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Batterie-Pleiten: "Das ist maximal kritisch"

01.09.2025 11:50 Uhr | Lesezeit: 3 min
Heiner Heimes
Heiner Heimes
© Foto: RWTH Aachen

Nach dem Stopp der Batteriefertigung bei Porsche warnt Professor Heiner Heimes (RWTH Aachen) vor einer wachsenden Abhängigkeit von China – und spricht von einer "dramatisch veränderten" Situation in der Zellfertigung.

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Die Krise ist offensichtlich – und verschärft sich noch: Batteriehersteller wie Northvolt, Varta, Custom Cells und zuletzt die Porsche-Tochter Cellforce haben innerhalb eines Jahres Insolvenz angemeldet oder sind in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Auch große Maschinenbau-Unternehmen wie Manz und Coatema Coating Machinery sind betroffen. Die Fertigung von Batteriezellen in Deutschland kommt nicht in Gang. Liegt das nur an der schwachen Nachfrage nach Elektroautos? Guido Reinking, Chefredakteur bei der Autoren-Union Mobilität, sprach mit Professor Heiner Heimes, Leitungsmitglied des Lehrstuhls „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen. 

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder schlechte Nachrichten von Batterieherstellern, zuletzt von der Porsche-Tochter Cellforce. Haben die Unternehmen jeweils individuelle Fehler gemacht oder gibt es hier ein grundsätzliches Problem?

Heiner Heimes: Wir müssen zwischen der Zellproduktion und der Modul- und Pack-Produktion unterscheiden. Im Bereich von Batteriemodulen und -packs sind wir in Deutschland gut aufgestellt. Die eigentliche Wertschöpfung findet aber in der Zellproduktion statt. Die Zelle bestimmt die Kosten der gesamten Batterie und die zentralen Leistungseigenschaften: Gewicht, Größe, Reichweite, Kapazität – alles das wird durch die Zelle festgelegt. Deshalb ist es für den Automobilstandort Deutschland so wichtig, über eine eigene Zellproduktion zu verfügen.

Bisher sind fast alle Anläufe für eine größere, eigenständige Zellfertigung – bis auf die VW-Tochter Power Co in Salzgitter – gescheitert. Was läuft da schief?

H. Heimes: In den vergangenen fünf Jahren haben viele Akteure in die Zellfertigung investiert. Mittlerweile hat sich die Situation dramatisch geändert. Unternehmen stellen den Betrieb ein oder – noch schlimmer – müssen Insolvenz anmelden.

Ist die Ursache tatsächlich nur die schwache Nachfrage nach Elektroautos und damit auch nach Batteriezellen? Oder ist die Zellfertigung schlicht zu komplex?

H. Heimes: Zweiteres, ganz klar. Und es gibt noch einen dritten Effekt: Aus Asien werden im Moment sehr viele Zellen sehr günstig in Europa angeboten. Das kann eine gewisse strategische Relevanz haben. Chinesische Hersteller befinden sich in einer vorteilhaften Position: Sie bieten ihre Zellen so preiswert an, dass große Unternehmen in Deutschland und Europa feststellen müssen, dass sie ihre Produkte niemals zu solch niedrigen Preisen werden anbieten können.

Die Hersteller aus Asien halten sich auf diese Weise potenzielle Wettbewerber vom Hals?

H. Heimes: So kann man es sagen. Wenn die europäischen Hersteller vom Markt gedrängt werden oder gar nicht erst anfangen zu produzieren, gibt es keine Wettbewerber mehr.“

Das heißt, Sie sehen eine Strategie der Asiaten – vor allem der Chinesen – dahinter, Wettbewerb in der Zellfertigung in Europa nicht zuzulassen?

H. Heimes: Ja, das sehe ich so.

Wie bei der Produktion von Solarzellen, wo ebenfalls der Preisverfall durch Wettbewerber aus China die deutschen Hersteller zur Aufgabe gezwungen hat?

H. Heimes: Ja, auch da ist die Produktion in Europa durch die günstigen Importe aus Asien vom Markt katapultiert worden. Und dabei ist es nicht geblieben. Auch der Maschinen- und Anlagenbau für diese Industrie ist abgewandert. Da hatten wir in Deutschland starke Player. Ich mache mir große Sorgen, dass wir einen ähnlichen Effekt bei den Batteriezellen sehen. Auch dort steht der Maschinen- und Anlagenbau vor Herausforderungen. Die Entwicklungen um einige führende Maschinen- und Anlagenbauer sind ein Warnsignal. Übrigens ist auch die Recycling-Branche betroffen. Für die wird es ebenfalls herausfordernd."

Warum?

H. Heimes: An wen sollen die Recycler die zurückgewonnenen Rohstoffe verkaufen, wenn es in Europa keine Zellfertigung gibt? Auch in der Produktion von Zellen fällt jede Menge Ausschuss an, der recycelt werden muss.

Also war es aus Ihrer Sicht kein Fehler der Bundesregierung, Northvolt zu unterstützen?

H. Heimes: Nein, das war kein Fehler. Man darf Unternehmen, die Batteriezellen produzieren möchten, nicht allein lassen. Was sie vorhaben oder vorhatten, ist von hohem volkswirtschaftlichen Nutzen. Wäre es Northvolt gelungen, Zellen zu produzieren, wäre Europa ein ganzes Stück unabhängiger geworden. Wenn wir keine eigene Zellfertigung aufbauen, besteht das Risiko, von asiatischen Marktakteuren abhängig zu sein.“

Woran scheitern Zellhersteller?

H. Heimes: Für die Produktion braucht man einen langen Atem, weil man am Anfang viel Ausschuss hervorbringt. Wenn dann noch die Kosten explodieren, durchläuft man ein Tal der Tränen, bis der Prozess stabil funktioniert. Das ist keine Frage von zwei Monaten, sondern eher von zwei Jahren – und das kostet sehr viel Geld.“

Haben Sie noch Hoffnung, dass ein europäisches oder deutsches Unternehmen den Wissensvorsprung aufholen kann, den China mittlerweile hat?

H. Heimes: Ja, da habe ich keine Zweifel. Wir sind ein Industriestandort mit vielen Chemie- und Prozessingenieuren. Wir beherrschen Produktion und komplexe Produkte. Das müssen wir auf das Thema Batterie übertragen.

Ist es für die deutschen Autohersteller nicht bequem zu sagen „Dann kaufen wir die Zellen eben aus Asien, Hauptsache billig?

H. Heimes: Im Moment funktioniert diese Strategie offenbar. Aber was passiert, wenn die Hauptlieferanten zu der Erkenntnis kommen ,Wir erhöhen die Preise um 40 oder 50 Prozent – auch aus politischen Gründen‘? Was das für die Autohersteller bedeutet, kann man sich vorstellen. Schließlich machen die Batteriezellen bis zu 40 Prozent des Preises von Elektrofahrzeugen aus.

Ist der Preis für die Batteriezelle der Ölpreis des 21. Jahrhunderts?

H. Heimes: Der Vergleich bringt es auf den Punkt – auch wegen der politischen Abhängigkeit, in die wir geraten. Und die betrifft nicht nur die Automobilindustrie. Immer mehr Produkte werden elektrifiziert: Stationäre Energiespeicher und Powertools, Anwendungen in der Luftfahrt und der militärische Bereich basieren auf Batterien. Wenn wir da in eine hundertprozentige Abhängigkeit geraten, ist das maximal kritisch.

Asiatische Unternehmen wie CATL und BYD investieren in Europa. Ist das nicht eine gute Nachricht? 

H. Heimes: Da mache ich mir eher Sorgen. Denn die Unternehmen kommen mit eigenen Produktionstechniken und oft auch einer eigenen Belegschaft. Damit entsteht zwar ein europäischer Produktionsstandort, aber es findet kein Know-how-Transfer in die europäische Industrie statt. Das hilft dann auch dem hiesigen Maschinen- und Anlagenbau nicht.

Also nicht so wie die deutschen Autohersteller in China, die dort praktisch ihr ganzes Know-how eingebracht haben? 

H. Heimes: Die Vorstellung, dass es jetzt eben einfach andersherum läuft, ist falsch.

Was sagen Sie Ihren Studierenden, warum sie weiter bei Ihnen studieren sollten, wenn doch absehbar ist, dass es in Deutschland kaum Zellproduktion geben wird?

H. Heimes: Als Power Co kommuniziert hat, künftig in Salzgitter für Volkswagen Batteriezellen zu produzieren und dort massiv zu investieren, hat das bei uns sofort zu einem Anstieg der Studierendenzahlen im Fach ,Batterieproduktion‘ geführt. Wer jetzt die Zukunftschancen analysiert, muss erkennen, dass sehr viel Unsicherheit in dem Thema steckt. Doch auch wenn es kaum Zellproduktion heimischer Unternehmen geben sollte, gibt es genügend Gründe, sich mit dem Fach auseinanderzusetzen. Selbst wenn die Fahrzeughersteller die Zellen nicht selbst produzieren, brauchen sie qualifiziertes Personal, das sich damit auskennt.

Könnte die Feststoffbatterie, eine neue Technologie in der Zellfertigung, die deutschen Unternehmen wieder nach vorn bringen?

H. Heimes: Bei Konferenzen höre ich häufiger so etwas wie 'Lasst uns statt Lithium-Ionen-Akkus direkt auf die Feststoffbatterie setzen. Dann können wir überholen, ohne aufzuholen'. Ich glaube nicht daran, dass das funktioniert, denn die Synergien zwischen der klassischen Lithium-Ionen-Batterie und der Feststoffbatterie – sowohl im Produkt als auch im Produktionsprozess – sind dafür zu groß.

Was müsste die Politik jetzt tun? 

H. Heimes: Wir müssen das Thema Batteriezellen-Produktion konsequent angehen und den strategischen Wert dieser Komponente erkennen. Dann muss man mit höchster Intensität investieren – auch wenn es fünf Jahre dauert und die Unternehmen maximale Unterstützung benötigen. Oder man entscheidet sich eben dagegen und begibt sich in eine neue Abhängigkeit. Das lässt sich dann aber nicht mehr rückgängig machen. Denn Unternehmen, die jetzt scheitern, können später nicht mehr reaktiviert werden.

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