Der Automobilmarkt folgt bisweilen seinen eigenen Regeln. Wer diese verstehen will, sollte die DNA verstehen - so wie die DAT Deutsche Automobil Treuhand. Der Marktbeobachter ist dabei sogar Teil der Automobilwirtschaft, und das seit fast 90 Jahren.
Die drei Gesellschafter des weltweit agierenden Experten-Teams mit Hauptsitz in Ostfildern nahe Stuttgart sind neben dem Verband der Automobilindustrie und dem Importeursverband VDIK (Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller) auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. Als - und das ist bei dieser Inhaberstruktur wichtig zu betonen - neutrale Instanz für das Sammeln und Aufbereiten der Daten eines jeden Fahrzeugs, das mit seiner individuellen FIN (Fahrzeugidentifikationsnummer) auf dem Markt gehandelt wird, blickt man mit nüchternem, aber exaktem Blick auf jede Bestellung. So entwickeln die Profis wie Martin Weiss ein Gespür dafür, was in den Orderlisten geklickt oder in der Car Policy gefördert beziehungsweise geächtet wird.
"Unsere Hauptquelle für die Fahrzeugbewertung sind die echten Gebrauchtwagentransaktionspreise der Fahrzeuge ohne Schäden, die vom Handel an Endverbraucher verkauft werden", erklärt Weiss.
Vergleich im Segment
Der Händler übermittelt zudem Kilometerstand, Erstzulassung und eben den erzielten Preis. Dieses geschieht über das DAT-System namens "SilverDAT", die Dealer Management Systeme, oder auch gesammelt über den Hersteller respektive Händlerverband. In Ostfildern treffen diese Daten auf Fachexperten, die den Markt nach Fahrzeugsegmenten beobachten.
Sehr detailliert werden in jedem Segment einzelne Modelle und deren Ausstattungsgrade analysiert. Daraus entsteht ein Gesamtbild, welches auch sehr genau auf die einzelnen Anforderungen der Kunden heruntergebrochen werden kann - zum Beispiel nach den Wertverläufen dreijähriger Gebrauchtwagen zum Beispiel mit und ohne Sonderausstattung. Der Vorteil dieses Separierens nach Segmenten liegt laut Weiss darin, dass man so nicht nur Veränderungen bei einzelnen Marken, sondern auch generelle Veränderungen wie die Attraktivität von Segmenten über eine lange Zeit beobachten kann - beispielsweise einen Wechsel vom klassischen Kombi hin zum SUV als Dienstwagen.
Die einzelnen Niveaubestandteile werden generell durch den technischen Wandel und durch ein Lebensgefühl definiert. "Auf Basis unserer Daten sehen wir dann ganz genau, wo Trends beim Fahrzeugkauf hingehen. LED-Scheinwerfer in der Mittelklasse sollten beispielsweise stets dazugehören. Einige Hersteller bieten diese allerdings noch immer nur optional an. Da wir unsere Prognosen der Fahrzeugwerte stets mehrere Jahre nach vorn richten, sind eben jene LED-Scheinwerfer heute schon ein Mehrwert und in der Zukunft für den Restwert dieser Fahrzeuge relevant", berichtet der Experte.
Schnüren eines Business-Pakets
Wenn der dreijährige Leasingrückläufer dann sein zweites Leben beginnt und mit veralteter Technik einen neuen Besitzer sucht, drückt das die Nachfrage und den Preis. Passiert dies zu oft, leidet der Restwert einer ganzen Baureihe, was wiederum die Leasingrate unter Druck setzt. So sind die Einschätzungen aus Ostfildern für jeden Anbieter wichtig, wenn er die Ausstattungspakete oder Business Lines für den deutschen Markt schnürt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Trend zu "functions on demand". Also Ausstattungsdetails, die per Software zu- oder abgewählt werden können. Audi bietet beispielsweise im A4-Facelift ein Feature-Trio, bestehend aus MMI plus, DAB+ und Smartphone Interface, das per App (My Audi) mit unterschiedlichen Laufzeiten hinzugebucht werden kann.
Bei den E-Fahrzeugen sind unterschiedliche Batteriekapazitäten freischaltbar, was dem Erstkunden einen Grad der Individualisierung lässt und dem Vermarkter die Möglichkeit gibt, den Gebrauchtwagen im Nachhinein zu konfigurieren - anhand der aktuellen Wünsche des Gebrauchtwagenmarktes - oder des Interessenten. Man preist also den Hype im Neuwagenmarkt für die Gebrauchten ein. Das klappt oft sehr gut - aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten je nach Segment oder Antriebsart.
Ein Gefühl zu entwickeln, wie lange eine automobile Vorliebe trägt, ist allerdings mehr als ein einfaches Fingerschnippen. "Bei den ersten Elektroautos waren wir schon sehr exakt mit unseren Restwertprognosen. Bei den meisten Fahrzeugen dieser Antriebsart bewegen wir uns im Korridor von einem Prozent Abweichung", ergänzt der Experte.
Kurzlebige Technik-Flops
Welche Ausstattungstrends sieht man also am Rande der Schwäbischen Alb aktuell im deutschen Markt? "Das ist segmentabhängig", meint Weiss."Beim Kleinwagen zahlt keiner etwas für die Ledersitze. Hier sind andere Dinge wie Apple Car Play oder Android Auto gefragt. Bei der Oberklasse ist ein Auto ohne Leder fast unverkäuflich oder nur mit hohem Nachlass veräußerbar. Wir unterscheiden deshalb - und das ist für unsere Kunden elementar wichtig - die Sonderausstattungsabwertungen nach Segment." Allerdings gibt es im segmentierten Umfeld auch so etwas wie Allgemeinplätze. Assistenz- und Sicherheitssysteme sind immer hochwertig."Da sehen wir einen Trend, dass das nachgefragt werden wird."
Auch wenn es in dem Fall der Gesetzgeber ist, der als Treiber agiert (Stichwort: NCAP-Crashtest). Bei den Premiumherstellern wiederum wird fast alles gekauft, was angeboten wird. Ausnahmen gibt es allerdings auch dort. So war zwar das Nachtsichtgerät in der Mercedes-Benz W212er E-Klasse hip, wurde aber kein wirklicher Verkaufsschlager. Ergo blieb es beim Nachfolger außen vor. Beim adaptiven Tempomaten (ACC) ist das Gegenteil zu beobachten. Wer ihn nicht ordert, wird je nach Segment nicht so einfach Höchstpreise beim Wiederverkauf erzielen.
Die Helferlein wandern dabei typischerweise von der Ober- in die Mittel- und Kompaktklasse. So ist plötzlich im aktuellen Mazda 3 der ACC serienmäßig und der Handlungsdruck auf die übrigen Kompaktklässler könnte steigen. Zumal die Car Policies mittlerweile voll mit Sicherheitsvorgaben sind.
Gebündelt werden diese Systeme wie auch die Annehmlichkeiten speziell für Vielfahrer oft in eigene Businesspakete samt Preisvorteil für den Käufer."Diese Pakete sind in der Regel nicht nur mit einem Preisvorteil versehen, sondern auch sinnvoll und empfehlenswert. Winterpakete und die erwähnten Fahrerassistenzpakete gehen auch immer. Und selbst manch sportliche Optikpakete ohne wirklichen Nutzen können den Restwert hochhalten", argumentiert Weiss.
Hardware zieht also durchaus, was für Software erfahrungsgemäß nicht so einfach ist, da die Update-Zyklen deutlich kürzer sind. Konnektivität im Dienstwagen ist zwar längst Pflicht, mit neuen Prozessoren und raffinierteren Programmen veralten diese Fahrzeuge allerdings immens schnell. Hier empfiehlt Weiss wiederum den Blick aufs Segment und damit aufs Budget: "Große Fahrzeuge müssen beispielsweise Echtzeitdaten (Real Time Traffic) mit eigenem Navi bieten, wohingegen bei den kleinen Autos Apple Carplay und Android Auto mit großem Display reichen."
Jedes Ausstattungdetail zählt
"Generell gilt es, bei der Fahrzeugbewertung alle im Fahrzeug befindlichen Sonderausstattungen zu berücksichtigen, da sonst leicht hohe Eurobeträge in der Bewertung falsch kalkuliert werden. Vergleicht man zum Beispiel ein 'nacktes' drei Jahre altes Fahrzeug ohne Ausstattung mit einem durchaus üblich ausgestatteten Fahrzeug, so ergeben sich deutliche Unterschiede im Restwert.
Das nackte Fahrzeug hat zum Beispiel nach drei Jahren noch einen Restwert von 47 Prozent vom Listenneupreis, während das gleiche Fahrzeugmodell - aber mit Sonderausstattung im Wert von 16.000 Euro - nach dem gleichen Zeitraum nur noch auf einen Restwert von 34 Prozent vom Listenneupreis kommt. Dies ist darin begründet, da die enthaltene Sonderausstattung wesentlich schneller als das Basisfahrzeug an Wert verliert", erklärt Weiss.
Ebenfalls groß ist der Druck, den der verbaute Motor aufbauen kann. Das monatliche Diesel-Barometer entsteht ebenfalls hier in Ostfildern. Nach dem Auseinanderdriften der Gebrauchtfahrzeugwerte von Selbstzündern und Benzinern im 2017 verflachte die Kurve des Diesel-Graphen in den folgenden Monaten wieder.
Bei den E-Modellen wiederum trafen laut Weiss am Anfang drei Dinge aufeinander, die die Restwerte extrem drückten: Hohe Anschaffungspreise, schnelle technische Verbesserungen (Batterie) und wenig erfahrene Gebrauchtwagenverkäufer. Die Listenneupreise für Stromer sind mittlerweile auf einem niedrigeren Niveau, die Reichweiten steigen und auch der Gebrauchthandel weiß zunehmend besser mit dem Stecker-Segment umzugehen. Sie sind "wertstabil" (siehe S. 42) - ganz nach dem Regelwerk der Autoindustrie.