Rechtsdienstleistung
Chance oder Eigentor?
Seit einem halben Jahr ist nunmehr das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) in Kraft, welches das aus dem Jahr 1935 stammende Rechtsberatungsgesetz (RBerG) abgelöst hat und nun auch anderen
Berufsgruppen Rechtsberatungen erlaubt. Welchen Nutzen bringt es Fuhrparkbetreibern?
Nach dem RBerG war die Rechtsberatung jeder Art den juristischen Berufen, namentlich den Anwälten vorbehalten. In engen Grenzen sah es aber auch Ausnahmen vor. So waren auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsbeistände und ähnliche Berufe befugt, im Einzelfall rechtsberatend für ihre jeweiligen Mandanten tätig zu werden – natürlich gegen entsprechende Vergütung.
Hieran änderte sich auch durch das am 1. Juli 2008 in Kraft getretene RDG vom Grundsatz her erst einmal nichts, um dem ersten großen Missverständnis entgegenzutreten. Zwar ist die Rechtsberatung nun auch anderen Berufsgruppen erlaubt, sie ist aber an einige Auflagen geknüpft. Bestes Beispiel für die neuen Anbieter dieser Dienstleistung sind zahlreiche Autowerkstätten, die neue wirtschaftliche Möglichkeiten sehen. Gerade diese müssen sich dessen bewusst sein, dass die Rechtsdienstleistung, die sie erbringen wollen, in jedem Fall drei Voraussetzungen erfüllen muss: Zum einen muss sie unentgeltlich sein, zum anderen muss es sich explizit um eine Nebenleistung andeln, also der eigentlichen Tätigkeit untergeordnet sein, die darüber hinaus auch noch auf den Einzelfall bezogen ist. Und schließlich ist die Rechtsdienstleistung ausdrücklich auf die außergerichtliche Rechtsberatung beschränkt. Doch die Grenzen sind eng, die Übergänge fließend zwischen erlaubter und unerlaubter Rechtdienstleistung.
Konsequenzen für Flottenkunden
Der Vorteil des RDG ist, dass es nun einigen Berufsgruppen möglich ist, sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten. Bestes Beispiel hierfür sind wiederum die Autowerkstätten. Wenn die Werkstatt die entsprechende Sach- und Rechtskunde hat, stellt es einen angenehmen Vorteil für unfallgeschädigte Kunden dar, wenn das Fahrzeug nach einem Unfall nur noch an eine Werkstatt übergeben wird, die dann alles Weitere von der Reparatur bis zur Regulierung mit der gegnerischen Versicherung übernimmt.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden seit dem Inkrafttreten des RDG Zusammenschlüsse von Partnerbetrieben ins Leben gerufen, um bundesweit ein sogenanntes "Netzwerk aus Unfallspezialisten" anzubieten. Diese sollen auch die Versicherungsformalitäten fachgerecht abwickeln. Kurz gefasst: Diese Betriebe versuchen, den täglichen Kampf mit der Versicherung aufzunehmen, um ihren Kunden die Unfallabwicklung und den damit verbundenen Arbeitsaufwand, die Mühen und den Ärger abzunehmen.
Der Nachteil: Für den Kunden stellt das eine eher trügerische Aussicht dar. Nach dem RDG können die Werkstätten die weitere Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung führen. Allerdings sind ihnen schnell Grenzen gesetzt. Rechtliche Wertungen, Schuldfrage oder Ähnliches sind ihnen auch nach dem RDG nicht gestattet. Und, Hand aufs Herz: Können Werkstattmitarbeiter die umfangreiche juristische Korrespondenz mit der Versicherung kompetent führen? Kennt die Werkstatt Ihres Vertrauens tagesaktuell die Rechtsprechung? Tücken lauern überall. Die Erfahrung zeigt, dass anwaltlich vertretene Geschädigte regelmäßig einen deutlich höheren Schadensersatz erzielen; dies wiederum wirkt sich unmittelbar positiv auf den Fuhrpark aus.
In der Praxis üblich: Werkstätten reichen zumeist die Reparaturkostenrechnung an den Versicherer weiter. Doch was ist mit den Auslagen des Unfallgeschädigten? Den sogenannten Vorhaltekosten, der Wertminderung oder gar dem Gewinnentgang, wenn kein Ersatzfahrzeug angemietet wurde? Oder wäre es im Rahmen des wirtschaftlichen Interesses des Fuhrparks nicht oftmals taktisch klüger, fiktiv auf Gutachtenbasis abzurechnen? Nicht zuletzt handelt es sich bei den meisten Pkw um Leasingfahrzeuge, bei denen es diverse Besonderheiten zu beachten gibt.
Sachverhalte individuell bewerten
Festzuhalten bleibt, dass jeder Sachverhalt individuell bewertet und beurteilt werden muss. Lassen Sie sich als Fuhrparkverantwortlicher nicht die ganze Verantwortung aus der Hand nehmen. Sie sollten darauf achten, dass auch in Zukunft die Rechtsdienstleistung von qualifizierten Anwälten erbracht wird. Andernfalls kann sich der vermeintlich "billige Rechtsrat" rasch als teures Eigentor herausstellen. Nur wer die sich teils täglich wandelnde Rechtssprechung kennt und anzuwenden weiß, bringt dem Fuhrpark den wirtschaftlich entscheidenden Vorteil. Inka Pichler