unvorhersehbaren Staus oder ungeplant längeren Besprechungsterminen vor Ort verhalten? Muss er ein Hotel buchen, wenn er nach zehn Stunden Arbeitszeit (nur) noch 200 Kilometer fahren müsste, um am selben Tag nach Hause zu kommen? Und was geschieht, wenn es zu einem Unfall kommt, etwa wegen Übermüdung am Steuer - kann die Berufsgenossenschaft dann die Zahlung verweigern? Dies alles sind Fragen, die so manchen Dienstwagenfahrer bewegen.

Schutz der Berufsgenossenschaft

Zunächst zur Berufsgenossenschaft und zum Versicherungsschutz. Die Berufsgenossenschaft ist nicht zuständig für die Überwachung des Arbeitszeitgesetzes. Ein Mitarbeiter unterliegt daher grundsätzlich auch dann dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er länger arbeitet, als es das ArbZG erlaubt.

Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings dann, wenn der Mitarbeiter vom Arbeitgeber (besser Vorgesetzten) eine klare Vorgabe hatte, bei Überschreitung der Höchstarbeitszeiten etwa ein Hotel zur Übernachtung aufzusuchen. Widersetzt sich der Mitarbeiter einer solchen Anweisung, so handelt er eigenwirtschaftlich, was bedeutet, dass der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung dann infrage gestellt ist.

Gerade der Arbeitgeber selbst sollte aber ein Interesse daran haben, dass sich die Mitarbeiter an die Arbeitszeiten halten. Handelt er zum Beispiel grob fahrlässig, indem er sehenden Auges Terminplanungen mit Arbeitszeitüberschreitungen zulässt oder sogar anordnet, dann sind Regressforderungen von der Berufsgenossenschaft, aber auch von möglichen Unfallgegnern denkbar.

Auch wenn die Lenk- und Ruhezeiten bei der Verwendung eines Pkw nicht greifen, so sollten bei der Planung des Terminkalenders eines Mitarbeiters keine dauernden erheblichen Verstöße gegen die Arbeitszeitregelungen hingenommen werden.

Wenn der Mitarbeiter als Selbstfahrer unterwegs ist, wird die Fahrzeit als Arbeitszeit angesehen. Mitarbeiter mit Außenterminen sollten daher am Tag einschließlich der Fahrzeit maximal zehn Stunden tätig sein. Eine Erkenntnis, die sich auch unter dem Aspekt der Reduzierung möglicher Schäden leider noch nicht in allen Unternehmen durchgesetzt hat.

Eignungsfrage und Sorgfaltspflicht

Neben den Fragen des ArbZG und möglicher Haftungsfragen wird aber sehr oft von den Mitarbeitern, also den betroffenen Fahrern selbst, die drohende Eignungsfrage übersehen, die auch strafrechtlich relevant ist. Zunächst ist grundsätzlich festzuhalten, dass eine Verkehrsunsicherheit des Fahrzeugführers auch durch Übermüdung gegeben sein kann. Nicht gemeint ist schon jede Ermüdung geringen Grades, wie bei jedem Menschen nach getaner Arbeit, sondern eine erhebliche Übermüdung, die geeignet ist, zu einer fehlerhaften Fahrweise zu führen.

Wer unter diesen Umständen noch ein Fahrzeug führt, verletzt seine Sorgfaltspflichten als Kraftfahrer. Wer sich nicht (mehr) fahrtüchtig fühlt (auch im Falle einer Übermüdung), darf die Fahrt nicht fortsetzen. Ein Autofahrer handelt in diesem Sinne grob fahrlässig, wenn er sich über typische Ermüdungsursachen und/oder deutliche Ermüdungsvorzeichen hinwegsetzt.

Die angesprochenen Vorzeichen müssen allerdings derart deutlich sein, dass sich jedem pflichtbewussten Fahrer die Einsicht der eigenen Fahruntüchtigkeit geradezu aufdrängen würde. Indizien sind beispielsweise lange nächtliche Autobahnfahrten ohne Pausen.

Dabei handelt es sich jedoch nur um Indizien einer Übermüdung am Steuer. Der Fahrer muss die Anzeichen zudem auch selbst wahrgenommen haben. Er muss bei langen Fahrten der Ermüdung durch geeignete Pausen vorbeugen. Wer bei überschnellem Fahren - die Rechtsprechung lässt die genauere Definition offen - einschläft, handelt in aller Regel grob fahrlässig.

Was die eigene Erkennbarkeit einer Übermüdung anbelangt, so war die Rechtsprechung lange Zeit zurückhaltend, indem sie unterstellte, dass eine Übermüdung nicht stets voraussehbar sei. Neuere Urteile legen an die ständige Selbstreflektion eines sorgfältigen Kraftfahrers jedoch deutlich strengere Maßstäbe an. Es drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen.

Nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b.) StGB macht sich derjenige strafbar, der"im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen". Unter diese Tatbestandsbeschreibung des StGB fällt auch die Übermüdung. Abzustellen ist, wie schon erwähnt, auf den Grad der Übermüdung.

Eigenverantwortlichkeit des Fahrers

Die Rechtsprechung verlangt in diesem Zusammenhang von jedem Kraftfahrer, dass er sich vor Antritt einer Fahrt immer wieder neu vergewissert, ob er nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeit überhaupt (noch) imstande ist, den Erfordernissen des Straßenverkehrs gerecht zu werden. Anderenfalls verletzt der Autofahrer seine Sorgfaltspflichten.

Kommt es dennoch zu einem Verkehrsunfall wegen Übermüdung, hängt die Beantwortung der Frage, ob die durch den Autofahrer begangene Sorgfaltspflichtverletzung für diesen vorhersehbar und damit letztlich vermeidbar war, von seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, der Intelligenz und der Selbstkritik des Fahrers ab (BGH, Entscheidung vom 17. November 1994, Az. 4 StR 441/94, DAR 1995, 114). Nach Ansicht des BGH gibt es allerdings einen anerkannten Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer einschläft, stets deutliche Zeichen der Ermüdung (Übermüdung) an sich wahrnimmt oder zumindest wahrnehmen kann. Dies bedeutet, dass bei einer Übermüdung mit Verkehrsunfall immer Fahrlässigkeit im Raum steht - mithin also auch eine Strafbarkeit.

Allein aus diesem Grund kann nur jedem Autofahrer bei unklarer Ursache für einen Verkehrsunfall dringendst davon abgeraten werden, sich zur Sache (Fahrstrecke, Fahrdauer, letzte Pause etc.) einzulassen, bevor er sich anwaltlich hat beraten lassen.

Für den Inhaber eines Dienstwagens bleibt also zuallererst festzuhalten, dass an langen Arbeitstagen gemäß dem ArbZG die dienstlichen Fahrzeiten grundsätzlich zur Arbeitszeit gehören. Überdies ist der Mitarbeiter in seiner Eigenschaft als Führer eines Pkw für seine Fahrtüchtigkeit eigenverantwortlich. Damit trägt er in erster Linie selbst die Verantwortung, ob und wie lange er nach einem langen Arbeitstag seine Heimreise mit dem Pkw antritt.

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